Foto Heinrich Riebesehl (1938-2010): „394/76“, 197Im Alter von 72 Jahren ist der norddeutsche Fotograf Heinrich Riebesehl verstorben. Ein nüchterner Melancholiker, ein bedeutender Dokumentarist des Alltags:

 
 
 

Berühmt wurde sein 1964 entstandenes Bild des blutenden Joseph Beuys, doch die wohl bekannteste Fotografie Heinrich Riebesehls ist keineswegs typisch für seinen fotografischen Stil. Riebesehl hat sich als einer der ersten mit dem Thema der Kulturlandschaft beschäftigt. Das war sein Terrain – das Feld, das er mit tiefem Ernst beackerte. Und Felder fotografierte der an der Essener Folkwangschule bei Otto Steinert ausgebildete Emsländer – in einmalig nüchterner Weise.
 

Foto Heinrich Riebesehl (1938-2010): „3/1/69, 20.11.1969“

Heinrich Riebesehl (1938-2010): „3/1/69, 20.11.1969“, aus der Serie „Menschen im Fahrstuhl“, 20.11.1969; gelatin silver print
© Estate of the Artist/Courtesy Kicken Berlin

 
Riebesehl war gleich ein doppelter Pionier: Eine der ersten Fotogalerien Europas hat er 1972 in Hannover mitgegründet. Die „Spectrum Photogalerie“, lange Jahre vor dem Boom der Kunstfotografie in Museen und auf dem Kunstmarkt. Doch vor allem werden seine Bilder in Erinnerung bleiben: Bilder aus dem Norden Deutschlands, Bilder norddeutscher Landschaften, die Nüchternheit und Detailgenauigkeit mit einer faszinierenden Poetik und Melancholie verbinden.
 

Foto Heinrich Riebesehl (1938-2010): „394/76“, 197

Heinrich Riebesehl (1938-2010): „394/76“, 1976, aus der Serie „Situationen und Objekte“, 1973-1977; gelatin silver print
© Estate of the Artist/Courtesy Kicken Berlin

 
Riebesehl ist – neben Bernd und Hilla Becher – der große Dokumentarist der deutschen Fotografie der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Er brauchte nicht viel für seine Bilder, zeigt den Alltag in seiner bildwürdigen Banalität: Felder und Äcker vorne, Wolken am Himmel, mal eine Landmaschine, ein Getreidesilo, eine enge Straße in der Provinz. Fotografie, gemacht aus unendlich vielen Grautönen.
 

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Heinrich Riebesehl (1938-2010): „Klein Waabs (Schleswig-Flensburg)“, Juli 1978, aus der Serie „Agrarlandschaften“, 1976-1979; gelatin silver print
© Estate of the Artist/Courtesy Kicken Berlin

 
 
Foto Heinrich Riebesehl (1938-2010): „Ronnenberg (Hannover)“, November 1978

Heinrich Riebesehl (1938-2010): „Ronnenberg (Hannover)“, November 1978, aus der Serie „Agrarlandschaften“, 1976-1979; gelatin silver print
© Estate of the Artist/Courtesy Kicken Berlin

 
 
Foto Heinrich Riebesehl (1938-2010): „Schillerslage (Hannover)“, Oktober 1978

Heinrich Riebesehl (1938-2010): „Schillerslage (Hannover)“, Oktober 1978, aus der Serie „Agrarlandschaften“, 1976-1979; gelatin silver print
© Estate of the Artist/Courtesy Kicken Berlin

 
Sein Buch „Agrarlandschaften“, erschienen 1979, machte ihn bekannt: Landschaftsfotografien, die sich zwingend im Gedächtnis festsetzen. Von 1984 bis 1997 lehrte Riebesehl an der Fachhochschule Hannover, parallel entstanden seine Serien „Industrielandschaften“, „Gewerbebauten“, „Hafenanlagen“, „Bahnlandschaften“ und „Dorfansichten“. Für sein Werk wurde er unter anderem mit dem Kodak-Fotobuchpreis, dem Bernhard-Sprengel-Preis für Bildende Kunst und dem Niedersächsischen Kunstpreis geehrt.

Am 31. Oktober 2010 ist der Fotograf im Alter von 72 Jahren verstorben. Seine „lakonischen Fotografien einer lakonischen Gegend“ (Peter Sager) werden in Erinnerung bleiben.

(Marc Peschke)
 
 
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