Foto Ralf JannkeMit einem „Flaschenboden“ – so die despektierliche Bezeichnung für vermeintlich schlechte Objektive – will doch keiner fotografieren? Wir schon:

Nicht erst seit Nikons Df, nein, spätestens seit den ersten „Spiegellosen“ mit ihrem geringen Auflagemaß erschließt sich dank vieler Adapter eine ganze Fülle alter Objektive, die es zwar manuell scharfzustellen gilt, die aber für ganz wenig Geld gebraucht zu bekommen sind. Und wer nicht gerade Sport und Action fotografiert, dem ist der fehlende Autofokus egal und der könnte es zum Beispiel mal mit einem gebrauchten lichtstarken 1,4/85 mm versuchen, oder sein altes Zoom, Fisheye oder Normalobjektiv reanimieren.

Wäre da nicht diese eine Sache:

„Es gibt (fast) kein Objektiv, das diesem oder jenem Sensor gerecht wird …“

 
Diese Behauptung – allzu oft gebetsmühlenartig wiederholt – wird von den Zweiflern allzu selten auf ihren Wahrheitsgehalt hin untersucht. Dabei genügt für den Test ein einfacher Rundgang mit Kamera und Objektiv, und das haben wir einfach mal gemacht: Gewählt wurden die Kleinbild-Nikon D800 mit 36 Megapixeln sowie die Nikon D7100 mit 24 Megapixeln, die eine noch höhere Pixeldichte hat: Die 24 Megapixel auf dem APS-C-/DX-Sensor der D7100 (15×23 mm) das wären, aufs 24×36-mm-Kleinbildvollformat hochgerechnet, rund 55 Megapixel. Was die Objektive angeht, wurden zwei konstruktionstechnisch sehr alte, der optischen Höchstleistung unverdächtige Zoomobjektive eingesetzt.
 

Foto Ralf Jannke

 
Einmal das gerne als „Flaschenboden“ verunglimpfte Zoom Nikkor 3,5/43-86 mm (links an der D7100), das in der Liste der „Nikon’s 10 Worst Lenses“ („Die 10 schlechtesten Nikon-Objektive“) des ebenso umstrittenen wie unterhaltsamen Amerikaners Ken Rockwell gleich an erster Stelle steht. Wobei das eigene 3,5/43-86 mm anhand der Seriennummer und mit Hilfe der neuseeländischen Seite photosynthesis auf die Produktionsjahre 1977 bis 1982 datiert werden konnte. (Das 43-86 kam, nicht auswechselbar, 1961 erstmalig bei der für Nikon im Auftrag u. a. von Mamiya gefertigten „Nikkorex Zoom 35“ zum Einsatz.)
 

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Zweiter Testkandidat war das Vivitar Serie 1 2,8/35-85 mm (beachten Sie den Zustand der Frontlinse!). Ein Zoom, das gar keins ist, denn bei jeder Brennweitenänderung muss die Entfernungseinstellung korrigiert werden: „Varioobjektiv“ ist deshalb die korrekte Bezeichnung! Das Vivitar wurde 1979 nur mit einem „zufriedenstellend“ bedacht, obwohl es eine höhere Punktzahl hatte als andere Linsen: Walter E Schön CF 1979 Standard-Zoom-Test. Mehr über dieses Objektiv auch unter Vivitar – ganz großes Kino.

Diese beiden mindestens 30 Jahre alten „Gummilinsen“ wurden also mit D800 und D7100 ausprobiert. Fotografiert wurde mit verschiedenen Brennweiten, die mangels Chip im Objektiv allerdings immer nur als einmal festgelegte Brennweite – zum Beispiel die kürzeste Brennweite 35 bzw. 43 mm – aufgezeichnet werden. Nach Festlegen der Lichtstärke des Objektivs in der Nikon-eigenen Gehäuse-Datenbank wird die verwendete Blende zuverlässig in die EXIF-Daten geschrieben.

Da zu starkes Abblenden bei den mittlerweile erreichten Pixeldichten für Beugungsunschärfen sorgt, wurden die beiden Objektive auf maximal f/11 abgeblendet. Das Gros der Bilder entstand bei f/5,6 oder f/8. Die Kameras wurden bei Zeitautomatik und mit ISO-Automatik eingesetzt.

Um die kamerainterne Schärfung der Nikon-Gehäuse außer Kraft zu setzen, wurde im Nikon-Rohformat „NEF“ gespeichert und die Bilder überwiegend mit Lightroom (LR) 5 „entwickelt“ und für die Darstellung im Internet als JPEG und maximaler Größe 8 MB gespeichert (bei 100-%-LR-JPEG-Qualität wären die 36-MP-JPEGs rund 17 MB groß). Eventuelles Rauschen wurde in Lightroom reduziert, geschärft wurde ebenfalls mit Lightroom bei 1:1-Wiedergabe nach visuellem Empfinden. An Kontrast und Farbe wurde kaum etwas korrigiert.

Bilden Sie sich selbst ein Urteil:
 

Foto Ralf Jannke

Gesamtmotiv
 
 
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Beginnen wir mit einer Blendenreihe, die aus entsprechenden Ausschnitten montiert wurde. Sicher nicht unbedingt die Stärke des Vivitars: Fotografie im Nahbereich. Das Vario stand auf 35 mm, die Kombination D800 plus Vivitar auf dem Stativ. ISO 200, Zeitautomatik. Die NEF-Dateien wurden in diesem Fall mit dem nikoneigenen ViewNX2 konvertiert. Die Schärfung war in ViewNX2 auf Null gedreht. Auch bei der anschließenden Montage in Photoshop wurde nichts unscharf maskiert. Ein gewisser Verlust ergibt sich durch die finale Speicherung in der Photoshop-JPEG-Qualitätsstufe 8.

Das Vivitar 2,8/35-85 mm produziert bei Blende 2,8 eine Weichheit, die dem legendären Rodenstock Imagon zur Ehre gereichte.

 
Es folgen zwei Aufnahmen mit dem Nikkor 3,5/43-86 mm an der D800:
 

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Aufnahme mit D800 und Nikkor 3,5/43-86 mm
Volle Auflösung 36 MP, Photoshop JPEG-Stufe 8, unscharf maskiert
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Aufnahme mit D800 und Nikkor 3,5/43-86 mm
Volle Auflösung 36 MP, Photoshop JPEG-Stufe 8, unscharf maskiert
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Und jetzt die beiden Objektive und die 24-MP-D7100:
 

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Gesamtmotiv
Aufnahme mit D7100 und Nikkor 3,5/43-86 mm bei trübem Novemberwetter

 
 
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Ausschnitt aus der Originalaufnahme
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Gesamtmotiv
Aufnahme mit D7100 und Nikkor 3,5/43-86 mm

 
 
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Ausschnitt aus der Originalaufnahme
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Aufnahme mit D7100 und Vivitar 2,8/35-85 mm (volles Aufnahmeformat 6000×4000 Pixel)
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Gesamtmotiv
Aufnahme mit D7100 und Vivitar 2,8/35-85 mm bei längster Brennweite 85 mm (= 128 mm @KB)

 
 
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Ausschnitt aus der Originalaufnahme
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Das soll als Denkanstoß und Diskussionsgrundlage zu „(Fast) kein Objektiv kann diesen oder jenen Sensor bedienen…” genügen. Es geht tatsächlich mehr als das, was im Internet gerne wieder und wieder behauptet wird.

Natürlich, je weniger Megapixel, desto leichter wird es für das Objektiv. Insofern war es von Nikon nicht ganz verkehrt, sich bei seiner Retro-Idee „Df” auf 16 Megapixel zu beschränken. Da dürften Festbrennweiten ähnlichen oder gar noch höheren Alters vermutlich sogar noch besser abschneiden als die beiden hier vorgestellten Zooms. Auf einem Werbefoto zur Nikon Df sind vermutlich nicht ohne Grund das 1,2/55 mm und das erste Zoom-Nikkor 3,5/43-86 mm abgebildet.

(Ralf Jannke)