Vincent Leifer, SalomeIn Greifswald ist derzeit die Ausstellung „Holy Tales“ des Fotografen Vincent Leifer zu sehen – stark inszenierte und komponierte Fotografien, die Themen aus der Bibel aufgreifen und illustrieren. Sehr opulent, sehr bedeutungsschwanger:

Der Fotograf Vincent Leifer mag Frauen.

Bereits in den von ihm geschaffenen Mode-, Porträt- und Aktfotografien hat er ihre Schönheit und Stärke gepriesen. In seinen aktuellen, seit 2006 entstehenden, digitalen Bildschöpfungen werden sie nun erneut als selbstbewusste Wesen mit einer unübersehbaren erotischen Ausstrahlung dominant in den Mittelpunkt des Geschehens gestellt. Dabei spielt es keine Rolle, ob sie das Bildgeschehen als Täterin („Salome“ oder“ Jael“), Opfer („Hieronymus“) oder gar für das Fortbestehen der Welt als Auserwählte („Noah“) dominieren, – ihnen gehört unsere ganze Aufmerksamkeit. Die durch sie erzählten Bildgeschichten erreichen Ausmaße biblischer Größe und tatsächlich hat sich der Fotograf, fasziniert von der Vielgestaltigkeit und Wucht, der im Alten und Neuen Testament überlieferten Geschichten, inspirieren lassen und so „Salome“, „Jael“ und andere starke Frauengestalten zu neuem Leben erweckt.
 

Vincent Leifer, Jael

Vincent Leifer, Jael

 
Fast beiläufig und ohne sichtbare innere Beteiligung tötet Jael in Leifers Fassung den kanaanitischen Feldherren Sisera aus Hazor. Dieser hatte nach einer verlorenen Schlacht gegen die Israeliten scheinbar Unterschlupf bei ihr gefunden. Tatsächlich fand er aber den Tod, denn die schöne Frau treibt dem, in der Originalfassung in einem Teppich versteckten Mann, mit einem Schmiedehammer einen Zeltpflock durch die Schläfe. Laut der Überlieferung verschaffte die Täterin ihrem Volk dadurch eine vierzig Jahre währende Friedenszeit. In der Neuverbildlichung dieser Tat durch den Fotografen beschaut der Betrachter verwundert die Szenerie und schwankt zwischen Faszination und seltsamer Unberührtheit. Die Szenerie bleibt rätselhaft und der an die Gemälde des norddeutschen Romantikers Caspar David Friedrich erinnernde Nachthimmel und die Ruinenlandschaft verstärken den surrealen verfremdenden Eindruck noch.
 

Vincent Leifer, Salome

Vincent Leifer, Salome

 
Das Unbestimmbare und Phantastische in Verbindung mit den seltsam zeitlos, unberührt und entrückt wirkenden Frauendarstellungen macht einen nicht unwesentlichen Teil der Wirkung der neuen fotografischen Kompositionen Vincent Leifers aus. Man merkt ihnen die Kenntnis der Theater- und Modewelt an. Mit Freude arrangiert er seine Bildvisionen, die mit einem erheblichen organisatorischen und technischen Aufwand verbunden sind. Dabei nutzt er die Möglichkeiten der digitalen Fotografie. Szene für Szene werden die einzelnen Fragmente im Studio arrangiert, ausgeleuchtet und fotografiert und anschließend in aufwendiger Bildbearbeitung Orte, Landschaften oder Objekte hinzugefügt.
 

Vincent Leifer, Hieronymus II

Vincent Leifer, Hieronymus II

 
Deutlich werden auch seine Kenntnisse der Malerei Pieter Breughel des Älteren (ca.1520/25-1569) oder der von Hieronymus Bosch (1450-1516). Letzteren widmet er gar mit den Bildern „Hieronymus I und II“ eine Hommage, bei der er aus dessen Triptychon „Garten der Lüste“ zitiert. Unschwer erkennt man Boschs dämonische, tierköpfige Wesen, hässliche Gnome und Monster wieder, welche die Frauen bedrängen, ihrer Unversehrtheit und Reinheit aber scheinbar nichts anhaben könnten. In seinem Werk Chronica 21.3 stellt er in schockierender Detailgenauigkeit die Abgründe menschlichen Handelns dar. Der Einfluss aktueller Berichte aus Krisengebieten lässt sich nicht leugnen.

Vincent Leifers neue Arbeiten „Holy Tales“ provozieren sicherlich durch die sinnlichen und teilweise gewagten Bildfindungen alter biblischer Geschichten, aber gleichzeitig gelingt es dem Fotografen dadurch, das Interesse an diesen vieldeutbaren Geschichten wachzuhalten und sie für ein neues gegenwärtiges Publikum zu erschließen.

(Mario Scarabis)
 
 
Austellung:
Vincent Leifer – Holy Tales
7.2.2015 bis 21.3.2015

Galerie STP
Lange Str. 21
D-17489 Greifswald