Im kommenden Jahr 2009 wird Nikons F-Bajonett 50 Jahre alt und die Zahl alter manueller Objektive ist Legion – doch wie schlagen die sich an einer modernen digitalen Spiegelreflex, an einer D700 zum Beispiel? Um die Antwort gleich zu geben: überraschend gut

Inspiriert wurde dieser Artikel von der März-Ausgabe der französischen „Chasseur d’images“ („Bildjäger“), wo 35 manuelle sowie AF-Nikkore an Nikons D300 und D3 auf ihre Qualität hin untersucht wurden. Dabei kommt die Zeitschrift nicht selten zu guten und sehr guten Urteilen (hier kurze Auszüge):

  • Nikkor AI-S 2,8/28 mm – hohe Bildqualität bei voller Öffnung, Bildecken bei Blende 2,8 und 4 schwächer, aber immer noch befriedigend.
  • Nikkor AI-S 2/35 mm – bei Offenblende besonders in den Ecken etwas weich, bei 5,6 über das gesamte Bildfeld gleichmäßig gut.
  • Nikkor AI-S 1,4/85 mm – exzellent, aber an der D3 bei Offenblende etwas schwächer. Problem ist hier die Scharfstellung bei voller Öffnung. Vom Stativ aus mit Hilfe von Live-View kein Problem, aber in der Praxis wenig realistisch.
  • Nikkor AI-S 2,8/105 mm Micro Nikkor f/2,8 – auch heute noch perfekt.
  • Nikkor AI-S 2/200 mm IF ED – bei voller Öffnung immer noch exzellent.
  • Nikkor AI-S 4/200 mm Micro Nikkor IF – an der D3 bei voller Öffnung immer noch exzellent. Keinerlei Probleme bei der manuellen Fokussierung (siehe 1,4/85 mm Nikkor).

Das klang vielversprechend. Ein privater „Zeitungsseitentest“ sollte zeigen, wie sich meine eigenen MF-Nikkore an der Nikon D700 verhalten. Statt eine Zeitungsseite mit unterschiedlichen Blenden abzufotografieren, musste in diesem Fall ein Bücherregal herhalten. Man mag den amateurhaften Test fernab von grafisch dargestellten Kontrastübertragungsfunktionen belächeln oder verdammen, gewisse Hinweise auf die Verwendungsmöglichkeit der bis zu 38 Jahre alten Objektive auf einer brandaktuellen Vollformat-Nikon erlaubt er dennoch.

Tatsächlich ist das eine gute Möglichkeit, um in ca. 15 min herauszufinden, ob das jeweilige Objektiv den eigenen Ansprüchen genügt, wo seine Stärken und Schwächen liegen, und bei welcher Blende es seine beste Leistung bringt. Denn MTF-Kurven sind geduldig – und nicht selten auch rein theoretisch errechnet (da wird kein reales Objektiv richtig ausgemessen, sondern anhand der Konstruktionsdaten wird die zu erwartende MTF gezeichnet).

So ein Test ist mit jeder Kamera und jedem Objektiv möglich (die zueinander passen). Am besten beginnt man mit einem anerkannt guten Objektiv, das dann als Referenz dienen kann. Die mit verschiedenen Blendwerte entstandenen Aufnahmen werden dann (am Monitor) verglichen – achten Sie v.a. auf die Bildränder und -ecken – da sinkt die Leistung am schnellsten und deutlichsten. Im Zweifel ziehen Sie die Ergebnisse des Referenzobjektivs zum Vergleich heran und sehen gleich, wo das Objektiv seine Stärken und Schwächen hat.

Ich ging für meinen Test so vor: Kamera aufs Stativ, fokussiert wurde im Lifeview-Modus plus Zoomfunktion. Die Objektivwahl fiel auf Spezialisten höchster Lichtstärke, die es nach Produktionseinstellung des 1,4/28 AF-D derzeit im Nikon System – noch – nicht gibt. Auch wenn universelle Zooms, wie beispielsweise das 2,8/24-70 mm, die vorgestellten Festbrennweiten perfekt abdecken, mit den Blenden 1,2 – 1,4 – 2 komme ich bei Available-Light weiter, kann mitunter das Foto nur so machen. Hier die Teilnehmer:

2/24 mm AI, Serien-Nr. 189347, 1. Version, Baujahr ab 1977
1,4/35 mm AI (umgebaut), Serien-Nr. 371683, 1. Version, Baujahr ab 1970
2/35 mm AF (ohne D), Serien-Nr. 202278, 1. Version, Baujahr ab 1989
1,2/55 mm AI (umgebaut), Serien-Nr. 418590, 4. Version, Baujahr ab 1976
 

Foto Ralf Jannke

Von links: Nikkor 2/24 mm, 1,4/35 mm und 1,2/55 mm. Beim 24er nicht zu übersehen: ein übler Stoß-/Fallschaden.

 
Fotografiert wurde bei ISO 400 (um genügend kurze Verschlusszeiten zu erhalten, um jedes Verwackeln auszuschließen) vom Stativ und mit 10 s Selbsterlöservorlaufzeit, jeweils bei Offenblende und in ganzen Stufen abgeblendet bis 5,6. Ausnahme: das 1,2/55 mm – hier wurde neben 1,2 auch Blende 1,4 benutzt. Gespeichert wurde im JPEG-Fine-Modus, Priorität „Optimale Bildqualität“, was zu 5,5 bis 6,5 MB großen Dateien führt. In der Bildoptimierung blieb alles auf „Default“, Scharfzeichnung Stufe 3 (von 9) und Farbsättigung sowie Kontrast auf +/- 0. Die zusätzlich gespeicherten Rohdaten mit 14 Bit Farbtiefe wurden nicht beachtet.

Überraschung nebenbei: Im Gegensatz zur Nikon D300, bei der die Bildfrequenz bei 14 Bit auf 2,5 B/s sinkt, bleibt es bei der D700 mit angesetztem Batterieteil bei 8 B/s!

Ergebnis: Für mein Gefühl schneidet das 2/24 mm Nikkor mit seiner CRC-Korrektur am besten ab. Was möglicherweise an der aktuellsten Objektivrechnung liegt. Bei Blende 2 ist es etwas weich, aber brauchbar. Durch entsprechende Nachbearbeitung lässt sich da sicher mehr rausholen. „Verlierer“, sofern man davon überhaupt sprechen kann, ist bei offener Blende das 38 Jahre alte Nikkor 1,4/35 mm. Trotz des zu beobachtenden Farbsaums (chromatische Aberration?) hätte ich keine Hemmungen, die offene Blende zu nutzen, wenn nur so die gerade noch unverwackelte Aufnahme möglich ist.

Interessant wäre natürlich auch, wie eins der letzten 1,4/35 mm AIS Nikkore im direkten Vergleich abschneidet, das aber stand mir nicht zur Verfügung. Stattdessen wurde ein moderneres 2/35 mm AF Nikkor dagegen gestellt: Das 2/35 AF und das manuelle 1,4/35 nehmen sich nichts, beide sind einfach gut:
 

Foto Ralf Jannke

Das 2/35 AF und das manuelle 1,4/35 im Vergleich (bei Blende 2; Bildausschnitt, rechts oben)

 
Wenn der Bildwinkel passt, würde ich bei ganz wenig Licht wahrscheinlich dem Nikkor 1,2/55 mm den Vorzug geben. Die Steigerung der Abbildungsleistung bei Abblenden von 1,2 auf 1,4 kann man sicher vernachlässigen. Bei Blende 2 wird es deutlich besser. Doch urteilen Sie bitte selbst:
 

Foto Ralf Jannke

Das Testmotiv, fotografiert mit den drei Test-Brennweiten
 
 
Foto Ralf Jannke

Ausschnitt: Nikkor 2/24 mm bei Blende 2 (links) und 5,6
 
 
Foto Ralf Jannke

Ausschnitt: Nikkor 1,4/35 mm AI bei Blende 1,4 (links) und 5,6
 
 
Foto Ralf Jannke

Ausschnitt: Nikkor 1,2/55 mm AI bei Blende 1,2 (links) und 5,6

 
(Die Test-Beispiele sind als Anschauungsmaterial gedacht, um das Gesagte zu illustrieren. Sie sind allerdings verkleinert und web-optimiert gespeichert – man sollte also nicht zuviel hineingeheimnissen, sondern sie als Anregung für den eigenen Praxis-Qualitätstest verstehen.)

Auch wenn dieser „Test“ jeder wissenschaftlichen Grundlage entbehrt, halte ich die Aussage, dass viele für analog gerechnete Objektive fürs digitale 24×36 mm Vollformat ungeeignet wären, nach der Beurteilung der Ergebnisse auf dem Monitor zumindest für diskussionswürdig. Für mich erfahren spezielle manuelle Nikkore auf der Vollformat-DSLR jedenfalls ein neues Leben.

Hier weiterer, hochinteressanter Lesestoff für die Tauglichkeit verschiedener Nikkore an der D3: Quel objectif pour les Nikon 24×36 à capteur 12 Mpix? (offensichtlich auf Französisch, aber die Tabelle in Seitenmitte ist selbsterklärend – fünf Pluszeichen sind das Optimum = exzellent, vier sind immer noch sehr gut).

(Ralf Jannke / thoMas)