Grafik Heiner MuskulusDer zweite und abschließende Teil unserer Suche nach den guten und den schlechten Pixeln:

In Heinzelmann-Effekt I habe ich aufgezeigt, dass für die Wirkung eines Farbbildes der Unbuntanteil von entscheidender Bedeutung ist. Wird dieser Anteil reduziert und die Farbsättigung erhöht, reduziert sich auch die Durchzeichnung. In Testreihen wiederum konnte ich feststellen, dass alle von mir untersuchten Kameras einen „Heinzelmann-Effekt“ zeigen – d. h. in den Mikrostrukturen überstrahlen Farbinformationen in den Unbuntanteil, was zu einer Verringerung des Unbuntanteils und damit der Durchzeichung führt. Es liegt nahe, die Ursache für diese isoluminanten Farbverschiebungen in der spezifischen Struktur der Bayer-Sensoren zu suchen. Je uneindeutiger die Farbinformation, desto komplexer die Interpretation des Inputs. Auf Wikipedia wird dieser Sachverhalt umfassend beschrieben: Bayer-Sensor. Um einen Eindruck darüber zu gewinnen, habe ich versucht, zu visualisieren, wie fragil das Konzept der Bayer-Sensoren auf Störungen reagiert. Mit Störungen umschreibe ich die Tatsache, dass es zu einer perfekten Aufnahmesituation wohl nur in den seltensten Fällen kommt. Verwackeln, unpräziser Fokus, Belichtungsfehler gehören zum Fotografieralltag. Auch wenn die modernen Kameras mit vielen sensorischen Helferlein ausgestattet sind, bleibt eine Grauzone des Unvermögens bestehen.

Und genau in dieser Grauzone entstehen auf Sensorebene jene Artefakte, welche für den „Heinzelmanneffekt“ typisch sind. Die folgende Abbildung zeigt schematisch, wie folgenreich sich die einzelnen Störungen auf das Erscheinungsbild 
eines Objektes auswirken:
 

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Die obere Reihe kennzeichnet einen dezenten Verwackler, die zweite Reihe steht für Fehlfokus, die dritte Reihe soll einen Belichtungsfehler simulieren. In der unteren Reihe treffen alle aktiven Fehlerquellen aufeinander.

 
Bedenkt man, dass noch die Einflüsse passiver Fehlerquellen, wie z. B. das Sensorrauschen, Moiré, oder mangelhafte optische Voraussetzungen, hinzukommen können, wird verständlich, dass eine „korrekte Auswertung“ nahezu unmöglich erscheint. Das Ergebnis ist somit immer nur eine Annäherung an die Wirklichkeit – und war es auch unter analogen Produktionsbedingungen. Nur dass diese Annäherung auf eine völlig andere Art und Weise stattfand und damit zu einer anderen Anmutung führte.

Deshalb gab und gibt es – hier wie da – Grauzonen mit ganz spezifischen Auswirkungen, wie z. B. dem Heinzelmann-Effekt, der sich vorwiegend in den realen Grauzonen eines Bildes lokalisieren läßt. Oft sieht man einer Fotografie die latente Präsenz des Grau nicht an, besonders, wenn es sich um ein offensichtlich farbstarkes Motiv, wie z. B. herbstliches Weinlaub, handelt:
 

Foto Heiner Muskulus
 
 
Foto Heiner Muskulus

Hier dasselbe Motiv mit der Grauzone.
 
 
Foto Heiner Muskulus

Eine interessante Variante ist die Darstellung mit Hilfe einer Farbtabelle indizierter Farben ausschließlich mit Rot-Grün-Blau- und Grauwert-Anteilen. Hier ein Ausschnitt aus obigem Weinlaub-Motiv.

 
Es ist schon erstaunlich, wie unter diesen speziellen Bedingungen die Entscheidung zu Gunsten der Neutralfarbwerte gefällt wird. Als Folge davon kann ein totaler Zeichnungsverlust in den betroffenen Regionen stattfinden. Die Suche nach den schlechten Pixeln ist zwar nicht so einfach, aber letztendlich auf ernüchternde Weise erfolgreich, spätestens dann, wenn ein glattgebügelter Pixelhaufen auf dem Bildschirm flimmert!

An dieser Stelle drängt sich geradezu die Frage auf, welche Alternativen zur Verfügung stehen. Deshalb lag es nahe, Testaufnahmen mit dem Foveon-Sensor durchzuführen – was auch geschehen ist. Auch die Testaufnahmen mit der Sigma DP-1 Merrill zeigten isoluminante Farbverschiebungen; die neue Sensorgeneration der Sigma dp Quattro ist noch nicht verfügbar. Letztendlich waren also auch auf diesem Weg die besseren Pixel nicht zu realisieren.

Damit nun zum guten Schluß auch die guten Pixel gezeigt werden können, war es nötig, alte Dateien aufzustöbern, welche die geeigneten Voraussetzungen erfüllten. Dies hatte ich mir recht einfach vorgestellt, wurde aber leider recht schnell eines Besseren belehrt. Bisher glaubte ich, spontane Zugriffsmöglichkeiten auf analoge Vorlagen, Dateien, Trommelscanner usw. zu haben, doch weit gefehlt. Meine Bezugsquellen sind ein für alle mal versiegt. Dem Fortschritt sei gedankt! Zum Glück konnte ich noch eine verschollen geglaubte Datei analogen Ursprungs herüberretten und bin somit in der Lage, sichtbar zu machen, wie die guten (alten) Pixel ausgesehen haben. Über das analoge Ausgangsmaterial können leider keine Angaben zu Format, Empfindlichkeit und Hersteller gemacht werden. Hingegen ist sichergestellt, dass die Digitalisierung mit einem Highend-Trommelscanner von Linotype-Hell realisiert wurde.
 

Foto Heiner Muskulus

Hier zunächst die Analyse der Grauzone.

 
Uns interessiert nun der Blütenkelch im Ausschnitt:
 

Foto Heiner Muskulus
 
 
Foto Heiner Muskulus

Hier die gebayerte Version in der unbunten Farbdarstellung ohne Neutralanteil.

 
Jetzt die analoge Ausbeute zum Vergleich:
 

Foto Heiner Muskulus

 
Der Zugewinn an Farbtiefe ist offensichtlich. Die Photomultiplier des Trommelscanners erfassen selbst die geringsten Farbinformationen, die zudem keiner Interpolation unterworfen werden müssen.

So weit – so gut. Doch ist zu bedenken, dass es sich hierbei um eine Datei handelt, die vor über 20 Jahren das „Licht der Welt“ erblickte und dass damals gänzlich andere Qualitätsstandards vorlagen, die – verglichen mit den heutigen Produktionsbedingungen – einen extrem hohen materiellen und fachlichen Aufwand bedeuteten.

Deshalb soll hier auch nicht das Hohe Lied auf die guten alten Zeiten gesungen werden – die, glaubt man Karl Valentin, früher auch viel besser waren. Sieht man auf die immense Entwicklung, die die digitale Fotografie in relativ kurzer Zeit genommen hat, ist es durchaus denkbar, dass der Heinzelmann-Effekt bald der Vergangenheit angehören wird. Bis dahin können wir uns darin üben, auf sehr hohem Niveau zu jammern, oder ganz einfach den hohen Kosten-Nutzen-Faktor der digitalen Fotografie zu akzeptieren.

(Heiner Muskulus)
 
 

„Was nützen mir die Farben, wenn ich nicht weiß, was ich malen soll?“
Michel de Montaigne (1533-1592), Essais