Grafik Heiner Muskulus„Grau, teurer Freund, ist alle Theorie, und grün des Lebens goldner Baum.“ (Goethe, natürlich) – Wie sich die Farberfassung des Bildsensors auf die Bildqualität auswirkt. Oder auch: Auf der Suche nach den guten und den schlechten Pixeln:

 
 
 
 

Grafik Heiner Muskulus

 
Ebenso paradox wie Goethes Zitat (der goldene Baum ist grün) ist ein Effekt, den ich im Folgenden näher untersuchen werde und der sich stark verkürzt und zugespitzt so beschreiben lässt: je mehr Farbe ein Sensor „sieht“, desto schlechter wird das Bild.

Es gab ganz pragmatische Gründe, mich mit den grünen und nicht so grünen Schattierungen eines Baums zu beschäftigen, hatte ich doch in der letzten Zeit von unterschiedlichen Herstellern verschiedene Kameramodelle zur Probe bei mir zu Hause. Deshalb mußte ich auch schmunzeln, als am Freitag, den 14. Februar 2014, auf photoscala ein Beitrag von thoMas zum Thema Bildqualität zu lesen war und ich darin meine Sichtweise grundsätzlich bestätigt sah. Wer sich in der Materie auskennt, wird die Ergebnisse, die mit den heutigen Kameramodellen zu erzielen sind, nicht ernsthaft schlecht reden. Natürlich wird man, wenn man will, immer ein Haar in der argumentativen Suppe finden können.

So mag man über Pixelpeeper lächeln. Doch ich bin es von klein auf gewohnt, mit dem Fadenzähler das Bildergebnis aufs Korn zu nehmen und deshalb scheue ich mich auch heute nicht, auf der Suche nach guten und schlechten Pixeln vehement in bestimmte Details hinein zu zoomen. Bei meinen Vergleichen fiel mir auf, dass die erwartungsgemäß guten Ergebnisse bei bestimmten Motiven – und auch da nur auf einige Bereiche begrenzt – etwas schwächelten. Um nachzuvollziehen, was dieses Schwächeln verursachte, entwickelte ich entsprechende Testcharts, mit deren Hilfe diese Artefakte eindeutig nachgewiesen werden können.

Damit meine Vorgehensweise verständlicher wird, erlaube ich mir einen kleinen Exkurs. Zunächst geht es um die lapidare Feststellung, dass jedem Farbwert ein entsprechender Grauwert zugeordnet werden kann. Wandelt man die untere linke, bunte Abbildung in ein Graustufenbild, ist eine homogene Graufläche zu sehen:
 

Grafik Heiner Muskulus

 
Bis hier stimmen Theorie und Praxis überein, aber wie sieht es mit dem Baum aus? Um dies zu überprüfen und visuell darzustellen, bietet sich die GCR-Separation* an, da es hierbei möglich ist, den unbunten Grauanteil des farbigen – präziser des bunten – Bildes, zu separieren. (* Bei der GCR-Separation werden gleiche Teile CMY durch Schwarz ersetzt.)

Hier das Ergebnis als Ausschnitt:
 

Grafik Heiner Muskulus

Links ein Teil der Baumkrone, rechts ein separierter Ausschnitt davon.

 
Es fällt der recht hohe Grauanteil in dem Bild auf und die – durch den fehlenden Schwarzanteil – undifferenzierte Wiedergabe des Buntanteils. Der Ausschnitt rechts hat die Größe von 240×180 Pixeln (im Original, hier leicht anders skaliert). Der folgende Ausschnitt zeigt lediglich 24×18 Pixel daraus und gibt ganz deutlich wieder, wie unpräzise und verwaschen sich der Buntanteil vom Grauanteil abgrenzt. Es wird damit deutlich, dass die farbliche Differenzierung nur durch den Schwarzanteil gewährleistet wird und dass dieser Anteil selbstverständlich ebenfalls unbunt = grau ist.
 

Grafik Heiner Muskulus

 
Soweit die Grundlagen und die daraus resultierende Frage:

Wie gehen die Kameras mit bunten und unbunten Informationseinheiten um?

Für die darauf folgende Testreihe standen mir folgende Kameramodelle zur Verfügung:
1. Nikon D800E
2. Nikon D3X
3. Canon 5D
4. Nikon D90
5. Canon 550D
6. Pentax 20D

Da es Spannenderes gibt, als endlose Testreihen zu begutachten, beschränke ich mich auf die wesentlichen Punkte, die auffällig sind und alle Kameras gleich betreffen:

Zunächst zu den Testcharts – diese sind im CMYK-Modus generiert worden und bestehen aus unterschiedlichen Elementen, deren bunte und unbunte Anteile den gleichen Luminanzwert haben. Das kleinste Element hat eine Größe von 1 mm, das größte mißt 2,5 mm. Diese Elemente haben einen wellenförmigen Versatz von 0,02 mm. Zusätzlich gibt es die üblichen Linienscharen, sowie Kreisobjekte, die allerdings ebenfalls im Wechsel durch bunte und unbunte Linien gleicher Luminanz ausgeführt sind. Die Auswertung der Testreihen erfolgte mit der GCR-Max-Separation, um die oben ausgeführten Voraussetzungen zu schaffen. Die nächste Abbildung zeigt ein typisches Grundelement, mit dem die Testcharts gestaltet wurden:
 

Grafik Heiner Muskulus

 
Mit meinen Versuchen wollte ich folgenden Fragen auf den Grund gehen:

• Wird das bunte Objekt vom grauen Umfeld aufgeweicht oder gibt es eine klare Farbwerttrennung?
• Spielen die unterschiedlichen Auflösungswerte dabei eine Rolle und ist deshalb die Nikon D800E eindeutig im Vorteil?

Um gleich die letzte Frage als erste zu beantworten: Die Auflösung der Nikon D800E ist erwartungsgemäß am besten, gefolgt von der D3X. Aber – und jetzt kommt das vielleicht Überraschende: Die Auflösung spielt bei der Beantwortung der ersten Frage keine Rolle! Doch warum ist das so?

Um eine exakte Trennung von Bunt- und Neutralflächen zu erreichen, wurden die Testdateien in den CMYK-Modus konvertiert. Durch die Separationsoption

GCR Maximal = 100 % Schwarzaufbau

werden die gesamten Unbuntanteile eines Farbbildes in den Schwarzkanal separiert, d.h. alle von der Kamera erfassten Neutralwerte lassen sich fein säuberlich per Schwarzkanal begutachten, alle Buntanteile finden sich in den Farbkanälen C, M, Y wieder.
 

Grafik Heiner Muskulus

 
Das Ergebnis der abfotografierten Testtafel stellt sich dann so dar:
 

Grafik Heiner Muskulus

Ausschnitt eines Testcharts – aufgenommen mit der Nikon D800E.
Zur Orientierung: Die ausgewählten Objekte haben eine Länge von 1 bis 1,7 mm.

 
 
Grafik Heiner Muskulus

Diese Abbildung zeigt ein 30×40 Pixel großes Objekt aus obiger Testtafel-Aufnahme.
 
 
Grafik Heiner Muskulus

Erneut ein 30×40 Pixel großes Objekt, diesmal mit der Nikon D3X belichtet, und mit der Canon 5D.

 
Die Ergebnisse sind frappierend – alle Kameras zeigen den gleichen, und wie ich finde, unerwünschten Effekt: erhöhte Farbsättigung respektive Verlust des Neutralanteils, was in Konsequenz einen mehr oder weniger strukturlosen Farbbrei ergibt. Auch die gleich großen Objekte, welche mit den APS-C Kameras erfaßt wurden, gleichen sich diesbezüglich wie ein Ei dem anderen und können nicht von den Ergebnissen der Vollformatkameras unterschieden werden!

Bei allen Kameras dasselbe Ergebnis: Alle bunten Objekte strahlen in die umgebende Graufläche hinein und bilden einen deutlichen Farbsaum. Wir haben es hier gewissermaßen mit dem Phänomen einer isoluminanten (gleichhellen) Farbübertragung zu tun, die sich unabhängig von der vorhandenen Auflösung feststellen läßt. Weil sich die isoluminante Farbübertragung quasi im Verborgenen abspielt, möchte ich diesen Vorgang scherzhaft den

Heinzelmann-Effekt

nennen.

Was für Schlüsse lassen sich aus diesen Ergebnissen ziehen?

Wäre dieser Effekt nur unter den oben genannten Bedingungen relevant, könnte man schnell zur Tagesordnung übergehen. Es interessieren aber die Auswirkungen für die Praxis und hierzu läßt sich Folgendes feststellen: Wie bereits beim Beispiel des Baums gezeigt wurde, ist für die Wirkung eines Farbbildes der Komplementärfarbanteil von entscheidender Bedeutung. Wird dieser Anteil reduziert und die Farbsättigung erhöht, reduziert sich auch die Durchzeichnung. Eine rote Tomate leuchtet dann knallrot und wird zu einem zweidimensionalen Farbklecks reduziert. Genau dies kennzeichnet den Heinzelmann-Effekt.

Der Heinzelmann-Effekt findet allerdings nur in den Mikrostrukturen statt! Diese werden übersättigt, d. h. die neutralen strukturgebenden Anteile werden reduziert. So kommt es zu einer paradoxen Bildqualität: Mit höheren Auflösungen geht zwangsläufig eine Vervielfachung der Mikrostrukturen einher. Einerseits werden mehr Details darstellbar, andererseits bewirkt der Heinzelmann-Effekt, dass über alle Kameratypen und -modelle hinweg wichtige Bildinformationen einfach im digitalen Bermuda-Dreieck verschwinden.

Zusammenfassung:

• Mehr Auflösung = mehr Detail
• Mehr Details = mehr Mikrostrukturen
• Mehr Mikrostrukturen = mehr Zeichnungsverlust*
(* In Anhängigkeit der Luminanzwerte des effektiven Neutralanteils.)

Zum Schluß noch eine kleine Demonstration des soeben festgestellten Befundes:
 

Grafik Heiner Muskulus

In Bildmitte ist ein ausgehöhlter Baumstamm zu sehen. Im 100-%-Beschnitt (ganz links) läßt sich schon vage erkennen, was bei 400-%-Vergrößerung (links) gut sichtbar wird. Rechter Hand wurde ein Ausschnitt von 18×24 Pixeln lediglich hochgezoomt und ganz rechts ist dessen Buntanteil (oben) getrennt vom Schwarzanteil (unten) zu sehen. Auch wenn die 432 Pixel nur schemenhaft wiedergeben, was bei 400-%-Vergrößerung klar zu erkennen ist: ohne den Unbuntanteil wäre lediglich ein brauner Farbtupfer auszumachen – und der eben beschriebene „Heinzelmann-Effekt“ reduziert eben den Unbuntanteil mehr oder weniger.

 
Es liegt nahe, die Ursache für die isoluminanten Farbverschiebungen in der spezifischen Struktur der Bayer-Sensoren zu suchen. In einem zweiten Beitrag soll das näher untersucht werden: Der Heinzelmann-Effekt II (ist ab Samstag, 31.5.2014 um 9:45 Uhr online). Dann werden wir auch die guten Pixel finden – machen Sie sich auf eine Überraschung gefasst.

(Heiner Muskulus)