Foto Michael GreccoHerbstzeit ist Festivalzeit! Kurz vor dem Monat der Fotografie in Berlin werden sich Foto-Enthusiasten kaum die „Internationale Photoszene Köln 2010“ entgehen lassen. Seit Anfang September, aber vor allem zum „Kernwochenende“ zwischen dem 24. und 26. September, sind in Köln viele spannende Ausstellungen und Sonderveranstaltungen zu sehen:

Köln ist eine prominente Stadt der Fotografie – und will es auch bleiben. Und das große kulturelle Aushängeschild in Sachen Fotografie und Fotokunst ist – neben der photokina – die „Internationalen Photoszene Köln“, die im Zweijahresrhythmus parallel zur photokina stattfindet – und in diesem Jahr bis zum 26. September zu sehen ist. Vieles gruppiert sich hier um das Kernwochenende vom 24. bis 26. September: Regionale und internationale Künstler zeigen ihre Arbeiten an über 70 Ausstellungsorten – erwartet werden etwa 20.000 Besucher.

Zentrum der Veranstaltung ist das IPK Festivalzentrum im Museum für Angewandte Kunst in Köln, ganz in der Nähe des Doms. Hier wird die Ausstellung „René Burri – Das Werk“ präsentiert, eine Retrospektive des 1933 geborenen Schweizer Magnum-Fotografen. „Die Kamera“, sagte er einmal, „war für mich immer ein magischer Stab, der mir die Möglichkeit gab, an Orte zu gelangen, an denen ich für mich etwas Neues erfahren konnte.“ Auch die „Photographer’s Night“ am 23. September ab 19 Uhr ist ein Höhepunkt des Festivals (gleichfalls im Museum für Angewandte Kunst). An diesem Abend wird der Internationale BFF-Förderpreis & Reinhart-Wolf-Preis verliehen. Danach werden René Burri, der Schweizer Michael von Graffenried und Peter Bialobrzeski mit kurzen Screenings ihre Arbeiten präsentieren. Später wird man trinken und sich bestimmt gut amüsieren – im Festivaljargon „Get-Together“ genannt.
 

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Junge Fotografie in Köln. Foto: Vlad Akhunahov. Entstanden im Rahmen des Kooperationsprojektes „41°N 2°E Barcelona“. Der Reinerlös aus dem Verkauf von Ausstellungskatalogen, Bildbänden, Postkarten und den Ausstellungsexponaten wird dem Verein wünschdirwas e.V. gespendet.

 
Auch die Internationale Photoszene Köln hat eine Portfolio-Review, die Fotografen die Möglichkeit bietet, von Bildredakteuren, Sammlern und Dozenten beraten zu werden. Am Freitag, den 24. September, ab 14 Uhr findet die Review im Museum für Angewandte Kunst Köln statt. Mit dabei: Dr. Norbert Moos (Vorsitzender IPK e.V. Vorstand und Leiter Forum für Fotografie Köln), Renate Gruber (Fotografin und Filmemacherin), Peter Bitzer (Geschäftsführer laif Agentur für Photos & Reportagen GmbH), Tina Schellhorn (Galerie Lichtblick) und Norbert Waning (Geschäftsführer Bund Freischaffender Fotodesigner). Anmeldung unter: portfolio@photoszene-koeln.de.

Der Schwerpunkt der Photoszene liegt auf den vielen, qualitätvollen Ausstellungen. Ein Blick auf das Webportal verrät – hier ist alles vertreten: Dokumentarfotografie, Porträt, Fotokunst, Experimentelles, Fotoreportage, Mode. „Wer in diesem Jahr die Ausstellungen in Köln besucht oder diesen Katalog durchblättert, dem wird nicht verborgen bleiben, dass sich die Bild- und Denkansätze der Photographie weiterhin bewusst sehr heterogen dargestellt finden“, schreibt Dr. Norbert Moos, Vorsitzender des Vorstands der Internationale Photoszene Köln e. V., in seinem Grußwort. Siehe auch die Top Ten, das Gesamtprogramm und die Junge Photographie.

Unmöglich, alle Ausstellungen vorzustellen, doch einen subjektiven Rundgang wollen wir wagen:
 

Foto Bob-Gosani: Love-Story, Sophiatown, 1954

Bob-Gosani: Love-Story, Sophiatown, 1954. Courtesy BaileySeippel Gallery Johannesburg. © BAHA
 
 
Foto Bonile Bam: Initiation, Transkei, Eastern Cape, 2000

Bonile Bam: Initiation, Transkei, Eastern Cape, 2000. Courtesy Seippel Gallery Johannesburg Cologne

 
Eine große Überblicks-Schau zur südafrikanischen Fotografie von 1950 bis heute ist in der Galerie Seippel zu sehen. Über 100 Arbeiten werden gezeigt, darunter Werke von Bob Gosani, Peter Magubane, Ranjith Kally, Gideon Mendel, G.R. Naidoo, Cedric Nunn, Sam Nzima, Gille de Vlieg, Paul Weinberg, Andrew Tshabangu, Pierre Crocquet, Bonile Bam sowie unbekannten Fotografen des legendären „DRUM Magazine“. Am 24. September um 19 Uhr gibt es einen Vortrag zur südafrikanischen Fotografie von 1950 bis heute.
 

Foto Lewis Baltz: „Paolo Alto“, 1973

Lewis Baltz: „Paolo Alto“, 1973; aus der Serie „The Prototype Works“. © Lewis Baltz. Courtesy Galerie Thomas Zander, Cologne

 
Eine spannende Schau ist auch jene von Lewis Baltz und Donald Judd in der Galerie Thomas Zander. Mit Baltz wird einer der Hauptvertreter der amerikanischen „New Topographics“ gezeigt – gemeinsam mit Wand- und Papierarbeiten sowie Skulpturen und Raumobjekten des Minimal Art-Künstlers Donald Judd. Eine interessante, neue Kombination – ein Höhepunkt der Photoszene.
 

Foto: Sergio Purtell

Foto: Sergio Purtell. Aus der Ausstellung: „T.I.M.P. – Fotokunst im Etablissement“, ehemaliges Hotel Timp
 
 
Foto: Michael Grecco

Foto: Michael Grecco. Aus der Ausstellung: „T.I.M.P. – Fotokunst im Etablissement“, ehemaliges Hotel Timp

 
Ein ungewöhnlicher, morbider Kunst-Ort ist das TIMP, ein leerstehendes Hotel mit 15 Zimmern, 3 Suiten und einem Tanzsaal, in dem lange Jahre Travestie-Shows zu sehen waren. Hier wird eine Gruppenausstellung zum Thema „Liebe, Lust und Leidenschaft“ präsentiert. Es sind unter anderem Arbeiten von Antoine d’Agata, Mariette Pathy Allen, J. Jackie Baier, Andrej Barov, Ilse Bing, Larry Fink, Michael Grecco, Birgit Kahle, Les Krims, Ann Simmons-Myers, Wolfgang Schulz, Arthur Tress und Miron Zownir zu sehen.
 

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Fotos: Casimir Ostoya Zagourski: „Banza Girl“ / „Mangbetu Hairdressing“. © Casimir Ostoya Zagourski

 
Im Kunstwerk Nippes wird die Schau „L´Observateur – Der Blick auf Zentralafrika zwischen 1920-1960“ gezeigt – Fotografien Zentralafrikas, die seit dem späten 19. Jahrhundert bis zum Ende der Kolonialherrschaft Ende der sechziger Jahre entstanden sind. Zu sehen sind etwa 100 Arbeiten aus einer privaten Sammlung, darunter auch Bilder des polnischen Fotografen Casimir Zagourski.
 

Foto Yuri Kozyrev: „Vasilyi Ivanovich, the elder of the tribe“

Yuri Kozyrev: „Vasilyi Ivanovich, the elder of the tribe“. © Yuri Kozyrev / NOOR / laif for Russian Reporter

 
In der laif photogalerie präsentiert man die Ausstellung „NOOR — Consequences“: Arbeiten, welche die zerstörerischen Folgen des Klimawandels zum Thema haben – Bilder von neun Dokumentarfotografen der von laif in Deutschland vertretenen Agentur NOOR. „Bilder, die zeigen“, so die Veranstalter, „wie das Leben von Millionen von Menschen zerstört wird – wenn Hunger, Krankheiten, Konflikte, Zwangsmigration und der Verlust von Existenzgrundlage und Menschenrechten Konsequenzen des Klimawandels sind.“ Unterstützt wird die Ausstellung von Nikon Europe und Greenpeace International.
 

Foto Alphonse Mucha: Paul Gauguin am Harmonium in Muchas Atelier, Paris, um 1893/94

Alphonse Mucha: Paul Gauguin am Harmonium in Muchas Atelier, Paris, um 1893/94. Silbergelatine, 24 x 18 cm. Mucha Foundation, Prag

 
Auch die großen Museen beteiligen sich an der Internationalen Photoszene Köln. Im Museum Ludwig ist die Schau „La Bohème“ – Die Inszenierung des Künstlers in der Fotografie des 19. und 20. Jahrhunderts“ zu bewundern. Ein originelles Thema – gezeigt werden Porträts von Malern, Bildhauern, Literaten und Schauspielern ebenso wie Darstellungen ihrer Lebenswelt. Viele unbekannte Fotografen sind hier zu entdecken, aber auch Klassiker wie Hermann Biow, Franz Hanfstaengl, Nadar, Hugo Erfurth und August Sander.
 

Foto Mauro Fariñas, aus der Serie „Pleased to meet You XII“

Mauro Fariñas: „Pleased to meet You XII“, 2009, 90×126 cm

 
Viele weitere Ausstellungen sind zu sehen, zum Teil in bisher eher unbekannten Kunsträumen oder Off-Spaces. Da gibt es etwa das „100 kubik – raum für spanische kunst“, wo der 1982 geborene Fotograf Mauro Fariñas seine Ausstellung „Pleased to meet You“ zeigt – eine experimentelle Serie, ein Spiel mit Licht und Schatten. Bettina Gruber stellt unter dem Titel „Out of Order“ neue Fotoarbeiten in der Galerie Claudia Delank aus – poetische Bilder, welche das Thema Zeit und Vergänglichkeit mit feinem Humor umkreisen.
 

Foto Elaine Ling, aus der Serie „Mongolia, Land of the Deer Stone“

Elaine Ling, aus der Serie „Mongolia, Land of the Deer Stone“. © Elaine Ling

 
„Mongolia, Land of the Deer Stone“ ist der Titel einer ganz anders gearteten Schau, die in der Galerie Lichtblick zu sehen ist. Gezeigt werden Arbeiten von Elaine Ling, welche die Geschichte einer Welt erzählen, in der Schamanen mit Geistern reden: Fotografien aus einem Land der Mystik und Magie, Bilder von Menschen, deren Heimat die Jurte ist – und ihr wertvollster Besitz ein gutes Pferd. Im Rahmen der Ausstellung wird auch Lings neues Mongolei-Buch vorgestellt.
 

Foto Stefan Heyne: „Ohne Titel“, 2008

Stefan Heyne: „Ohne Titel“, 2008; je 180×120 cm, Fotografie auf Alu Dibond, Edition of 5 + 2 A.P. © Stefan Heyne, Courtesy Kaune, Sudendorf Gallery, Cologne

 
Sehr abstrakt und streng wiederum die Arbeiten von Stefan Heyne, die in der Galerie Kaune, Sudendorf ausgestellt werden. „For Me/For You“ heißt die Schau, die rätselhaft-abstrakte Bilder zeigt. „Bei Stefan Heyne kommt es mir vor, als werde das Auge dazu genötigt, sich selbst beim Sehen zuzusehen“, hat Christoph Tannert einmal geschrieben. Heynes hauptsächliches Stilmittel ist die Unschärfe, unter seiner Ägide verlieren sich Räume und Gegenstände ins Malerische, Unheimliche.
 

Foto Eugen Batz: Göreme, Türkei, 1976

Eugen Batz: Göreme, Türkei, 1976. © VG Bild-Kunst 2010

 
Und noch zwei weitere Ausstellungen möchten wir empfehlen: Bei Jens Scholz Kunstauktionen sind unter dem Titel „Ein Maler fotografiert“ Arbeiten des 1986 verstorbenen Paul-Klee-Schülers Eugen Batz zu bewundern, der während seines Studiums am Bauhaus Dessau Foto-Kurse bei Walter Peterhans besuchte. Die Ausstellung stellt vor allem Arbeiten aus den siebziger Jahren vor, die in den Mittelmeerländern entstanden. Die Silbergelatine-Abzüge aus der Sammlung der Düsseldorfer Sparda-Bank bezeugen das große Interesse des Malers an Strukturen und Texturen der Natur – auch an der Abstraktionskraft des Lichts. Am 24. September hält Uwe Kammann einen Vortrag über Eugen Batz.
 

Foto Ciro Pascale, aus der Serie „II Porto Vecchio di Trieste“

Ciro Pascale, aus der Serie „II Porto Vecchio di Trieste“. © Ciro Pascale

 
„Ciro Pascale – II Porto Vecchio di Trieste“ ist ein weiterer Glanzpunkt der diesjährigen Kölner Photoszene: Die Schau in der Freiraum Galerie präsentiert Bilder des alten Hafens von Triest – ehemaliger Stolz des Habsburgischen Kaiserreichs. Noch heute zeugen viele Gebäude vom ehemaligen Prunk des Porto Vecchio. Wir sehen wunderbar stille Bilder, die vom Vergehen der Zeit erzählen. Noch eine Ausstellung in Köln, die man gesehen haben sollte.

(Marc Peschke)
 
 
Internationale Photoszene Köln 2010:
Bis 26. September, Kernwochenende vom 24. September bis 26. September. Neben dem Webportal www.photoszene.de dient der gedruckte, kostenlose Katalog als Führer und eignet sich bestens für den schnellen Überblick über die Ausstellungen an über 70 Orten.