Jetzt laufen sie wieder auf zum Fotomarathon. Die „Fotografen“, die dem Prinzip „Fotos gegen Zeit“ huldigen. Die durch Hamburg oder Düsseldorf hetzen, um innerhalb weniger Stunden mehrere Themen abzuarbeiten. Wer meint, es ginge dabei vorrangig um gute Fotos, der irrt. Eine kleine Polemik von photoscala-Autor Horst Gottfried.

Ganze Rudel an Foto-Amateure fallen in diesem Sommer wieder ein in die eine oder andere deutsche Stadt, um gemeinsam beim Fotomarathon zu „fotografieren“. Dann hetzen sie zum Beispiel durch Berlin (am 10. Juni), Düsseldorf (24. Juni) oder Hamburg (15. Juli) zu den Orten, die ihnen vorgegeben wurden. Ihr Ziel: möglichst schnell und in der richtigen Reihenfolge an die von den Organisatoren festgelegten Locations zu gelangen, um dort innerhalb kürzester Zeit eine definierte Anzahl von Fotos zu schießen. Nachträgliche Bildbearbeitung ist verpönt.

Der Lohn der Hetze: Eine Ausstellung mit Prämierung der besten Bilder. Das Ganze soll eine „Verbindung von Herausforderung, Spaß und Social Event“ sein, so die Organisatoren auf ihrer Homepage.

Doch was soll bei einem solchen Marathon nach dem Prinzip „Fotos gegen die Zeit“ fotografisch herauskommen? Gute oder gar herausragende Fotos eher nicht, wie ein Blick auf die Ergebnisse vergangener Wettbewerbe zeigt. Gerne aber fotografisches Blendwerk, sinnentleerte austauschbare Szenarien, denen nach dem Motto „Reim Dich oder ich fress’ Dich“ einer der vorgegebenen Titel übergestülpt wird. Kein Wunder, dass ein Jury-Kommentar zu einer Serie des Düsseldorfer Fotomarathons 2016 denn lautet „Der Versuch einer Inszenierung der Themen wird konsequent auf alle Bilder angewendet.“ Alles klar?

Fotomarathon 2015 Nadine Funke

Ein  Siegerbild aus: „Grenzen überschreiten / go beyonds limits“ © Nadine Funke

Warum tun sich Foto-Amateure so einen fremdbestimmten Stress an und zahlen auch noch Geld dafür? Weil es Preise und vielleicht Urkunden gibt? Ist es eine andere Form des gleichen Herdentriebs, der uns in den Foto-Communitys die ewig gleichen Blümchen-, Eisvogel-, Sonnenuntergangs-, Venedig-, Kaputte-Gebäude- und Rostige-Maschinen-Fotos beschert?

Wem es um bessere Fotos geht, die etwas zu sagen haben; wer sich fotografisch weiterentwickeln will, kann besseres tun, als bei so einem Fotomarathon unter Zeitdruck mitzurennen. Er sollte sich vielmehr der Vorteile seines Amateur-Daseins freuen und sich frei von professionellem Zeit- und Auftragsstress an das fotografische Werk seiner Wahl machen.

Beauftragen Sie sich selbst!*

Warum suchen sich unsere ambitionierten Amateure nicht selbstbestimmt ein Thema, an dem sie echtes Interesse haben, einen Themenbereich, mit dem sie sich gedanklich auseinandergesetzt haben, in dem sie sich auskennen, bei dem sie wissen, was wie läuft – und an dem sie als persönliches Projekt über längere Zeit arbeiten können? Das wären schon ein paar gute Voraussetzungen, um den Betrachter mal mit neuen, originellen Sichtweisen zu erfreuen, anstatt ihm seine Zeit mit austauschbaren Schnappschüssen zu stehlen.

Und wer trotzdem nicht davon lassen kann, den Wettbewerbsgedanken zu pflegen, kann sich bei diversen Foto-Wettbewerben gezielt und in aller Ruhe mit den gestellten Themen auseinandersetzen. Etwa beim „Blende“-Fotowettbewerb der deutscher Tageszeitungen.

* Zitat aus dem von1 Martina Mettner kostenlos zum Download angebotenen E-Book (PDF) „Die Fotografie ist kein Hobby“.