Das amerikanische Traditionsunternehmen Eastman Kodak will 1.100 Digital-Patente zum Verkauf anbieten. Die Einnahmen aus Lizenzvergabe und Patentverkauf sollen die rettende Krücke zurück in die Gewinnzone sein:

Eastman Kodak meldet für das zweite Geschäftsquartal 2011 (April bis Juni 2011) einen Verlust in Höhe von 179 Mio. US-Dollar (ca. 123,5 Mio. €): Kodak Reports 2nd Quarter 2011 Results; Key Growth Businesses Continue to Gain Momentum (PDF-Datei). Damit hat sich der Quartalsverlust gegenüber dem ersten Geschäftsquartal zwar verringert, ist aber um 7 % gegenüber dem Vorjahr gestiegen. Der Konzernumsatz ist um 5,3 % auf 1,485 Mrd. US-Dollar (ca. 1,024 Mrd. €) gegenüber dem Vorjahresquartal gefallen.

Die einzelnen Geschäftsbereiche entwickeln sich bei Kodak sehr unterschiedlich. So legt das kommerzielle Druckergeschäft im Segment „Graphic Communications Group“ mit einem Umsatzplus in Höhe von 4 % zu. Gleichzeitig hat sich aber der Spartenverlust mit 45 Mio. US-Dollar (ca. 31 Mio. €) mehr als verdoppelt.

Der Geschäftsbereich „Consumer Digital Imaging Group“ erzielt im zweiten Geschäftsquartal 404 Mio. US-Dollar (ca. 279 Mio. €) Umsatz. Das sind 7,8 % weniger als im Vergleichsquartal des Vorjahres. Der Spartenverlust kann um 25 % auf 92 Mio. US-Dollar (ca. 63,5 Mio. €) begrenzt werden. Kodak betont, dass die Einnahmen-Verbesserung vor allem dem Gewinnwachstum bei den Tintenstrahldruckern zu verdanken sei.

Das traditionelle Fotofilmgeschäft im Segment „Film, Photofinishing and Entertainment Group“ ist weiterhin auf dem absteigenden Ast. Die Umsätze sind um 14 % rückläufig. Der operative Spartengewinn beträgt nur noch 2 Mio. US-Dollar (ca. 1,4 Mio. €) gegenüber 36 Mio. US-Dollar (ca. 25 Mio. €) im Vorjahresquartal. Die Verschlechterung begründet Kodak mit dem gestiegenen Rohstoffpreis für Silber und Auftragsrückgängen in der Industrie.

Der Aufstieg und Niedergang von Eastman Kodak hat schon längst die amerikanische Wirtschaftsliteratur erreicht, die sich in seitenlangen Abhandlungen ergeht. Schon seit Jahren wird da der Untergang des Unternehmens heraufbeschworen. Die neuesten Meldungen rund um Kodak zeigen, dass es nun tatsächlich ernst werden könnte.

Der ehemalige Vorreiter der Fotoindustrie scheint nun den Ausverkauf seines eigentlichen Schatzes, nämlich der Kodak-Patente, zu beabsichtigen. Kodak gibt bekannt, dass das Unternehmen rund 1.100 Patente meistbietend zum Verkauf abgeben wird. Dabei soll es sich um rund 10 % des Gesamtpools der Kodak-Patenten handeln. Die Investmentbank Lazard Group soll den Patentverkauf für Kodak abwickeln. Schon lange bemängeln Analysten, dass die von Kodak verfolgte Patentstrategie, nämlich Verbesserung der Einnahmensituation über die Lizenzvergabe und das Einklagen von Lizenzgebühren, nur kurzfristig Erfolg haben wird. Das operative Tagesgeschäft wird bei Kodak zur Nebensache, wenn es gegen die erfolgreichen Konkurrenten wie Apple vor Gericht geht.

Medienberichten zufolge soll Kodak seit 2008 rund 1,9 Mrd. US-Dollar (ca. 1,3 Mrd. €) Einnahmen aus der Lizenzvergabe, aber auch durch eingeklagte Rechte bei Lizenzmissbrauch, erzielt haben. Das Kodak-Patentportfolio von mehr als 11.000 Patenten soll bis zum Jahr 2013 jährliche Einnahmen in Höhe von 250 – 350 Mio. US-Dollar (ca. 172-242 Mio. €) ermöglichen – so jedenfalls die Kodak-Strategie. Dabei geht es vor allem um die Bargeld-Generierung. Denn Kodak weist weiterhin einen negativen Cash-Flow aus, will heißen, das Unternehmen „verbrennt“ Bargeld und nimmt nicht genug ein. Damit fehlen dem Unternehmen die finanziellen Mittel, um beispielsweise in Forschung und Entwicklung zu investieren. Das Geld muss in Form von Krediten zugeführt werden. Die Kreditwürdigkeit des Unternehmens sinkt aber bei einem dauerhaften negativen Cash-Flow – das sind schlechte Voraussetzungen, um mit den Banken über Kredite zu verhandeln.

Diese Situation ist bislang bei Eastman Kodak noch nicht eingetreten, denn der negative Cash Flow, also das „Geld verbrennen“, wird bislang durch bargeldähnliche Mittel („cash and cash equivalents“, z.B. liquide Anlagen, die eine Laufzeit von weniger als 3 Monaten aufweisen) aufgefangen. Aber eben dieser „Cash“-Bestand sinkt kontinuierlich weiter.

Dieser Tatbestand zeigt erste Auswirkungen am Markt. So hat u.a. die Ratingagentur Standard & Poors Anfang 2011 Eastman Kodak auf das Rating CCC herabgestuft: „derzeit verletzlich und abhängig von günstigen geschäftlichen, finanziellen und wirtschaftlichen Bedingungen, finanziellen Verpflichtungen nachzukommen“. Damit werden potentielle Anleger quasi vor einer Investition gewarnt.

Auch der zweite Finanzierungsweg über Unternehmensanleihen, so genannte Bonds, ist bei der Eastman Kodak-Anleihe (US277461BD00) durch einen Kurseinbruch und einen hohen Risikoaufschlag (Rendite für den Anleger) gekennzeichnet: Anleihen zeichnen kritisches Bild von Eastman Kodak.

Ein weiteres Indiz für die schlechten Aussichten bei Kodak ist die Aktienkursentwicklung. Die Kodak-Aktie hat innerhalb der letzten 9 Jahre fast 95 % an Wert verloren. Zum Vergleich: die japanische Konkurrenz Fujifilm verzeichnet ebenfalls einen gesunkenen Aktienkurs, allerdings beträgt der Rückgang „nur“ 32 % im gleichen Zeitraum.
 

Vergleich Aktienkurs Eastman Kodak und Fujifilm
(Quelle: Chartanalyse auf finanznachrichten.de)
  November 2002 Juni 2011 Veränderung
Eastman Kodak 37 € 2,37 € – 95 %
Fujifilm 32,20 € 21,72 € – 32 %

 
Aktuell wird die Kodak-Aktie an der amerikanischen Börse NASDAQ mit 2,39 US-Dollar (ca. 1,54 €) gehandelt. Dabei zeigt ein Langzeitvergleich zwischen den Aktienkursen von Kodak und Fujifilm, dass ab dem Jahr 2005 der Kodak-Aktienkurs kontinuierlich an Wert verliert. Fujifilm dagegen hat zwar auch mit einigen Abwärtstrends zu kämpfen, kann sich aber annähernd auf dem Kursniveau der Vorjahre halten.
 

Screen Aktienkursvergleich EK - FUJIY

Aktienkursvergleich Eastman Kodak (EK) und Fujifilm (FUJIY)
Zeitraum 2002 bis 2011
Währungseinheit US-Dollar, Quelle: NASDAQ

 
Das Vertrauen der Aktionäre wird zudem auf eine harte Probe gestellt, wenn selbst ehemalige Kodak-Getreue wie der Legg Mason Capital Management Value Trust, mit einem Kodak-Aktienanteil von 24,9 % in Spitze Ende 2005 (ca. 71,5 Mio. Kodak-Aktien), ein großes Kodak-Aktienpaket verkauft und dabei Millionen-Verluste einfährt.

Eastman Kodak befindet sich in einer Phase der Restrukturierung. Der Vorstandschef Antonio M. Perez hat für das nächste Jahr die Rückkehr in die Gewinnzone angekündigt. Sein einziger Weg dahin scheinen die Lizenzeinnahmen und die Verkaufserlöse der Patente zu sein. Unterdessen hat er vorsorglich die Verlustprognose für dieses Jahr nach oben hin korrigiert. Kodak geht nun von bis zu 400 Mio. US-Dollar (ca. 276 Mio. €) operativen Verlusts bis zum Jahresende aus.

Das Jahr 2012 wird zum Schicksalsjahr für Mister Perez werden, so viel ist sicher.
 

Zeitraum Konzernumsatz in Mio. $ Operativer Gewinn in Mio. $ siehe auch:
Jan. – März 2008 2.093,0 -81,0  
April – Juni 2008 2.485,0 -18,0 Kodak sieht sich auf dem richtigen Weg
Juli – Sept. 2008 2.405,0 147,0 Kodak mit deutlichem Gewinnzuwachs
Okt. – Dez. 2008 2.433,0 -133,0 Kodak stürzt im zweiten Halbjahr 2008 ab
Gesamtjahr 2008 9.416,0 -85,0* *Kodak meldet 120 Mio. $ Verlust, die sich aber rechnerisch nicht ergeben, hier kann es zu nachträglichen Verschiebungen in der Rechnungslegung gekommen sein.
Jan. – März 2009 1.477,0 -360,0 Kodak verdreifacht den Quartalsverlust
April – Juni 2009 1.766,0 -191,0 Kodak sitzt in der Verlustzone fest
Juli – Sept. 2009 1.781,0 -111,0 Kodak; ein Schatten vergangener Jahre
Okt. – Dez. 2009 2.582,0 430,0 Kodak-Patente mindern Kodak-Verluste
Gesamtjahr 2009 7.606,0 -232,0  
Jan. – März 2010 1.933,0 119,0 Kodak wieder mit Quartalsgewinn
April – Juni 2010 1.569,0 -167,0 Eastman Kodak – zurück in der Verlustzone
Juli-Sept. 2010 1.758,0 -43,0 Eastman Kodak: Millionen-Einnahme durch Lizenzgeschäft
Okt.-Dez. 2010 1.927,0 33,0 Eastman Kodak: Lizenzeinnahmen rückläufig – Digitalgeschäft schrumpft
Gesamtjahr 2010 7.187,0 -58,0  
Jan.-März 2011 1.322,0 -249,0 Kodak: Fehlendes Lizenzgeschäft rächt sich
April-Juni 2011 1.485,0 -179,0  

 
(agün)
 

Nachtrag (28.7.2011; 13:28 Uhr): Einen Satz in der Einleitung korrigiert. Die ursrpüngliche Fassung („Das amerikanische Traditionsunternehmen Eastman Kodak will 1.100 Digital-Patente zum Verkauf anbieten. Die Lizenzeinnahmen sollen die rettende Krücke zurück in die Gewinnzone sein:“) legte nahe, Kodak plane etwas, was so nicht möglich ist: Patente verkaufen und dennoch Lizenzgebühren damit zu erlösen. Entsprechend wurde im letzten Absatz ein „und die Verkaufserlöse der Patente“ eingefügt.