Anfang dieser Woche kündigte Adobe die Fotosoftware Photoshop Lightroom in der Version 5 an. Der Hersteller verspricht für Lightroom 5 etliche Neuerungen, darunter ein erweiterter Reparaturpinsel, ein Radial-Filter, ein Aufrichten-Werkzeug und Smart-Vorschauen. photoscala hat die Betaversion von Lightroom 5 angetestet:

Adobe hat es offenbar eilig: Während der Bildbearbeitungsspezialist aus Kalifornien einer Photoshop-Lightroom-Version üblicherweise zwei Jahre Zeit gewährt, ist für Lightroom 4 schon nach rund 15 Monaten Schluss: Lightroom 5 steht vor der Tür, vorerst allerdings nur als Betaversion, zu kaufen gibt es das neue Foto-Workflow-Programm noch nicht. Aber jeder kann es ausprobieren, die bereits weitgehend eingedeutschte Betaversion steht unter labs.adobe.com zum kostenlosen Download bereit, sie läuft bis zum 30. Juni 2013.

Noch kann die fünfte Ausgabe von Lightroom keine Kataloge aus Vorgängerversionen importieren (diese Funktion wird natürlich in der Finalversion vorhanden sein), ansonsten funktioniert alles bereits prächtig. Auf den ersten Blick hat sich wenig geändert: Die Anzahl der Module ist gleich geblieben und auch bei der Prozessversion, dem Herzstück der RAW-Interpolation, hat Adobe alles beim Alten belassen. Erst wenn man etwas tiefer in die Software eintaucht, findet man interessante Neuerungen. Davon profitiert vor allem das „Entwickeln“-Modul, aber auch das „Diashow“-Modul hat Adobe grundlegend überarbeitet.
 

Photoshop Lightroom 5

Photoshop Lightroom 5

Der neue Reparaturpinsel überdeckt Problemzonen automatisch mit einem passenden Flicken.
Falls einmal nicht, lässt sich die Reparatur manuell nachjustieren.

 
Neu im „Entwickeln“-Modul ist der Bereichsreparaturpinsel, mit dem sich unerwünschte Motivpartien blitzschnell wegretuschieren lassen. Dazu übertüncht man zunächst die Störstelle. Wird dann die Maustaste losgelassen, sucht sich Lightroom 5 eine Bildpartie, die sich als Flicken eignet, und legt sie über die Störung.

Das Clevere dabei: Ist man mit der Automatik nicht einverstanden, kann man jederzeit eine andere Bildpartie angeben, die Lightroom über die Störung legen soll. Auch der Umfang der retuschierten Partie lässt sich jederzeit ändern – und was noch wichtiger ist: Die Retusche lässt sich stets zurücknehmen. Denn wie alle Operationen in Lightroom arbeitet auch der neue Bereichsreparaturpinsel völlig nicht-destruktiv, die originale Bilddatei bleibt immer erhalten. So kann für kleinere Retuschearbeiten Photoshop jetzt geschlossen bleiben. Schwierige Fälle behandelt Photoshop jedoch dank inhaltsbasierter Füllfunktionen überzeugender als die einfache Klon-Technik von Lightroom 5.

Dennoch: Adobe hat das Anwendungsspektrum für den Reparaturpinsel deutlich erweitert, ursprünglich war er ja lediglich dazu gedacht, Sensordreck wegzustempeln. Diese Aufgabe geht in Lightroom 5 übrigens nun ebenfalls wesentlich leichter von der Hand: Mit einem Klick lässt sich die Vorschau in eine Art Maskierungsmodus schalten – dann zeigt sie Schwarz auf Weiß, wo sich Helligkeitsstörungen (also Sensorflecken) ins Bild gemogelt haben.
 

Photoshop Lightroom 5

Der Radial-Filter macht’s einfach, Bereiche außerhalb des Hauptmotivs abzudimmen.
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Ebenfalls neu ist der Radial-Filter, er ergänzt Korrekturpinsel und Verlaufs-Filter. Während man mit diesen altbekannten Werkzeugen lokale Korrekturen ins Bild malt oder als Verlauf darüberlegt, funktioniert der Radial-Filter standardmäßig genau andersherum: Mit ihm wird ein ovaler Bereich vorgegeben, der nicht korrigiert werden soll. Das eignet sich zum Beispiel prima, um alles außerhalb des Hauptmotivs abzudunkeln, softer zu machen oder einzufärben. So lassen sich nun mühelos frei gestaltete Vignetten übers Bild legen. Auf Wunsch arbeitet der Radial-Filter aber auch herkömmlich und kennzeichnet die Bereiche, die bearbeitet werden sollen. So hellt man zum Beispiel ein dunkles Portrait deutlich fixer auf, als mit dem herkömmlichen Korrekturpinsel.
 

Photoshop Lightroom 5

Verzerrungen korrigiert Lightroom 5 auf Wunsch vollautomatisch –
und zwar mit visuell durchaus ansprechenden Ergebnissen.

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Ebenfalls neu im „Entwickeln“-Modul ist eine Automatik, die stürzende Linien beseitigt und einen schiefen Horizont in die Waage rückt. Diese Aufrichten-Funktion erledigt alle Korrekturen auf Knopfdruck und ist dabei so pfiffig, stürzende Linien nicht völlig zu beheben. Meist wirkt das visuell ansprechender, als völlig parallele Linien, wenn die Kamera sichtbar nach oben gerichtet war. Doch auf Wunsch korrigiert Lightroom 5 nicht-parallele Linien auch komplett aus, was zum Beispiel bei Reproaufnahmen eine willkommene Hilfe ist. Dabei hat man die Wahl, ob dadurch entstehende transparente Bildbereiche erhalten bleiben, oder ob Lightroom das korrigierte Bild automatisch zuschneiden soll. Alles in Allem macht Aufrichten einen guten Job, die Automatik erkennt nicht nur eine verkippte, sondern auch eine verschwenkte Kamera zuverlässig.
 

Photoshop Lightroom 5

Anleihe bei Photoshop CS6: Auch Lightroom 5 kann jetzt diverse Hilfslinien
beim Freistellen einblenden – hier die Goldene Spirale.

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Standardmäßig löscht die Aufrichten-Funktion einen zuvor mit dem Freistellen-Werkzeug festgelegten Bildzuschnitt. Das kann man glücklicherweise umgehen, denn das Freistellen-Werkzeug wartet nun mit schon aus Photoshop CS6 bekannten Hilfslinien à la Goldener Schnitt etc. auf. Und mehr noch: Auch diverse Seitenformate wie 2 x 3 oder 4 x 5 lassen sich als Hilfslinien einblenden. Zudem lassen sich die Hilfslinien endlich nach Geschmack konfigurieren, etwa deren Transparenz oder die Größe des Gitterrasters. Layouter werden begrüßen, dass sich in Lightroom 5 Bilder beim Freistellen einblenden lassen – etwa ein Zeitschriftentitel.

Auch wenn die Neuerungen im „Entwickeln“-Modul besonders offensichtlich sind – Adobe hat an weiteren Schrauben gedreht. Wer häufig mit einem Notebook unterwegs ist, kann sich freuen: Lightroom 5 ermöglicht es, Aufnahmen offline zu entwickeln – also Bilder im „Entwickeln“-Modul zu öffnen, deren Daten aktuell nicht verfügbar sind. Dazu ist es allerdings erforderlich, eine sogenannte Smart-Vorschau in den Katalog zu integrieren. Das kann entweder bereits beim Import neuer Fotos erledigt werden oder aber auch noch nachträglich. Sobald Lightroom wieder Zugriff auf die Original-Daten hat, werden diese automatisch mit den Entwicklungseinstellungen aus den Smart-Vorschauen aktualisiert. Eine Smart-Vorschau misst 2540 Pixel an der längeren Seite und wird im „Lossy-DNG-Format“ gespeichert. Im kurzen Test sparte Smart-Vorschau ungefähr 40 Prozent Speicherplatz im Vergleich zu einem Katalog mit 1:1-Vorschauen.
 

Photoshop Lightroom 5

Smart-Vorschauen ermöglichen es, Bilder auch dann im Entwickeln-Modul zu bearbeiten,
wenn die Original-Dateien nicht verfügbar sind.

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Aufgefrischt hat Adobe das „Diashow“-Modul von Lightroom 5. Die meisten Änderungen finden sich unter der Haube, laut Adobe Deutschland eröffnen sie neue Möglichkeiten in zukünftigen Versionen. In Lightroom 5 haben die Entwickler die neuen Freiheiten dazu genutzt, Videos in Diashows aufnehmen zu können. Zudem wird die Vorschau in der fünften Ausgabe von Lightroom spürbar schneller gerendert. Neue Möglichkeiten gibt es auch im „Buch“-Modul: So lassen sich die Seiten eines Foto-Albums nun frei paginieren, ferner können individuell gestaltete Albumseiten als benutzerdefinierte Vorlage gespeichert werden. Ärgerlich ist indes, dass sich die Seitengröße eines Fotoalbums weiterhin nicht frei vorgeben lässt. So können auch bei PDF-Ausgabe nur Seitenformate gewählt werden, die Blurb im Angebot hat; Formate anderer Dienstleister bleiben außen vor.
 

Photoshop Lightroom 5

Eine der Neuerungen in Lightroom 5:
Beim Freistellen lassen sich ausgewählte Film- und Ausgabeformate als Hilfslinien einblenden.

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Daneben gibt es eine Vielzahl weiterer Neuerungen. Unter anderem unterstützt Lightroom 5 PNG-Dateien, bietet neue Kriterien für Filter sowie Smart-Sammlungen und kennt neue Tastenkürzel zur Steuerung einer Kamera beim Tethered-Shooting. Bei der manuellen Korrektur von Verzerrungen und Verzeichnungen lässt sich das Ergebnis nun stauchen oder dehnen, damit es ansprechender wirkt. Zudem hat Adobe die Verortung von Aufnahmen im „Karte“-Modul verbessert sowie die Möglichkeit geschaffen, lokale Korrekturen zu kopieren und an anderer Position im Bild einzufügen.

Unterm Strich ist der Sprung von Version 4 zu Lightroom 5 eher ein kleiner. Die Neuerungen im Entwickeln-Modul kommen vor allem Fotografen zugute, die sich den häufigen Griff zu Photoshop sparen möchten. Wer dann und wann mit seinem Bildbearbeitungsnotebook unterwegs ist, wird zudem die Möglichkeit zur Offline-Bearbeitung schnell schätzen lernen. Weitere Innovationen sind zwar willkommen, aber keineswegs bahnbrechend oder unverzichtbar. Das gilt insbesondere, da Adobe bei der RAW-Interpolation alles beim Alten lässt.

Übrigens: Adobe hat die Systemanforderungen für das Programm angehoben. Während Lightroom 4 ab Mac OS X 10.6.8 läuft, setzt die Version 5 mindestens Mac OS X 10.7 voraus. Windows-Anwender benötigen einen Rechner mit Windows 7 oder Windows 8, Vista reicht für Lightroom 5 nicht mehr.

Was Lightroom 5 kosten soll und wann es erscheinen wird, steht derzeit noch nicht fest. Sicherlich wird es vor dem 30. Juni 2013 verfügbar sein, denn danach lässt sich die Betaversion nicht mehr starten. Spekuliert werden darf zudem darüber, dass mit der neuen Lightroom-Version Photoshop ebenfalls runderneuert wird. Denn bislang hat Adobe Lightroom und Photoshop stets gemeinsam auf den aktuellen Stand gebracht – schließlich möchte man ja auch weiterhin via Lightroom als Smartobjekt in Photoshop geöffnete Bilddateien bearbeiten können. Einen allerersten Appetithappen (Photoshop Sneak Peek: See What’s to Come) hat Adobe bereits auf youtube veröffentlicht. Am 6. Mai 2013 soll es tiefere Einblicke in die Neuerungen von Photoshop geben: Wer sich jetzt anmeldet, kann dann die Adobe MAX online mitverfolgen.

(Martin Vieten)