Was zwar nahezu jeder weiß – je kleiner der Sensor, desto größer die Schärfentiefe -, aber kaum einer genauer fassen kann, erklärt Peter Karbe, Leiter der Sparte „Optik-Entwicklung“ bei Leica, auf anschauliche Weise und mit Hilfe der „äquivalenten Blende“:

Schärfentiefe, das Wort sagt es, beschreibt den Bereich eines Fotos, der noch scharf erscheint. Ein Kollege schätzt, dass sich mindestens 70 % aller Fotografierenden Fotos wünschen, die von vorne bis hinten scharf sind – das sind dann heiße Kandidaten für digitale Kompaktkameras mit möglichst kleinem Bildsensor, wie gleich noch zu zeigen sein wird. Fotografen allerdings, die Wert legen auf die Bildgestaltung, auf die Dreidimensionalität eines Fotos, und damit auch auf die Scharf-Unscharf-Bereiche, wollen wir hier Informationen zum möglichen Spiel mit der Schärfentiefe weiterreichen.

Mit freundlicher Erlaubnis von Peter Karbe dürfen wir hier Kernpunkte seines Vortrags, gehalten am 1.12.09 anlässlich des „Imaging Summit“ in Nürnberg, wiedergeben, in dem er die Schärfentiefe-Abhängigkeiten unterschiedlicher Aufnahmeformate sehr anschaulich beschreibt und deutlich macht, dass das Aufnahmeformat (die Sensorgröße) ganz direkt auch die Möglichkeiten der Bildkomposition, namentlich durch die große oder geringe Schärfentiefe, beeinflusst.
 

Grafik: Peter Karbe, Leica

 
Grundlage zur Berechnung der Schärfentiefe bzw. der zulässigen Zerstreuungskreise ist eine Faustregel. Das Auflösungsvermögen des menschlichen Auges liegt im Idealfall bei ca. 1 Winkelminute – wir können also im besten Sicht-Fall Punkte dann unterscheiden, wenn sie mindestens 2 Winkelminuten auseinanderliegen. Daraus wurde die Faustregel gebildet, dass uns bei normalem Betrachtungsabstand scharf erscheint, was einen Zerstreuungskreisdurchmesser von 1/1500 der Bilddiagonalen nicht überschreitet (ausgehend von einem Sichtwinkel von ca. 50 Grad = 3000 Winkelminuten ergibt sich: 3000 Winkelminuten / 2 Winkelminuten = 1500). Darauf fußend gilt dann auch, dass uns auch im vergrößerten Foto bei normalem Betrachtungsabstand (= Bilddiagonale) all das scharf erscheint, was diesen Zerstreuungskreisdurchmesser nicht überschreitet.
 
Das ist, es klang an, eine Faustregel. Wird beispielsweise ein Plakat 3×4 m (Bilddiagonale = 5 m) in 20 Meter Höhe an einem Hochaus platziert, dann könnten die zulässigen Zerstreuungskreise auch deutlich großzügiger gewählt werden bzw. auf dem Plakat erscheint uns deutlich mehr scharf, als es die Faustregel erwarten lässt. Umgekehrt wird dasselbe Plakat an der Bushaltestelle mehr Unschärfe zeigen, als nach der Faustregel zu erwarten, wenn wir uns dem Plakat mehr als 5 Meter nähern. Bis hin zu dem Punkt, den wir alle kennen: Die einzelnen Druckraster-Punkte werden sichtbar.

Dies einleitend zum Verständnis der „scheinbaren Schärfentiefe“ bzw. zu den Vorraussetzungen, unter denen Schärfentiefe überhaupt nur existiert.
 

Grafik: Peter Karbe, Leica

Unterschiedliche Aufnahmeformate bedingen unterschiedliche Brennweiten für denselben Bildwinkel (damit dasselbe abgebildet wird). Um Vergleichsmöglichkeiten zu schaffen, wird der Formatfaktor (auch: Brennweitenfaktor; Crop-Faktor) ermittelt: Beispielsweise zeigt die 50-mm-Brennweite im Kleinbildformat dasselbe wie 25 mm bei FourThirds (50:2=25)

 
Zum Zwecke der besseren Vergleichbarkeit unterschiedlicher Kamerasysteme ist es üblich, die „äquivalente Brennweite“ als Hilfsmittel heranzuziehen, will heißen, die entsprechende Kleinbildbrennweite anzugeben. Einfacher wäre natürlich, den Bildwinkel zu nennen – schon wären Objektive über alle Aufnahmeformate hinweg vergleichbar. Aber, weil zu Beginn der digitalen Ära Kleinbildbrennweiten den meisten am meisten sagten, wurden sie als Vergleichsmaßstab herangezogen. Das liest sich dann z.B. bei einer Digitalkompakten mit Zoomobjektiv 6,7-20 mm so: „38-114 mm (entspr. Kleinbild)“. Und dabei ist es bis heute geblieben.

Die tatsächliche Objektivbrennweite unterscheidet sich aber zwischen den unterschiedlichen Kamerasystemen bzw. Sensorformaten – und damit auch die Schärfentiefe. Legt man unterschiedlichen Aufnahmeformaten dieselben Parameter zugrunde, so ergibt sich folgendes Bild:
 

Grafik: Peter Karbe, Leica

Bei selber Blende wächst die Schärfentiefe (depth of focus) ganz signifikant mit dem Schrumpfen des Bildsensors. Sind es hier im Beispiel bei Kleinbild 60 mm Schärfentiefe bei Blende 2,8, so zeigt der 2/3-Zoll-Sensor (Digilux 2) bei derselben Blende bereits 330 mm scharf.

 
Peter Karbe führt deshalb die „äquivalente Blende“ in die Diskussion ein, um die Schärfentiefebereiche von Objektiven für unterschiedliche Sensorgrößen zu berücksichtigen bzw. Vergleichswerte zu schaffen:
 

Grafik: Peter Karbe, Leica

 
Die äquivalente Blende ist jene, bei der unterschiedliche Aufnahmesysteme dieselbe Schärfentiefe zeigen. So ist obiger Tabelle beispielsweise Folgendes zu entnehmen: Um dieselbe Schärfentiefe zu erzielen, die ein 1/1,65-Zoll-Sensor (D-Lux 2) bei Blende 2,8 zeigt, muss die Kleinbildkamera auf 16 abgeblendet werden, wobei umgekehrt auch gilt, dass die geringe Schärfentiefe von Kleinbild bei Blende 2,8 vielen kleineren Formaten mangels ausreichend lichtstarker Objektive verschlossen bleibt. Etwa: Um die (geringe) Schärfentiefe von Kleinbild bei 2,0 zu erzielen, bräuchte es bei FourThirds bereits eine Offenblende von 1,0, kleinere Sensoren verlangten sogar nach Objektiven mit Offenblende 0,4 – die es aber nicht gibt.

Wie hier gleichfalls zu erkennen, verhalten sich Brennweiten- bzw. Formatfaktor („Crop-Faktor“) und äquivalente Blende (und näherungsweise auch die Schärfentiefe) proportional zueinander: Ein Formatfaktor von 2 bedeutet, dass für dieselbe Schärfentiefe die einzustellende Blendenzahl halbiert werden muss: Im Vergleich zu Kleinbild ist bei FourThirds deshalb Blende 1 statt Blende 2 einzustellen, um dieselbe (geringe) Schärfentiefe zu erzielen – um andererseits dieselbe (große) Schärfentiefe zu zeigen, wie FourThirds bei Blende 8, muss im Kleinbild auf 16 abgeblendet werden. Und so weiter.

Und so stellt sich das Ganze dann im Resultat dar:
 

Grafik: Peter Karbe, Leica

 
Die „Äquivalenz“ (Gleichwertigkeit) unterschiedlicher Aufnahmeformate, das heißt zum Beispiel: Das 1,4/50 mm verhält sich an der M8 schärfentiefe- und bildwinkelmäßig wie ein 1,9/67 mm an der Kleinbildkamera. Und der 2/3-Zoll-Sensor zeigt bereits bei Offenblende 2,8 dieselbe Schärfentiefe wie Kleinbild bei Blende 11. Mit dem Formatfaktor kann also auch näherungsweise – aber für die Praxis ausreichend genau – sehr einfach die jeweilige äquivalente Blende bestimmt werden. Und die wiederum gibt Aufschluss über die erzielte Schärfentiefe.

Oder, um abschließend Peter Karbe zu zitieren: „Bildkomposition ist eine Frage der Sensorgröße!“ Er empfiehlt auch, die Blendenwahl nicht vorrangig als Mittel zur Belichtungssteuerung zu begreifen und einzusetzen, sondern vor allem als Mittel zur Bildgestaltung.
 
 
Eine kleine Nachlässigkeit aus der Einleitung, die der „Griffigkeit“ des Ausdrucks geschuldet ist, sei abschließend noch berichtigt: „… je kleiner der Sensor, desto größer die Schärfentiefe …“ ist insofern ungenau formuliert, als sich die Schärfentiefe nicht über die Sensorgröße definiert, sondern von Brennweite, Aufnahmeentfernung und zulässigem Zerstreuungskreis abhängt. Da nun aber mit kleineren Sensoren auch kürzere Brennweiten einhergehen, erschien die Verkürzung statthaft.

Zum Selber-Nachrechnen bzw. Rechnen-Lassen und zur Vertiefung des Themas (auf Beugung, förderliche und optimale Blende etwa, die Auskunft u.a. über den empfehlenswerten, einzustellenden, Blendenbereich oder eben auch die optimale Blendeneinstellung geben, wurde hier noch noch gar nicht eingegangen):

Schärfentiefe-, Abbildungsmaßstab- und Nahlinsenrechner
DFcalc (Schärfentiefe-Rechner fürs iPhone)

(thoMas)