Foto Karina-Sirkku Kurz, Shiftings, 2011Beim Vattenfall Fotopreis 2012, einem der höchst dotierten Fotowettbewerbe für junge Fotografie, galt es, das Thema „Spannung“ zu interpretieren:

Mit dem Fotopreis 2012 wollen Vattenfall und C/O Berlin die junge narrative Fotografie unterstützen und einer breiten Öffentlichkeit präsentieren. Die Wettbewerbsteilnehmer waren eingeladen, das Thema „Spannung“ in jeweils einer Serie von acht bis zehn Fotografien zu interpretieren oder metaphorisch auszulegen. Über 290 Künstler haben sich beworben. Eine Fachjury bestehend aus Ingo Taubhorn, Deichtorhallen Hamburg, Stephan Erfurt, C/O Berlin, Robert Lebeck, Fotograf und Wolfgang Dirschauer, Vattenfall GmbH hat die Bewerbungen gesichtet und die stärksten Positionen ausgewählt.

Mit einem Preisgeld von insgesamt 27.000 Euro ist der Vattenfall Fotopreis eine der höchstdotierten Auszeichnungen für junge Fotografie in Deutschland. Der erste Preis ist mit 10.000 Euro, der zweite mit 8.000 Euro und der dritte mit 6.000 Euro dotiert. Zusätzlich gibt es einen Preis für das beste Einzelfoto in Höhe von 3.000 Euro. Die Gewinner erhalten neben dem Preisgeld eine Ausstellung, die vom 25. Januar bis 24. Februar 2013 bei C/O Berlin präsentiert wird.
 

Foto Stephanie Steinkopf, Manhattan, Straße der Jugend, 2011
 
 
Foto Stephanie Steinkopf, Manhattan, Straße der Jugend, 2011

1. Preis: Stephanie Steinkopf, Manhattan, Straße der Jugend, 2011

Manhattan liegt in Brandenburg und nur eine Autostunde von Berlin entfernt. Manhattan, so nennen die Dorfbewohner im Oderbruch die zwei Plattenbauten seit Jahren, weil sich auf einem kleinen Hügel die Skyline des Dorfes abzeichnet. Fast jeder Dorfbewohner wohnte zeitweise hier. Ein Block steht heute leer. In dem anderen sind von 40 Wohnungen noch zwölf bewohnt. 
 
 

Foto Hajime Kimura, His traces, 2011
 
 
Foto Hajime Kimura, His traces, 2011

2. Preis: Hajime Kimura, His traces, 2011

I have no memory of my grandparents. I heard from my father that my grandmother lived until I was three years old. My father was a bit plump; he looked grumpy and didn’t laugh much in front of me. As time passed by, he became smaller and smaller. Long after I left home to live on my own, my father bought a black dog. Its belly was partly white, which contrasted with its body. Every time my father opened the door of the garden, the dog would stick out its tongue and wag its tail because it understood that it was going for a walk. However I’ve actually never seen my father walking his dog. But if the dog wasn’t around, then neither was he. Every day, walking the dog took him about two hours. Now that my father passed away, I do it in his stead. Whenever I walk the dog, I have flashes of memories of my father by speaking to the people with whom he used to chat. Much to my surprise, that was the side of my father that I never knew. 
 
 

Foto Karina-Sirkku Kurz, Shiftings, 2011    Foto Karina-Sirkku Kurz, Shiftings, 2011

3. Preis: Karina-Sirkku Kurz, Shiftings, 2011

„My breasts are like arms. I have four arms.“

In ihrer Arbeit „SHIFTINGS“ setzt sich Karina-Sirkku Kurz mit Essstörungen und deren möglichen Erscheinungsformen auseinander. Die drei so genannten Haupttypen sind Anorexie, Bulimie und BED. Auch wenn sich die Symptome der jeweiligen Typen im Bezug auf das Essverhalten stark unterscheiden, ist der mentale Kampf vergleichbar. Es handelt sich um Versuche, innere Konflikte zu lösen. Die Arbeit basiert auf den Erzählungen Betroffener und thematisiert den Kampf gegen und für den eigenen Körper. 
 
 

Foto Philipp Plum, Berlin Bouncer, 2012

Bestes Einzelfoto: Philipp Plum, Berlin Bouncer, 2012

Das Berlin Bouncer Projekt widmet sich den Türstehern und Selekteuren des Berliner Nachtlebens. Selekteure und Türsteher repräsentieren Stil und Regeln der Welt hinter der Tür. Sie stehen symbolisch für das Nachtleben dieser Stadt. Die visuelle Konfrontation vor dem Eingang eines Clubs oder einer Bar, die über den weiteren Verlauf des Abends entscheiden wird, ist Ausgangspunkt dieser Arbeit. Das Mustern und gemustert werden. Der Betrachter ist nun eingeladen, sich ein genaueres Bild von ebenjenen Charakteren zu machen, die für gewöhnlich einen selbst unter die Lupe nehmen.
 
 

Foto Zuzanna Kaluzna, Sag mir, wer ich nicht bin, 2012    Foto Zuzanna Kaluzna, Sag mir, wer ich nicht bin, 2012

Lobende Erwähnung: Zuzanna Kaluzna, Sag mir, wer ich nicht bin, 2012

Die Porträtserie erzählt von der Beziehung zwischen erwachsenen Töchtern und ihren Müttern. Die Bilder entstanden in der Umgebung, in der beide Jahre gelebt haben.

„Ich habe versucht, Dich in den glatten Körpern schöner Frauen wiederzufinden. Zu Dir zurückzukehren. Zur ersten Liebe. Dem ersten Zuhause. Dem Körper, der mich in sich trug. Ich erinnere mich. Die Wohnung mit Blick auf den Wasserturm. Die Burg des Wahnsinnigen mit den beiden Wehrtürmen in der schönen Stadt am Fluss. Auf meinem Balkon stand ein alter Teppich. Ein Vormieter hatte ihn zurückgelassen. Zusammengerollt. Anfangs ließ er sich in die Ecke schieben, wenn auch mit Mühe, dann schlug er Wurzeln und kein Stück mehr konnte ich ihn verrücken. Über die Jahre hinweg wuchs er mit Moos zu, das im Frühjahr mit vielen kleinen gelben Blüten blühte. In seinem Innern machten sich Tauben ihr Nest. Morgens flogen sie mit klatschenden Flügelschlägen in den Himmel. Nachts gurrte der Teppich und lebte sein Nachtvogelleben. Ich lag am geöffneten Fenster, im Dunkeln, und lauschte.“

Aus der Erzählung „Mit Muttermilch Spiegel und Eis“ von Joanna Bator 
 
 

Foto Miguel Hahn & Jan-Christoph Hartung, The Forgotten, 2012
 
 
Foto Miguel Hahn & Jan-Christoph Hartung, The Forgotten, 2012

Lobende Erwähnung: Miguel Hahn & Jan-Christoph Hartung, The Forgotten, 2012

Die Berichterstattung der westlichen Welt über Afrika ist vorwiegend negativ geprägt. Bilder zeigen in erster Linie Krieg, Hunger und Elend. Laut UN-Angaben leben jedoch ca. 90% der Einwohner Afrikas nicht in Krisen- oder Kriegsregionen. Man hat das Gefühl, einer negativen Bilder- und Informationsflut ausgesetzt zu sein, der man nur entkommt, wenn man sich selbst ein Bild macht. Deshalb sind wir in die kenianische Hauptstadt Nairobi gereist. Dort hat sich eine einflussreiche Mittelschicht herausgebildet, die stetig wächst.

Diejenigen, die es sich leisten können, schotten sich mehr und mehr ab. Securities, meterhohe Zäune und Mauern sowie Überwachungskameras sichern den Wohlstand der Mittelschicht. Dennoch haben wir in Kenia Menschen getroffen und fotografiert, die unter ähnlichen Voraussetzungen wie wir leben; Menschen, die der Mittelschicht angehören, die in Kenia aber auch in anderen afrikanischen Ländern genauso existieren wie in Europa.
 
 
Ausstellung:
Vattenfall Fotopreis 2012 – Junge Fotografie in Berlin
25. Januar bis 24. Februar 2013

C/O Berlin
Oranienburger Straße 35/36
10117 Berlin-Mitte

Öffnungszeiten täglich 11 bis 20 Uhr
Eintritt 10 Euro; ermäßigt 5 Euro
 

(thoMas)