Moyra Davey, Bella, circa 1996-2014Die Salzburger Ausstellung „Punctum“ untersucht das Wesen der Fotografie heute:

Pressemitteilung des Salzburger Kunstvereins:

Punctum. Bemerkungen zur Photographie

             Was die Fotografie anlangte, so hielt mich ein ‚ontologischer‘ Wunsch gefangen: Ich wollte unbedingt wissen, was sie ‚an sich‘ war…
Roland Barthes, Die helle Kammer

„Punctum“ ist eine Ausstellung, die das Wesen der Fotografie heute untersucht. Bestehend aus fünfzig Fotografien, die von Künstler_innen, Kurator_innen und Schriftsteller_innen ausgewählt wurden, und begleitet von einer Vortragsreihe sowie einer Publikation, nimmt die Ausstellung ihren Ausgangspunkt beim Begriff des „punctum“, wie ihn Roland Barthes in seinem Buch „Die helle Kammer. Bemerkungen zur Photographie“ einführte. Barthes benutzt den Begriff „punctum“ als sprachliches Mittel, um die Bedeutung von Fotografie zu untersuchen. Der Begriff bezieht sich auf ein besonderes Detail einer Fotografie, das den Betrachter fesselt oder „verwundet“ und es zu einem Objekt der Reflexion vervollständigt. Barthes geht jedoch noch darüber hinaus und schreibt eine Reihe weiterer phänomenologischer Betrachtungen dieser Sphäre des „punctum“ zu.
 

Foto Gauri Gill, Jogiyon ka Dera, aus der Serie „Notes from the Desert”, 1999-2010

Gauri Gill, Jogiyon ka Dera, aus der Serie „Notes from the Desert”, 1999-2010
Barytpapier, 40 x 30 cm
© Gauri Gill, courtesy of Gauri Gill
(ausgewählt von Gauri Gill)
 
 
Foto Anonym, Propaganda zw. Oest. u. Russ. Soldaten, Rum. 26-12-17

Anonym, Propaganda zw. Oest. u. Russ. Soldaten, Rum. 26-12-17
Fotografie, 9,5 x 15 cm
(ausgewählt von Friedrich Tietjen)
 
 
Natalia Nikitin, Dimitry Prigov, 2002

Natalia Nikitin, Dimitry Prigov, 2002
90 x 60 cm, Fine Art Print, courtesy of the artist
(Performance des russischen Künstler und Dichters Dmitry Prigov, Tanzquartier Wien, 2002; ausgewählt von Boris Groys)
 
 
Foto Willie Doherty, Incident, 1993

Willie Doherty, Incident, 1993
Cibachrome kaschiert auf Aluminium, 122 x 183 cm
Courtesy of the Irish Museum of Modern Art, Dublin
(ausgewählt von Duncan Campbell)
 
 
Alison Rossiter, Velox T4, expiry date October 1, 1940, 2008

Alison Rossiter, Velox T4, expiry date October 1, 1940, 2008
Fotografischer Druck, Unikat, 25,3 x 20,2 cm
Courtesy of Geoffrey Batchen, New Zealand
(ausgewählt von Geoffrey Batchen)

 
Für die Ausstellung wurden die Teilnehmer_innen eingeladen, Fotografien auszuwählen, die für sie das Konzept des „punctum“ emblematisch verkörpern, speziell im Kontext der heutigen Fotografie und unserem konstanten Ringen um ästhetik. Jede ausgewählte Fotografie wird von einem kurzen, beschreibenden Text begleitet, der die Gründe der Entscheidung erhellen soll. Den Hintergrund des Projekts bilden die fortwährenden, ontologischen überlegungen zur Fotografie, besonders heute, lange nach ihrer Digitalisierung und weiteren Universalisierung. Fotografie ist immer problematisch gewesen, als eine sogenannte indexikale Form, als Ersatz für Erinnerung, als manipuliertes Mittel, als Instrument der Beobachtung, Kontrolle und des Militarismus, und auch als vielumstrittene Kunstform. Mit der Evolution der Fotografie in das digitale Zeitalter hinein haben sich diese Problemfelder wohl vervielfacht. Der Schriftsteller Geoff Dyer, zum Beispiel, argumentiert, dass digitale Fotografie „frei von jeglichen Qualitäten vergangener Zeit zu sein scheint,“ dass sie keine der Eigenschaften mehr besitze, die Barthes ihr zugeschrieben habe. Barthes zufolge ist die Fotografie „das lebendige Bild von etwas Totem“ und daher wohnt ihr etwas einer „Auferstehung“ inne. Würde diese Meinung heute standhalten, in einer Zeit, in der die Fotografie von einem konstanten, sich immerzu verändernden und unaufhaltsamen Fluss der Bilder mitgerissen wird? Würden wir heutzutage noch den Begriffen Barthes wie „profunde Verrücktheit“, „geteilte Halluzination“ oder „das Irreversible“ als elementare Definitionen der Fotografie zustimmen? Oder müssen wir uns nicht erneut fragen: Was ist der ontologische Status der Fotografie?

Die Ausstellung wird von einer Vortragsreihe zu aktuellen Themen der Fotografie heute begleitet. In Zusammenarbeit mit Fotohof edition wird ein Katalog publiziert und am Ende der Ausstellung präsentiert. Zudem werden Besucher_innen eingeladen, ihr ganz persönliches „punctum“ zur Ausstellung hinzuzufügen (siehe instagram.com/salzburgerkunstverein).

Kurator: Séamus Kealy
 

Moyra Davey, Bella, circa 1996-2014

Moyra Davey, Bella, circa 1996-2014
Collage, 30,2 x 30,4 cm
© Moyra Davey, courtesy of Moyra Davey and Murray Guy, New York
(ausgewählt von Moyra Davey)

 
Ausstellung:
Punctum. Bemerkungen zur Photographie
26. Juli – 21. September 2014

Salzburger Kunstverein
Hellbrunner Straße 3
5020 Salzburg
 

(thoMas)