Logo 175 Jahre FotografieFoto Daguerrotypiekamera, 1839„Diese Entdeckung erscheint wie ein unglaubliches Wunder. Sie spricht allen wissenschaftlichen Theorien über Licht und Optik Hohn“

Vor 175 Jahren, am 6. Januar 1839, berichtete die Pariser Zeitung „Gazette de France“ über „eine wichtige Erfindung, die Daguerre gemacht hat, der berühmte Maler und Besitzer des Diorama. Seine Entdeckung erscheint wie ein unglaubliches Wunder. Sie spricht allen wissenschaftlichen Theorien über Licht und Optik Hohn und verspricht, falls sie sich bewahrheitet, eine wahre Revolution in den malerischen Künsten zu bewirken. Daguerre hat eine Methode entdeckt, mit welcher er die Bilder, die sich in einer Camera obscura zeigen, fixieren kann – so dass also diese Bilder nicht lediglich eine vorübergehende Reflexion der natürlichen Gegenstände sind, sondern eine dauerhafte Wiedergabe derselben, die man ebenso nach Hause tragen kann, wie ein Gemälde oder einen Kupferstich.“

Foto Louis Jacques Mandé Daguerre

Bereits einen Tag später bestätigte der angesehene Astronom François Arago – in einer Rede vor der Akademie den Bericht der Gazette de France. „Herr Daguerre hat“, so Arago, „drei Mitgliedern der Akademie, den Herren Humboldt, Biot und Arago, die Hauptergebnisse seines Verfahrens vorgelegt: Eine Ansicht der großen Galerie, die den Louvre mit den Tuilerien verbindet, eine Ansicht der Innenstadt mit den Türmen von Notre Dame; Ansichten der Seine mit mehreren ihrer Brücken und Bilder einiger Barrieren in der Hauptstadt. Alle diese Bilder vertrugen die Prüfung mit einer Lupe, ohne an Klarheit einzubüßen, wenigstens gilt dies für die Objekte, die sich während der Aufnahme nicht bewegten.“

Das erste Foto jedoch hat ein anderer gemacht.

Die Väter der Fotografie

Foto Joseph Nicéphore Niépce

Joseph Nicéphore Niépce (1765 – 1833, links im Bild) aus Chalon-sur-Saône, zunächst Offizier, später Erfinder auf verschiedenen Gebieten, war es, der die erste fotografische Aufnahme der Welt machte. Er war durch die von dem Deutschen Alois Senefelder (1771 – 1834) geschaffene Lithografie (1799) zu Versuchen angeregt worden, die Bilder der Camera obscura haltbar zu machen. Die Idee: Wenn man den Stein selbst lichtempfindlich machen und darauf in der Camera obscura das Abbild der Natur fixieren könnte, würde man schließend den Stein ätzen und Abzüge auf Papier herstellen können. Die überaus langen Belichtungszeiten von einem ganzen Tag auf der nur sehr langsam arbeitenden Bitumen-Schicht, (die sich unter Lichteinfluss härtet, während die unbelichteten Teile in Lavendelöl löslich sind), ergaben zwar 1824 ein befriedigendes Bild, doch erwies sich das Bild als zu schwach für das zweite Verfahren, die Ätzung.

Bei Versuchen mit anderen Schichtträgern benutzte Niépce das einfachere Kontaktverfahren mit Stichen, die er mit Öl transparent gemacht hatte. Sie zeigten nach zwei- bis dreistündiger Belichtung in der Sonne ein kräftigeres Bild als die Aufnahme in der Kamera, die selbst nach acht Stunden noch unterbelichtet und für die Ätzung ungeeignet waren. Im Januar 1826 erwarb Niépce bei dem Pariser Optiker Charles Chevalier seine erste berufsmäßige hergestellte Camera obscura. Mit ihr gelang Niépce im Laufe des Sommers 1826 die erste erfolgreiche Aufnahme in der Kamera.

Der Lieferant der Kamera, Charles Chevalier, war es, der Niépce im Jahre 1826 darauf aufmerksam machte, dass der Theatermaler und Besitzer des Diorama, Louis Jacques Mandé Daguerre (rechts oben im Bild, 1787 – 1851) in Paris mit ähnlichen Versuchen beschäftigt sei. Umgekehrt hörte auch Daguerre durch Chevalier von den Versuchen von Niépce und wandte sich bald darauf brieflich an diesen. Als Niépce ein Jahr später durch Paris reiste, lernte er Daguerre persönlich kennen. Es kam zum (brieflichen) Gedankenaustausch und zum Abschluss eines Vertrages über die weitere Zusammenarbeit „der von Niépce gemachten und von Daguerre vervollkommneten Erfindung“.

Dieser Vertrag kam am 14. Dezember 1829 zustande und sollte zehn Jahre gelten. Schon im Jahr 1833 starb Niépce, Daguerre einigte sich mit dem Sohn Isidore Niépce (1805 – 1868), der in die vertraglichen Rechte seines verstorbenen Vaters eintrat. Niépce hatte bereits Versuche mit Silberplatten angestellt, die er Joddämpfen aussetzte, um blanke Stellen abzudecken. Daguerre fand heraus (1831), dass das gebildete Jodsilber lichtempfindlich ist. Durch einen Zufallsfund stieß Daguerre 1835 auf die Entwickelbarkeit des latenten, d.h. durch Belichtung erzeugten unsichtbaren, Bildes auf Jodsilberschichten durch Quecksilberdämpfe. Bei der Nachbehandlung der belichteten Silberjodidplatte mit Quecksilberdampf wurde auf den belichteten Teilen der Platte ein weißliches Amalgam gebildet. Es handelt sich in einem gewissen Sinne um „Entwicklung“. Wenn Licht auf Jodsilber einwirkte, so reduzierte es diese Verbindung zu freiem Silber; an der Oberfläche wurden an jenen Stellen Quecksilberatome aufgenommen. Auf die unbelichteten Bereiche hingegen hatte das Quecksilber keine Wirkung. Wie das – was man die „Quecksilberbehandlung“ getauft hat – zustande kam, wissen wir nicht. Eine Anekdote berichtet, dass Daguerre durch Zufall auf dieses Verfahren gestoßen sei, er habe, so wird erzählt, eine Anzahl exponierter Silberjodidplatten in einem Schrank untergebracht, die verschiedene Chemikalien enthielten. Nach einigen Wochen bemerkte er ein sehr schönes kräftiges Bild auf einer Platte. Er exponierte frische Platten und legte sie in den Schrank. Nach einigen Stunden waren auf ihnen ebenfalls gute Bilder entstanden. Indem er eine Substanz nach der anderen aus dem Schrank entfernte, entdeckte Daguerre schließlich, dass der Stoff der die Bilder hatte herauskommen lassen, Quecksilber gewesen war. Zwei Jahre später schließlich fand Daguerre im Kochsalz ein Fixiermittel, und auf dieses Jahr datiert ist auch seine erste erhalten gebliebene Aufnahme.
 

Daguerrotypie, Sammlung Uwe Scheid

Daguerrotypie
Sammlung Uwe Scheid

 
Am 19. August 1839 wurde die Fotografie offiziell mit allen technischen Details in Paris öffentlich bekanntgemacht. Auf Aragos Empfehlung hin wurde Daguerres Verfahren von der französischen Regierung aufgekauft, als spektakuläres Geschenk der Grande Nation an die ganze Welt. Auf Antrag Aragos und des Physikers und Chemikers Gay-Lussac erhielt Daguerre folglich als Gegenleistung eine lebenslange Rente von 6000 Franc, der Erbe von Nièpce, Isidor Nièpce eine solche von 4000 Franc.

Das Negativ-Positiv-Verfahren

Foto William Henry Fox Talbot

Der englische Privatgelehrte William Henry Fox Talbot (rechts im Bild, 1800 – 1877) war ein Mann umfassender Bildung. Ein guter Botaniker, ein fähiger Mathematiker, er konnte assyrische Keilschriften entziffern und übersetzen und widmete sich hauptsächlich physikalischen Problemen. Fox Talbot machte große Reisen. Im Jahre 1833 war ihm bei einem Versuch, eine Landschaftszeichnung am Comer See mittels Camera obscura zu fertigen, der Gedanke gekommen, das optische Bild chemisch festzuhalten. Bereits im Jahr 1834 begann er mit entsprechenden Versuchen unter Verwendung von Chlorsilberschichten. Die geringe Lichtempfindlichkeit zwang ihn zu außerordentlich langen, praktisch unmöglichen Belichtungszeiten. Das entstehende Bild war negativ, d.h. die in der Natur hellen Bildteile erschienen dunkel, die Fixierung der Bilder gelang Fox Talbot nur mit größten Schwierigkeiten, bis ihn später Herschel auf das Natriumthiosulphat als Lösungsmittel der unverbrauchten Silbersalze hinwies.

Als Fox Talbot im Januar 1839 von den Ergebnissen Daguerres hörte, verwies er sogleich auf sein eigenes, noch unfertiges Verfahren und beanspruchte die Anerkennung der Erstrechte – allerdings ohne Erfolg, da Niépce und Daguerre schon viel früher mit ihren Arbeiten begonnen hatten. Seine Papierbilder konnten sich zunächst auch nicht mit den fein detaillierten Daguerreotypien messen. Aber Fox Talbot wusste, dass sein Verfahren noch zu verbessern war. Dass er als Erfinder des Negativ-Positiv-Verfahrens der eigentliche Vater der modernen Fotografie werden würde, ahnte er jedoch nicht.

Die Fotografie erobert die Welt

Miniaturmaler und Chemiker, Glücksritter und Spekulanten, Künstler, Dilettanten und Gelehrte begeisterten sich gleichermaßen für das neuartige Verfahren, ein präzises Abbild ohne Zuhilfenahme von Zeichnung oder Malerei festzuhalten. Ein Menschheitstraum war Wirklichkeit geworden. Schätzungsweise eine Million – aus heutiger Sicht eine geringe Anzahl – der meist kleinformatigen, ohne Negativ auf versilberten Kupferplatten fixierten Daguerreotypien sind in den ersten zwanzig Jahren der Fotografiegeschichte angefertigt worden, die Mehrzahl Porträts.

Technische Neuerungen, die die sogenannte Zeit der modernen Fotografie um 1880 einläuten, sind Trockenplatten, Amateurkameras mit Rollfilm, Vergrößerungsgeräte und schnelle Verschlüsse. Alle Weiterentwicklungen haben zum Ziel, die Fotografie massentauglich zu machen. Die Amateurfotografie ab Ende des 19. Jahrhunderts ist gekennzeichnet durch die sogenannten Boxkameras. Das Konzept wurde ursprünglich in den USA entwickelt: eine möglichst einfach zu bedienende, preiswert herzustellende Kamera, die mit Rollfilm arbeitete. (Man denke an Kodaks Slogan „You Press the Button, We Do the Rest“ um 1888.)

In den zwanziger und dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts werden mit der Entwicklung der Kleinbildfotografie und der Erfindung des Farbfilms wichtige Meilensteine gesetzt, die die Fotografie in den folgenden Jahrzehnten maßgeblich prägten und voranbrachten.

Die digitale Revolution

Das erste Digitalbild wurde am 8.12.1975 aufgenommen, es hatte 100×100 Pixel und es dauerte 23 Sekunden, das Bild zu speichern.

Der Siegeszug dieser bahnbrechenden Technik hat, wie die meisten technischen Revolutionen, viele Väter. Bereits 1679 wurde das binäre Zahlensystem, die Basis aller digitalen Verfahren, von dem Mathematiker Gottfried Wilhelm Leibniz entwickelt. Mitte des 19. Jahrhunderts hat es der Engländer George Boole durch ein rechnerisches System erweitert, das neben den Grundrechenoperationen die logischen Verknüpfungen „UND“, „ODER“ und „NEGATIV“ verwendete. Anders als das Dezimalsystem kommt das Dualsystem mit deutlich weniger Speicher- bzw. Steuerelementen aus. Beim Dezimalsystem waren für die elektrische oder mechanische Registrierung Schalter mit zehn möglichen Stellungen erforderlich. Binäre Systeme können mit nur zwei Schalterstellungen alle Rechnungen und logischen Verknüpfungen darstellen.

Im Jahr 1936 meldete der französische Mathematiker R. Valtat ein Patent für eine auf dem Binärsystem arbeitende Rechenmaschine an. Zu der Zeit arbeitete auch der deutsche Mathematiker Konrad Zuse an der Entwicklung einer programmgesteuerten Rechenmaschine. Beide gelten als die Vorläufer der heutigen Computertechnik, die selbst komplexeste Rechnungen in Bruchteilen von Sekunden durchführen kann. Eine der wichtigsten Voraussetzungen, Bilder durch Zahlencodes schnell und einfach darstellen zu können.

Die Geburt der digitalen Fotografie wird allgemein an dem Bau der ersten Digitalkamera in den Kodak-Laboren durch Steve Sasson und seinen Mitarbeiter, dem Techniker Jim Schueckler, festgemacht. Die Voraussetzung für den Bau dieser Kamera lieferte aber der erste CCD-Bildsensor (Charge-Coupled-Device), den die Physiker Williard Boyle und George E. Smith in den Bell Labaratories entwickelt hatten. Sie wurden für ihre die Erfindung 2009 mit dem Nobelpreis für Physik geehrt.
 

Foto Steve Sasson (* 1950) mit der ersten Digitalkamera

Steve Sasson (* 1950) mit der ersten Digitalkamera

 
Ursprünglich hatten die Wissenschaftler die Chips 1969 für den Einsatz als Datenspeicher entwickelt und dabei die Lichtempfindlichkeit der Elemente entdeckt. Ein erster CCD-Bildsensor wurde bereits 1970 gebaut und durch ständige Miniaturisierung in den folgenden Jahren zu einem Bauteil weiterentwickelt, das eine ausreichende Auflösung für TV-Kameras bot.

Der Kodak-Mitarbeiter Steve Sasson verwendete für den Bau seines, als erste Digitalkamera der Welt geltendes Versuchsmodells, einen von dem amerikanischen Fairchild-Konzern gefertigten CCD-Chip mit einer Auflösung von 100×100 Pixeln. Damit enstand am 8.12.1975 das erste Digitalfoto.

Digitale Bildverarbeitung

Aber eine ganz andere Entwicklung stellte die Weichen für den technologischen Paradigmenwechsel zur Digitalfotografie: Das rasante Fortschreiten der Digitaltechnik in den Informationstechnologien und in der Telekommunikation. Computer und Office-Programme eroberten die Büro- und andere Arbeitswelten, Personal und Home Computer hielten Einzug in die Privathaushalte.

Professionelle Bildbearbeitungs- und Layoutprogramme revolutionierten die Medienwelt. Die Geschichte der Scanner, mit denen Fotos elektronisch erfasst und zur Weiterverarbeitung in digitale Dateien umgewandelt wurden, geht bis in die 1920-er Jahre zurück. Als Väter dieser bahnbrechenden Entwicklung gelten der Amerikaner Russell Kirsch, der 1957 am National Institut of Standards and Technology (NIST) das Schwarzweißfoto seines Sohnes mit 176 × 176 quadratischen Pixeln erfasste, sowie der deutsche Erfinder Rudolf Hell aus Kiel, der das Telefax und den Hellschreiber sowie weitere Geräte für die elektronische Bild- und Datenerfassung, -bearbeitung und -übertragung erfunden hat.

Bevor es ein massentaugliches Konzept für digitale Kameras gab, waren Scanner zur Erfassung von Bildern und ihre elektronische Übertragung in der Medienbranche und im Bildjournalismus längst etabliert. Auch für die Ausarbeitung der Papierabzüge von Negativen und speziell von Diapositiven, zeigte die digitale Bildbearbeitung sehr schnell ihre Stärken. Der Versand von Bilddaten zunächst über analoge und später über digitale Telefonleitungen war lange übliche Praxis, bevor digital fotografiert wurde.
 

Foto Mavica von Sony, 1981

Mavica von Sony, 1981

 
Sony rüttelte 1981 mit seiner Mavica (Magnetic Video Camera) zum ersten Mal die Welt der filmbasierten Fotografie wach. Diese Still-Video-Kamera zeichnete ein Videostandbild auf 2-Zoll-Disketten auf. Die Wiedergabe der Aufnahmen erfolgte auf dem Fernsehgerät. Es dauerte weitere 15 Jahre, bis Sony 1997 seine erste digitale Mavica auf den Markt brachte. Ein wesentlicher Durchbruch für die digitalen Bildtechniken waren Computer auf Basis von Betriebssystemen mit grafischer Oberfläche Mitte der 1980er Jahre. Xerox und Apple waren hier die Schrittmacher – zunächst beide auf dem professionellen und Apple schließlich auch für Anwendungen im Home-Office. PC-Hersteller wie Atari oder Commodore erreichten nicht zuletzt auch wegen der immer beliebter werdenden Computerspiele traumhafte Verkaufszahlen.

Schnell setze sich die digitale Bildbearbeitung am Computer durch. Das Desktop-Publishing-Programm „Page Maker“ und die Bildbearbeitungssoftware „Photo Styler“ aus dem Softwarehaus Aldus, das später in Adobe aufging und mit Indesign bzw. Photoshop seine Fortsetzung fand, eroberte die Druckvorstufe. Photo Impact, Picture Publisher Paint Shop Pro oder Corel und Quark Express veränderten die Welt der Druckvorstufe.

Digitale Kameras

Erst in den 1990er Jahren begann der Durchbruch der Digitalkameras. Zehn Jahre nach Vorstellung der Sony Mavica brachte Kodak die DCS, eine professionelle Digitalkamera auf der Basis einer modifizierten Nikon F3 heraus. Die Kamera hatte anstelle des Kameradeckels zur Filmabdeckung ein Rückteil mit integriertem 1,3-Megapixel-Sensor. Gespeichert wurden die Schwarzweißbilder auf einer separaten, über der Schulter zu tragendem Speichereinheit. Spätere DCS-Modelle, die Serie wurde bis 2005 gebaut, erhielten zur Bildspeicherung integrierte Festplattenlaufwerke und schließlich PCMCIA-Flashspeicherkarten. Erst ab 1994 machten miniaturisierte Flash-Speicher, etwa die auch heute noch erhältliche CF-Speicherkarte, den Bau kompakter Digitalkamera mit Wechselspeicher möglich.
 

Kodak DCS 100

Kodak DCS 100, basierend auf einem Nikon-F3-Gehäuse, mit 1,3-Megapixel-Sensor und externer „Digital Storage Unit“ (200 MB Speicherkapazität), vorgestellt im Mai 1991
Foto: John W. Schulze, unter CC-Lizenz

 
Mitte der 1990er Jahre hatte der chemische Film seinen Höhepunkt erreicht. Komfort, Qualität und das Preis-Leistungs-Verhältnis waren im Vergleich zu den ersten digitalen Aufnahmegeräten unschlagbar. Dennoch zeichnete sich der Siegeszug der Digitalfotografie bereits ab. Zu offensichtlich waren die Vorteile, für die der anfängliche Qualitätsmangel gern in Kauf genommen wurde. Der Vorzug der sofortigen Verfügbarkeit der Bilder ohne Zusatzkosten für Entwicklung und Abzüge wog für immer mehr Verbraucher die Zugeständnisse einer gerade als „gut genug“ empfundenen Bildqualität auf.

Vor noch nicht einmal zwanzig Jahren, nämlich 1995, kam dann als erste kompakte, digitale Consumerkamera die Casio QV-10 auf den Markt. Sie verzichtete auf einen Sucher und verwendete ein Display mit LiveView für die Wahl des Bildausschnitts. Eine konstruktive Besonderheit war das schwenkbare Objektiv, wie es später auch Nikon für seine ersten kompakten Digitalkameras nutzte.

Analoge Rettungsversuche

Kodak trieb die digitalen Bildtechniken nicht nur im professionellen Bereich voran. Anfang der 1990er wollte man damit auch den Massenmarkt bedienen. Mit der 1992 vorgestellten Photo CD präsentierte das Unternehmen ein digitales System zur Digitalisierung und Archivierung von Kleinbildfilmen. Das als geschlossenes System mit einem eigenen Bildformat eingeführte und auch ziemlich teure Verfahren konnte sich aber langfristig nicht durchsetzen. Umso erfolgreicher war das Unternehmen zunächst im digitalen B2B-Geschäft.

1996 wollten es die Filmindustrie und die Hersteller analoger Kameras noch einmal wissen. Mit dem Advanced Photo System (APS) wollten Canon, Fujifilm, Kodak, Minolta und Nikon mit einem hybriden System aus Film- und Digitaltechnik ihr Geschäft retten. APS sollte viele Vorgänge im Handling des Films beim Einlegen, Transportieren, Rückspulen, Entwickeln und Scannen erleichtern. Es bot zudem durch die Magnetstreifen auf dem Trägermaterial die Möglichkeit des Datenaustauschs zwischen Kamera und Entwicklungslabor. Es erlaubte den unkomplizierten Wechsel teilbelichteter Filme und erleichterte die Verarbeitung im Labor. Angedacht war sogar die Möglichkeit der Speicherung der vom Labor für die Prints erzeugten Scans auf der Magnetschicht des Films. Eine Besonderheit war auch das kleinere Format der APS-Filme und die Möglichkeit der Wahl unterschiedlicher Seitenverhältnisse und Bildgrößen. Obwohl die meisten Hersteller die Produktion von APS-Kameras bereits um 2002 bis 2003 wieder einstellten und auch die Filmproduktion dafür auslief, hat sich das APS-C-Format als Sensorgröße auch in der Digitalfotografie, vor allem bei DSLR-, kompakten Systemkameras und Premium Kompaktkameras bis heute gehalten.

Siegeszug der Digitalkamera

Während die Verkaufszahlen für digitale Kameras ab Mitte der 1990er Jahre zunächst langsam und schließlich rasant zunahmen, gingen die Abverkäufe bei Filmen und analogen Kameras immer weiter zurück. Paradoxerweise waren es digitale Techniken, mit denen die Filmverarbeitung immer einfacher und die Qualität der Abzüge immer besser wurden. Digitale Minilabs und Großlaborprinter versorgten den Massenmarkt mit hochwertigen und preiswerten Prints, während die Anhänger der Digitalfotografie sich anfangs damit begnügten, ihre Fotos auf dem Bildschirm zu betrachten und, ab Anfang des neuen Jahrtausends, über das Internet zu teilen.

Viele der klassischen Kamerahersteller taten sich mit dem Einstieg in die Digitalfotografie zunächst schwer, es kamen neue Player, wie Panasonic, Samsung, Sony, aus der Unterhaltungselektronik hinzu und kurbelten den Markt an. Wurden von den Verbrauchern zunächst die Bildqualität und die dafür hauptsächlich als verantwortlich angesehene Pixelzahl als Qualitätsmerkmal herangezogen, so hat sich das Pixelrennen mit dem Überschreiten der 20-Megapixel-Grenze inzwischen relativiert. Neue Ansprüche wie kreative Flexibilität, Zoombereich, Sensorgrößen und Prozessorgeschwindigkeiten, wurden zu neuen Kenngrößen für Qualität. Das einst von Oskar Barnack propagierte und von der Fotowelt anfangs oftmals als zu klein für qualitativ hochwertige Aufnahmen belächelte Kleinbildformat für analoge Kameras erhielt in der digitalen Fotografie die Bezeichnung „Vollformat“ und wird von den Verbrauchern mit höchster Qualität assoziiert.

Das Smartphone mit integrierter Digitalkamera für Foto und Video sowie ständiger Verbindung ins Internet, hat sich vom Telefon mit fotografischem Notizbuch zum digitalen Alleskönner entwickelt, der auch als Fernbedienung und zusätzliches Display (Sucher) für Digitalkameras mehr und mehr an Bedeutung gewinnt. Es hat bewirkt, dass mehr Menschen die Fotografie zur visuellen Kommunikation nutzen als je zuvor.

(thoMas)
 
 
Quellennachweis:
Texte des Photoindustrie-Verbands e.V. zu 175 Jahren Fotografie; gekürzt, zusammengefasst und redigiert.
Bildmaterial: Photoindustrie-Verband e.V. und John W. Schulze
Abdruck mit freundlicher Genehmigung vom Photoindustrie-Verband e.V.

 
 
Nachsatz: Das von Professor Wilfried Korfmacher, Düsseldorf, entwickelte Logo für „175 Jahre Fotografie“ (siehe eingangs) stilisiert keine Brille und auch kein Fernglas, sondern „das Zeichen für Unendlichkeit – nicht nur Fotografen bestens bekannt – stilisiert ein Augenpaar und kennzeichnet zusammen mit dem Slogan „175 Years Photography – Imaging Unlimited“ die grenzenlose Dynamik und Zukunft des fotografischen Bildes.“ so sagt der Photoindustrie-Verband.