Aus vielerlei Gründen sind beide aufeinander angewiesen, jedoch oft nicht besonders gut aufeinander zu sprechen. Das hat Tradition:

In anderen europäischen Ländern hat sich der Fotofachhandel schon längst und fast völlig in die Ballungszentren zurückgezogen. Auch der deutsche Fotofachhandel wird seit den 1980er Jahren regelmäßig totgesagt. Doch hierzulande konnten flexible und gut organisierte Händler bislang überleben. Mit dem Ende der Schmalfilmzeit hatten zwar viele den Anschluss an das Videozeitalter verpasst und den Markt für eine geraume Zeit an die Rundfunk- und Fernsehhändler verloren, waren jedoch bei der Digitalisierung der Fototechnik wieder präsent.

Die Herausforderungen haben sich in den Jahren stark gewandelt.

Zu Zeiten, als die Produktion von Fotoprodukten noch weitgehend in Deutschland angesiedelt und die Preise noch gebunden waren, gab es hier noch ein mehrstufiges Handelssystem. Kleinere und mittlere Hersteller brachten ihre Ware über den Fachgroßhandel an den Einzelhandel. Für viele Hersteller war der lokale Fachhändler ein wichtiges Element für die Markenbildung. Auf die Empfehlungen des örtlichen Händlers konnte sich der Kunde im Regelfall verlassen und sich bei ihm beraten lassen. Der Fotoeinzelhandel wiederum war weitgehend flächendeckend, zumindest als Fotodrogerie, vertreten. Die klassische inhabergeführte Fotodrogerie verschwand mit dem Siegeszug der Drogeriediscounter, deren fotobezogenes Sortiment sich bald nur noch auf ein paar Filme, und später auf eine Minimalst-Auswahl an Speicherkarten reduzierte. Als letzter Bezug zur Fotografie stehen in vielen Filialen der Drogeriediscounter noch mehr oder weniger genutzte Kiosksysteme zum Ausdrucken von Digitalbildern. In vielen Fällen handelt es sich bei den Kiosken um Systeme von Kodak, die sich damit im Fotohandel nicht besonders beliebt machten.

Die Fachgroßhändler wurden zunehmend von den Einkaufskooperationen verdrängt. Hier dominieren heute die Ringfoto-Gruppe in Fürth und Europafoto in Eschborn. Während Europafoto mit einem minimalen eigenen Personalbestand vorwiegend Einkaufsfunktionen größerer Händler abwickelt, bietet Ringfoto mit den zusätzlichen Marken „Plusfoto“, „Porst“ und „Voigtländer“ ein umfangreiches Portfolio an Dienstleistungen an. Die Fürther betreuen so eine große Zahl auch kleinerer Händler, die bis zum eigenen Online-Shop zahlreiche Dienstleistungen zukaufen können. Die über die Plusfoto erworbene Marke „Voigtländer“ bietet vor allem mit dem noch vorwiegend analogen Classic-Programm den Händlern dieser Kooperation eine exklusive Marke, die in Deutschland nur bei ihnen zu finden ist. Auch die Fotoobjektiv-Linie von Carl Zeiss, die Systeme von Leica Camera und die professionelle Kameramodelle von Canon und Nikon gibt es nur im ausgewählten Fachhandel. Gerade bei Produkt-Neueinführungen in diesem Segment achten manche Hersteller sehr genau darauf, welche Kunden zuerst bedient werden.

Die unter dem Namen „Leica Stores“ geführten Ladengeschäfte in gehobenen Lagen scheinen die Kaufwünsche ihrer Zielgruppe derzeit besonders gut zu stimulieren. Da wundert es wenig, wenn Leica anstrebt, diese Vertriebsschiene in der Art der Apple-Stores auszuweiten. Dabei gibt es heute in Deutschland schon mehr Stores mit dem roten Punkt als Verkaufsstellen der Kalifornier mit ebenfalls chinesischer Fertigung. Ob Leica auch die Handelsmargen des Herstellers mit dem angebissenen Apfel anstrebt, ist bislang noch ein Geheimnis.

Wie kaum anders zu erwarten, zählen die Handelsmargen zu den wichtigsten Streitpunkten im Verhältnis zwischen Herstellern/Werksimporteuren und Händlern. Die von manchen Herstellern herausgegebenen Listen mit den unverbindlich empfohlenen Verkaufspreisen gleichen eher mittelalterlichen Folterinstrumenten denn zeitgemäßen Kalkulationsgrundlagen. Die Spanne zwischen den in der Händlerpreisliste angeführten Einkaufpreisen des Handels (ohne MwSt.) und den empfohlenen Verkaufspreisen (inkl. MwSt.) ist teilweise geringer, als die an die Finanzverwaltung abzuführende Umsatzsteuer. An eine Marge, die ausreichen würde, die laufenden Betriebskosten eines Händlers zu decken, ist so nicht zu denken. In der Praxis ergibt sich die Marge des Händlers dann aus den eingeräumten Rabatten, Jahresboni, Kickbacks, Werbekostenzuschüssen, Regalmieten und ähnlichen Elementen. Manch ein Fotohändler sieht sich da dann doch massiv unter Druck gesetzt.

Richtig gereizt wird das Verhältnis zwischen Hersteller und Händler jedoch, wenn Hersteller auf die Idee kommen, eingeführte Handelsschienen zu verlassen und dies ihren Händlern einfach als neue Gegebenheit mitteilen. So wurden immer wieder bestimmte Kameramodelle nur über eng begrenzte Wege am Fachhandel vorbei eingeführt. Sicher versprechen die Flächenmärkte der Metro-Gruppe viel Laufkundschaft, ob sie aber auch die jeweilige spezifische Zielgruppe ansprechen, kann bezweifelt werden. Fast schon typisch erscheint da der aktuelle Versuch von Hasselblad, sich neue Käufergruppen zu erschließen.
 

Prospektausriss Saturn

 
Der aus Schweden stammende Mittelformathersteller Hasselblad war in analogen Zeiten zu großen Teilen im gehobenen Amateursektor zuhause. Mit dem Umstieg auf die digitalen Modelle verschob sich das Kundensegment in den doch überschaubaren Bereich der professionellen Nutzer. Dies war wohl nicht zuletzt eine Folge der geforderten Preise und der Umstellung des Systems von der eigenen Kamera-Produktion auf die Zulieferung durch Fujifilm. Heute steht Hasselblad im Wettbewerb mit dem lokalen Rivalen Phase One, den man vor Jahren mit dem Ausschluss seiner Rückteile aus der eigenen Kamerawelt brüskiert hatte. Die Dänen sind inzwischen nicht nur zum Mittelformat-Vollsortimenter geworden, sondern verfolgen inzwischen mit Phase One und den Objektiven von Schneider-Kreuznach sowie MamiyaLeaf mit den Mamiya-Objektiven eine Mehrmarkenstrategie. Hasselblad, seit vergangenem Jahr mit neuen Eigentümern und zudem unter Druck durch die Hersteller von Kleinbildkameras mit aktuell immerhin 36 MP, will inzwischen offensichtlich wieder den Zugang zum Amateurmarkt finden und wählte da den Weg über die Großfläche.

Ein weiteres Ärgernis für viele Händler liegt in der Tatsache, dass sie oftmals nicht abschätzen können, wann besonders nachgefragte Ware bei ihnen eintrifft. Aus diesem Grund versucht manch ein Händler, die entsprechenden Produkte auch auf dem Graumarkt zu beschaffen. Dieser Graumarkt muss heute nicht einmal über sogenannte Graumarktimporteure bedient werden, die sich Wechselkursschwankungen zu Nutze machen. Der größte Teil dieser Ware dürfte heute aus Überbeständen herrühren, die auf den Zwang zu möglichst hohen Ordermengen aufgrund der damit verbundenen Jahresrückvergütungen zurückzuführen sind.

Dass man als Hersteller auch mit konsequenter Fachhandelstreue Erfolg haben kann, zeigt seit über 70 Jahren die fränkische Firma Metz: „Metz macht im Laufe der Jahrzehnte vieles anders als andere. … Mit der Konzentration auf den Fachhandel und der Nichtberücksichtigung der Flächenmärkte kann sich Metz aus den dort üblichen Preiskämpfen heraushalten. Geräte von Metz sind deutlich teuerer als der Branchendurchschnitt und der Marktanteil des Unternehmens liegt im Bereich der Unterhaltungselektronik bei etwa 4 %. Die Vorgehensweise von Metz dürfte jedem studierten Betriebswirt die Haare zu Berge stehen lassen. So gibt es aufgrund unterschiedlicher bedienter Marktsegmente auf den ersten Blick kaum erkennbare Synergien zwischen den Unternehmensbereichen. Allein, das Unternehmen, das nie wachsen wollte und lange Zeit im Schatten von Max Grundig stand, hat bis heute überlebt. Metz hat sich als eines der letzten inhabergeführten deutschen Unternehmen mit deutscher Fertigung im Markt gehalten.“ (Zitat aus: Der letzte Arbeitstag der Helene Metz)

Kurzfristige Verfügbarkeit, aber zumindest schnelle und pünktliche Lieferung, erwartet der Kunde inzwischen auch vom stationären Handel. Onlinehändler wie Amazon haben hier eine Art Bestmarke gesetzt, die nun auch vom Fachhandel gefordert wird. Für die Hersteller bietet Amazon umfangreiche Datensammlungen und Kundenprofile, die das Herz jedes Controllers erfreuen dürften. Die Nachteile, dass keine Beratung angeboten wird und dass im Bereich von Amazon-Marketplace in beträchtlichem Umfang gefälschte Ware angeboten wird, wollen viele Kunden nicht zur Kenntnis nehmen. Solange Amazon aus den Verkäufen über den Marketplace einen derartig hohen Nutzen durch die Vergütungen und die für die Amerikaner kostenlose Marktforschung zieht, wird sich an diesem System wohl kaum etwas ändern.

Im Wettbewerb mit den Onlineanbietern konnte der Fachhandel bis vor kurzem noch punkten, indem er Bundles schnürte, die beispielsweise ein Bildbearbeitungsprogramm ohne Aufpreis enthielten. Der Gerätepreis wurde dadurch nicht angetastet und der Kunde hatte dennoch einen Vorteil. Inzwischen werden solche Zugaben jedoch schon vom Hersteller dazugepackt. Damit verliert der Händler wieder eine Differenzierungsmöglichkeit.

Wahrscheinlich nimmt die Mehrzahl der Hersteller die Tatsache, dass sie mit den Händlern am bestem in einer Symbiose zusammenfinden, weil beide im Grunde im gleichen Boot sitzen, erst zur Kenntnis, wenn sie die Kuh, die sie melken wollten, geschlachtet haben.

(CJ)