Auch im August gibt es – wie jeden Monat – in Sachen Fotokunst viel Neues zu entdecken. Diesmal empfehlen wir Ausstellungen in Bonn, Paris, Basel, Bamberg, Wiesbaden, Köln und Kriens – außerdem blättern wir wieder in neuen Fotobüchern und stellen eine wundervolle Fotoedition aus dem Verlag der NZZ vor:

Das Kunstmuseums Bonn ist glücklich, mitteilen zu können, das neue Bilder von Gerhard Richter Eingang in die Sammlung gefunden haben. Es handelt sich um die Leihgabe „Schwestern” aus dem Jahr 1967, die der Mönchengladbacher Unternehmer Jürgen Hall Ende Juni bei Sotheby’s in London ersteigert hatte. Und noch zwei weitere Werke des Malers sind bald in Bonn zu sehen, was eine Neuhängung des Richter-Raumes zur Folge hat. Auch Fotokunst-Liebhaber sollte das interessieren, schließlich ist Richters Werk – wir berichteten ausführlich: Rätselhafte Stille – nicht ohne die Fotografie denkbar.
 

Foto Leo Rosenthal: Adolf Hitler als Zeuge im Edenpalast Prozess, 1931

Leo Rosenthal: Adolf Hitler als Zeuge im Edenpalast-Prozess, 1931
 
 
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Leo Rosenthal: Otto Wacker (stehend), im Hintergrund die gefälschten Vincent-van-Gogh-Werke als Beweismittel, in der vorderen Bank (mit weißem Haar und der Aktenmappe vor sich) sitzt der niederländische Kunsthändler Willem Scherjon, 1932

 
Eines der schönsten Fotobücher dieses Monats – Die Gerichtsphotographien von Leo Rosenthal (PDF-Datei) – beschäftigt sich mit einem ungewöhnlichen Thema. Leo Rosenthal (1884-1969) war ein Gerichtsreporter der Weimarer Republik, der im Gerichtssaal hunderte von Fotos anfertigte. Er fotografierte die wichtigsten Prozessen seiner Zeit, darunter auch viel Prominenz – heimlich, mit versteckter Kamera. Jetzt ist bei Schirmer/Mosel ein Buch mit den besten Bildern des aus Riga stammenden, studierten Juristen erschienen – mit Texten von Bianca Welzing-Bräutigam, Janos Frecot und Bernd Weise.

Und noch ein Buch möchten wir Ihnen in diesem Monat ans Herz legen. „Chasing Shadows“, erschienen bei Prestel, versammelt Fotografien von Santu Mofokeng aus etwa 30 Jahren: ein Abriss der jüngeren Geschichte Südafrikas, faszinierende Bilder des Kampfes gegen die Apartheid, ein luzider Blick auf die Lebensumstände der südafrikanischen Bevölkerung. Die Monografie beinhaltet auch ein langes Interview des Fotografen mit Corinne Diserens. Aktuell ist das Werk von Santo Mofokeng bis zum 25. September im Pariser Museum Jeu de Paume zu sehen.
 

Foto Jim Clark Baumann, Grosser Preis von England, 1963

Jim Clark Baumann, Grosser Preis von England, 1963
© 2011 Museum Tinguely, Courtesy of the Artist

 
 
Foto Superflex, Burning Car, 2008

Superflex, Burning Car, 2008
© 2011, Museum Tinguely, Courtesy of Superflex and Nils Stærk, Copenhagen

 
Auch der Heidelberger Kehrerverlag überzeugt mit einer neuen Publikation. „Fetisch Auto. Ich fahre, also bin ich“ ist der Ausstellungskatalog einer Schau des Museums Tinguely in Basel. Bis zum 9. Oktober wird hier die ganze Welt des Automobils ausgebreitet – aus der Sicht der Kunst seit dem italienischen Futurismus des Filippo Tommaso Marinetti. Auch viele fotografische Arbeiten sind zu sehen, wie etwa von Robert Frank, Andy Warhol, Richard Prince, Edward Burtynsky, Peter Keetman, Walker Evans, Brassaï, Jacques-Henri Lartigue, Arnold Odermatt, Man Ray oder Andreas Feininger. 

Fotos Werner Kohn

Werner Kohn: Indien, Neu Delhi, 1976 / Berlin, 1977
© ADMService GmbH

 
 
Foto Werner Kohn: Kathmandu, 1976

Werner Kohn: Kathmandu, 1976
© ADMService GmbH

 
Nachdem wir uns im vergangenen Monat vor allem mit Fotoausstellungen in Berlin beschäftigt hatten – geht es diesmal wieder in die sogenannte „Provinz“. Der Bamberger Kunstverein zeigt in der Tiefgarage Georgendamm bis zum 30. September unter dem Titel „streetlife – underground“ eine Retrospektive des Bamberger Fotografen Werner Kohn. Die Ausstellung offenbart ein ganzes Fotografen-Leben mit Städtebildern, Künster-Porträts, Reisefotografien und Fotoreportagen – mit dem Themenschwerpunkt „Menschen auf der Straße“. Die Tiefgarage als Ort für Fotokunst – das ist etwas wirklich Besonderes. Geöffnet täglich 24 Stunden!

Und auch in Wiesbaden wird Fotokunst derzeit an einem ungewöhnlichen Ort ausgestellt: Im Rahmen des Architektursommers Rhein-Main ist die Gruppenausstellung „EMPTY_ROOMS“ in einer leer stehenden Einkaufsgalerie zu sehen. 

Foto Hartwig Schwarz: Spectrums of Light - 1

Hartwig Schwarz: Spectrums of Light – 1; Motiv der Ausstellung
 
 
Lene Berg: Shaving the Baroness, 2010

Lene Berg: Shaving the Baroness, 2010
DVD PAL 7’30; s/w, Ton
Mit freundlicher Genehmingung von Lene Berg

 
Auch in Köln zeigt man in diesen Tagen ungewöhnliche Filmkunst. Arbeiten von Lene Berg, Runa Islam, Ursula Mayer, Monique Moumblow, Pablo Pijnappel, Ben Rivers und Margaret Salmon versammelt die Schau „Spectrums of Light“ bis zum 3. September in der „Temporary Gallery Cologne“ am Mauritiuswall 35 – allesamt Werke, die auf Farbe ganz verzichten. Schwarzweiß ist selten geworden in der Kunst, was schade ist, wie diese Ausstellung vor Augen führt. Denn die Uneindeutigkeit von Raum und Zeit, die Konzentration auf die Form, die psychologische Verdichtung im Bild, all das ist der schwarzweißen Darstellung immanent. Zur Ausstellung erscheint ein Kurzführer.

Und nochmal ein Blick über die Landesgrenzen: Im Museum im Bellpark in Kriens in der Schweiz wird vom 21. August bis zum 23. Oktober die Schau „Andreas Feininger. New York in the Forties” präsentiert, welche die bekanntesten Bilder des Fotografen aus seiner Wahlheimat versammelt – echte Klassiker der Fotogeschichte, die zumeist unter Verwendung selbst gebauter Kameras entstanden sind. Am Dienstag, den 27. September 2011 um 19.30 Uhr spricht Dr. Thomas Buchsteiner über seine Begegnung und Freundschaft mit Andreas Feininger.

Foto: „Used Tires, New Mexico“ von Emil Schulthess

Am Ende von Foto-Frisch steht wie immer eine Empfehlung, Fotokunst käuflich zu erwerben. Man kann in Onlinegalerien fündig werden, bei Fotokunst-Galerien, auf Kunstmessen, in Auktionshäusern, bei Kunsthändlern – oder auch in den Ateliers der Künstler selbst. Wir möchten Ihnen in Zukunft Arbeiten vorstellen, die wir für sammlungswürdig halten – angeboten von seriösen Galerien, Verlagen oder Händlern.

Diesmal empfehlen wir die „Foto-Edition der Neuen Zürcher Zeitung“, die sich zum Ziel gesetzt hat, namhafte Fotografen mit jeweils zwei wichtigen Aufnahmen aus ihrem Schaffen zu präsentieren. Die NZZ Foto-Edition ist limitiert auf 20 Exemplare pro Motiv. Die Fotografien sind nach Originalnegativen auf Barytpapier abgezogen und auf der Rückseite gestempelt, vom Fotografen oder dessen Rechtsnachfolger mit Unterschrift autorisiert und nummeriert. Die Fotos werden in einem weißen Passepartout ausgeliefert, wie etwa die 1953 entstandene Arbeit „Used Tires, New Mexico“ von Emil Schulthess, der als Bildredakteur bei „Du“ arbeitete und durch seine Reisereportagen international bekannt wurde. Die Größe des Abzugs ist 24×30 cm – der Preis liegt bei 1000 Euro.

Übrigens: Wir freuen uns immer über Anregungen in Sachen Fotokunst. Bitte an: redaktion@photoscala.de oder info@marcpeschke.de.

(Marc Peschke)
 

Nachtrag (7.8.2011): Die Ausstellung „Spectrums of Light“ zeigt nicht Fotokunst, wie ursprünglich falsch formuliert, sondern Filmkunst. Das wurde oben korrigiert.