Foto: Sony Cybershot DSC-RX10 IIKnapp drei Jahre nach Markteinführung der RX10 hat Sony die Bridgekamera ordentlich aufgemöbelt. Vor allem mit einem neuartigen Sensor, der dank integriertem Pufferspeicher eine immense Datenmenge durchschleusen kann. Video-Enthusiasten ermöglicht die RX10 II zudem in 4K-Auflösung zu filmen, bei Bedarf sogar mit einer Super-Zeitlupe von bis zu 1000 fps. Erweitert hat Sony auch die Firmware, die Kamera bietet jetzt deutlich mehr Möglichkeiten als die erste Inkarnation der RX10. Dieser Tage hatte ich die Gelegenheit, mit der kostspieligen RX10 II für einige Stunden ein Boxtraining zu begleiten.

Rund 1600 Euro möchte Sony für die RX10 II haben. So viel Geld in eine Bridge-Kamera zu investieren, darauf wird wohl kaum jemand auf Anhieb kommen. Selbst dann nicht, wenn diese wie im Falle der RX10/RX10 II mit einem lichtstarken Zoom ausgestattet ist, das bezogen auf Kleinbild bei durchgehend F/2.8 von 24 bis 200 Millimeter zoomt. Schließlich buhlt genau damit auch die Ur-RX10 (die weiterhin im Programm bleibt) um die Gunst des Käufers – und kostet gerade einmal die Hälfte der neuen RX10 II. Gar nicht davon zu reden, dass es für 1600 Euro auch eine ordentliche Systemkamera nebst ein, zwei Objektiven gibt. Und die versprechen dann mit einem deutlich größeren Sensor eine bessere Bildqualität als die RX10-Familie mit ihrem Bildwandler im 1-Zoll-Format.

Foto: Sony Cybershot DSC-RX10 II

Als typische Bridgekamera vereint die RX10 II Design und Bedienung einer DSLR mit einem
festverbauten Objektiv, bezogen auf Kleinbild ein 24-200/2.8.

 

Diesen 1-Zoll-Sensor hat Sony jetzt aber für die RX10 II (und die RX100 IV) komplett neu entwickelt. Bei ihm sind nun die einzelnen Funktionseinheiten übereinander geschichtet, dadurch bleibt mehr Fläche für die eigentlichen Photozellen frei, der „Exmor RS“ getaufte Sensor der RX10 II ist also lichtempfindlicher als sein Pendant in der RX10. Und schneller ist er dank des auf dem Sensor integrierten DRAM-Puffers auch. So schnell, dass die RX10 II Videos in 4K-Auflösung  (3840 x 2160 Pixel) aufzeichnen kann. Oder eine 40fache-Superzeitlupe mit 1000 Einzelbildern pro Sekunde – wobei dann allerdings die Auflösung des Videobilds auf bescheidene 800 x 270 Pixel sinkt.

Doch was bringt das alles dem Fotografen? Zunächst einmal eine Serienbildrate mit 14 Fotos pro Sekunde (fps) bei voller Auflösung von rund 20 Megapixel. Damit stößt die RX10 II zumindest auf dem Papier in Geschwindigkeitsregionen einer reinrassigen Sportkamera wie die Nikon D4S vor. Allerdings mit einer großen Einschränkung: Den Fokus kann die Bridgekamera bei dieser rasanten Schussfahrt nicht nachführen. Soll sie jede Aufnahme der Serie einzeln fokussieren, sinkt die Serienbildrate der RX10 II auf immer noch ordentliche 5 fps (und ist damit doppelt so hoch wie bei der RX10). Möglich machen soll das der „Fast Intelligent AF“, der laut Sony innerhalb von 0,09 Sekunden fokussiert. Den Pufferspeicher hat Sony bei der RX10 II ebenfalls erweitert, er nimmt nun 27 RAW-Dateien oder 43 JEPGs (Einstellung „Extra-fein“) auf.

Foto: Boxkampf

Heiße Action ist dank ordentlicher Serienbildrate und dem schnellen Autofokus
kein Problem für die RX10 II. (Klick ins Bild öffnet Originalgröße.)

 

Damit empfiehlt sich die RX10 II also durchaus auch als Kamera für Action-reiche Motive, etwa in einer Boxhalle. Genau dort hatte ich die Gelegenheit, Sonys neue Bridge-Kamera auszuprobieren. Die Kamera liegt wie eine DSLR in der Hand, auch die Bedienung gibt kaum Rätsel auf. Sogar einen Blendenring weist das Objektiv auf, der allerdings die Blende nicht mechanisch steuert, sondern vielmehr elektronisch Stellbefehle an die Kamera übermittelt. Ganz ähnlich funktioniert auch der griffige Ring vorne am Objektiv, der wahlweise als Zoom- oder Fokusring dient. Allerdings setzt das System einen Dreh am Ring nur sehr zögerlich um. Es fühlt sich schwammig an, als würde ein nur locker gespanntes Gummiband die Stellbefehle vom Ring auf das Objektiv übertragen.

Ohne Fehl und Tadel ist dagegen der elektronische Sucher (EVF) der RX10 II. Er löst mit 2,36 Millionen Bildpunkten äußerst fein auf und zeigt dank OLED-Technik satte Farben und Kontraste. Mit einer Sucherbildvergrößerung von 0,70 (bezogen auf Kleinbild) zählt er zwar nicht zu den größten seiner Art, lässt sich aber dank seines Augenabstands von 23 Millimeter auch mit aufgesetzter Brille noch gut überblicken.

Foto: Sony RX10 II - elektronischer Sucher

Der elektronische Sucher der RX10 II ist zwar etwas klein, überzeugt
aber ansonsten mit einer piekfeinen Darstellung.

 

Das Ausstattungsniveau der RX10 II entspricht etwa dem einer guten Mittelklasse-DSLR. Sogar ein üppig bemessenes Statusdisplay auf der rechten Kameraschulter fehlt nicht. Sicher, die Knöpfchen und Schalterchen fallen angesichts des recht kleinen Kameragehäuses bisweilen etwas mickrig aus. Aber alles wirkt durchaus hochwertig, da wackelt und klappert nichts. Nur das Steuerrad auf der Rückseite dreht sich nach wie vor zu leicht. Dafür weist die RX10 II über ein Dutzend Bedienelemente auf, die sich mit einer Funktion ganz nach Gusto des Fotografen bedienen lassen – derart anpassungsfreudig geben sich längst nicht alle Kameras in der Klasse der RX10 II.

Treffen zwei Boxer aufeinander, gibt es viel Bewegung. Der Autofokus der RX10 II hatte kaum Mühe, den Athleten im Ring zu folgen. Nur etwa jede zehnte Aufnahme war fehlfokussiert – Respekt! Allerdings kommt hier der RX10 II durchaus auch ihr relativ kleiner Sensor zugute. Er weist gegenüber einem Kleinbildsensor einen Crop- oder Verlängerungsfaktor von 2,7 auf. Und genau mit diesem Faktor muss auch die Arbeitsblende multipliziert werden, um die resultierende Tiefenschärfe zu ermitteln. Sie entspricht bei Offenblende F/2,8 an der RX10 II einem Kleinbildobjektiv, das auf ca. F/8 abgeblendet ist. Und mit F/5.6, bei der meine Aufnahmen meist entstanden sind, bildet die RX10 II eine Tiefenschärfe ab, die schon fast F/16 an Kleinbild entspricht. Da darf ein Boxer ruhig einmal leicht aus der Schärfezone taumeln, ohne dass dies im Bild gleich auffällt.

Sony RX10 II: Foto Boxkampf

Bei ISO 100 wie diese Aufnahme hier glaubt man kaum, dass die RX10 II
mit einem vergleichsweise kleinen 1-Zoll-Sensor auskommen muss.
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Für das Shooting der RX10 II kam bisweilen eine potente Studioblitzanlage zum Einsatz, jedoch nicht permanent. Waren die Blitze aus, herrschten durchaus schummrige Lichtverhältnisse im Box-Gym, die relativ hohe ISO-Werte erforderten. Aber längst nicht eine derart hohe Empfindlichkeit, wie sie bei vergleichbarer Tiefenschärfe mit einer Kleinbildkamera nötig geworden wäre. Würde die bei F/8 einen ISO-Wert von 6400 verlangen, reichen der RX10 II bei f/2.8 eine Empfindlichkeit von ISO 800. Und bei diesem ISO-Wert ist das Rauschverhalten der RX10 II noch ohne Fehl und Tadel. Die RAW-Dateien zeigen zwar in der 100%-Ansicht von Lightroom bereits ein ganz sanftes, feines Korn, das aber spätestens im Druck keinesfalls stört. Ab ISO 1600 wird das Korn dann kräftiger, die Korngröße bleibt aber angenehm fein. Bei noch höheren ISO-Werten zeigt sich das Rauschen dann zunehmend aggressiver, die Aufnahmen wirken rau und verlieren spürbar an Detailzeichnung. Dennoch sind auch Aufnahmen bei ISO 3200 durchaus brauchbar, wenn sie nicht in voller Auflösung gedruckt werden sollen.

Was der relativ kleine Sensor der RX10 II leistet, finde ich beachtlich. Da kann das Objektiv nicht ganz mithalten. Es hat insbesondere im Nahbereich seine liebe Müh und Not, feinste Details aufzulösen, etwa an den Seilen des Boxrings. Um Abbildungsfehler wie Verzeichnungen oder chromatische Aberrationen muss man sich bei der RX10 II keine Gedanken machen. Sie werden digital auskorrigiert, auch in Lightroom, entsprechende Korrekturdaten sind in jeder RAW-Datei hinterlegt.

Dank des großen Zoombereichs ihres Objektivs lässt sich nahezu jedes Motiv formatfüllend mit der RX10 II einfangen.
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Könnte das Objektiv bisweilen gerne noch etwas höher auflösen, so hat Sony für meinen Geschmack bei der Bildaufbereitung dann wieder alles richtig gemacht. Die RX10 II gibt sich hier insgesamt eher zurückhaltend, überschärft in den Standardeinstellungen nicht und verkneift sich ebenso eine allzu kräftige Farbwiedergabe. Wer nicht die Zeit und Muße hat, RAW-Aufnahmen mit der RX10 II zu entwickeln, kann die JPEG-Aufbereitung in vielfältiger Weise an seine Erfordernisse anpassen. Etwa die Rauschunterdrückung eine Stufe zurücknehmen – die geht nämlich für mich etwas zu forsch ans Werk, und lässt mit dem Korn auch unnötigerweise das eine oder andere Bilddetail verschwinden.

So gut die Eigenschaften der RX10 II als Fotokamera sein mögen – ihre Videofähigkeiten überflügeln sie bei weitem. Fast scheint es, als habe Sony hier vor allem eine überragende Videokamera entwickelt, deren Verbesserungen im Fotobereich quasi ein Abfallprodukt sind. Herausragend ist sicherlich die Möglichkeit, mit der RX10 II in 4K-Auflösung direkt auf eine Speicherkarte in der Kamera aufzeichnen zu können. Hinzu kommt, dass bei Videoaufnahmen der komplette Sensorinhalt ausgelesen wird, bildqualitätsmindernde Tricks wie Pixel-Binning oder Line-Skipping hat die RX10 II nicht nötig.  Aber auch die Einstellmöglichkeiten der RX10 II lassen sicherlich die Herzen der Video-Enthusiasten höher schlagen, orientiert sich der Funktionsumfang doch an der Alpha 7S und geht damit weit über das hinaus, was bei Fotokameras mit Videofunktionen üblich ist.

Das Thema Video überlasse ich in der Regel gerne anderen, für mich ist es bereits Herausforderung genug, vorzeigbare Fotografien aufzunehmen. Fotografieren, das geht mit der RX10 II übrigens auch während laufender Videoaufnahme. Bei der RX10 II konnte ich allerdings nicht widerstehen, ein Boxer beim Training am Powerball in Slowmotion zu filmen – bis zu 40fache Superzeitlupen sind mit der RX10 II möglich. Allerdings sinkt dabei die Auflösung je nach gewählter Zeitlupe und Bildqualität gewaltig hinab bis auf nur noch 800 x 270 Pixel (bei 40facher Zeitlupe mit vier Sekunden Aufzeichnungsdauer). Trotz dieser kleinen Einschränkung finde ich es schon beeindruckend, wie sich mit der RX10 II blitzschnelle Bewegungen auflösen lassen.

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Training am Powerball in 25facher Zeitlupe.
 

Mein Fazit

Die RX10 II ist eine überaus komplette Kamera, sowohl wenn es um Foto- wie um Videoaufnahmen geht. Videographen erhalten mit ihr ein kompaktes Paket, das auf Wunsch in 4K filmt und zudem beindruckende Superzeitlupen ermöglicht. Kompakt ist das Paket ebenfalls für Fotografen, durchaus auch für anspruchsvolle. Sie können die kiloschwere DSLR-Ausrüstung bei der nächsten Radtour oder Bergwanderung ruhigen Gewissens im Schrank lassen und sich einfach die RX10 II um den Hals hängen. Es gibt allerdings ein Argument, das (derzeit noch) gegen die RX10 II spricht: Ihr mit 1600 Euro sehr hoher Preis. Der mag zwar für die Summe der Eigenschaften, die die RX10 II mitbringt, so gerade noch gerechtfertigt sein. Die allerdings werden nur wenige Foto- und Videographen ausschöpfen. Wer aber auf Reisen oder beispielsweise als Lokalreporter auf eine überaus gelungene und zudem kompakte Kombination aus Foto- und Videokamera nicht verzichten kann, findet derzeit kaum eine Alternative zur RX10 II.

(Martin Vieten)