Foto: Daniel Day HuberGestandene Fotografen rümpfen oft nur die Nase über die Kameramodule der Fotohandys: Winz-Sensor, kein Autofokus, kein Zoom – damit kann man keinesfalls vernünftig fotografieren. Andere – auch gestandene Fotografen – zeigen, dass das sehr wohl sehr gut geht. Wir geben Tipps zum Fotografieren mit dem Fotohandy:

 
 
 
 
 

Foto: Daniel Day Huber

Gemalt oder fotografiert? Der Autofokus war im dichten Nebel hoffnungslos überfordert. Samsung Omnia HD

 
Die Fotosafari ohne schwere Kameratasche

Als Bildkünstler interessiert mich jedes Gerät, das in der Lage ist, ein Bild herzustellen – nicht nur Pinsel, Bleistift und Grafiktablett, sondern auch Fotokameras aller Art. Schon in grauer Vorzeit, als ich mein erstes Handy in Verwendung hatte, dachte ich mir, wie toll es wäre, direkt mit diesem elektronischen Immer-dabei-Gerät auch Fotos machen zu können. So gesehen ist klar, dass ich mich blitzartig auf das erste Kamerahandy gestürzt habe. Allerdings: so ganz nach meinem Wunsch war das Teil noch nicht. Es handelte sich nämlich um ein Handy mit aufsteckbarer Kamera von der damals noch aktiven Firma Siemens. Das Gerät machte Fotos in VGA-Auflösung, also ungefähr ein Drittel einer Million Pixel. Die Aufnahmen waren ziemlich unscharf und die Farbwiedergabe war alles andere als natürlich.

„Kitschig“ ist wohl die richtige Bezeichnung für diese Farben, von denen ich nicht einmal wusste, dass sie existieren. Aber im Laufe der Zeit bekam ich das Kamerahandy so gut in den Griff, dass mir tolle Aufnahmen mit intensiver Ausstrahlung gelungen sind.

Etwas später kaufte ich mir ein Motorola SLVR. Dieses Handy, jetzt mit eingebauter Kamera, machte Aufnahmen, die aussehen wie antike Postkarten. Vermutlich habe ich es wegen dieser Eigenschaft fein säuberlich aufbewahrt und nicht wie die späteren Geräte nach einiger Zeit wieder verkauft. Bis heute hatte ich mindestens 15 Kamerahandys im Gebrauch. Ich darf gar nicht daran denken, was mich dieses Hobby gekostet hat!
 

Foto: Daniel Day Huber

Nur 3 MP, aber doch sehr schöne Detailgenauigkeit. Samsung Galaxy Spica

 
Aber so konnte ich mittlerweile große Erfahrungen in diesem Bereich sammeln. Mit den Erfahrungen stiegen auch meine Ansprüche und ich wünschte mir Handykameras mit mehr Auflösung, mit Autofokus und Blitz. Auf den optischen Zoom warte ich bis heute vergebens. Zwar hatten Nokia und Samsung solche Geräte kurzzeitig im Programm, die Bildqualität war aber sehr niedrig. Dafür war der Preis sehr hoch, so dass ein Kauf keinen Sinn machte. Samsung hatte vor einem haben Jahr das W880 mit 12 Megapixeln und 3fach optischem Zoom angekündigt. Aber auch dieses Gerät wir es wohl nicht bis Europa schaffen.

Klar, über 90 % der Handyfotos werden aus Spaß gemacht oder landen bestenfalls in kleiner Auflösung im Internet. Dafür reicht auch eine Handykamera mit einfacher Ausstattung. Mich interessiert aber die Qualitätsfotografie.

Allerdings gibt es bei fast allen Handykameras einen aggressiven Bildfehler, von dem ich bis heute nicht genau weiß, was die Ursache dafür ist. Auch habe ich noch keinen aussagekräftigen Fachbegriff für dieses Phänomen gefunden. Deshalb bezeichne ich diesen Bildfehler in meinen Aufzeichnungen als „Magenta-Spot“. Gemeint ist der störende rote Kreis in der Mitte der Aufnahmen.
 

Foto: Daniel Day Huber

Links: Original Aufnahme mit Magenta-Spot. Rechts: Manuell im Bildbearbeitungsprogramm korrigierte Aufnahme. Nokia N71

 
Standardmäßig benötigen Handyfotos etwas mehr Nachbearbeitung als herkömmliche Digitalfotos. Der höhere Zeitaufwand lohnt sich aber auf jeden Fall. So erhält man Bilder, die man ohne Handy wohl nie geknipst hätte.

Das Angebot der Handy-Firmen

Die Handy-Firmen verfolgen bei der Kameratechnik unterschiedliche Philosophien. Manch Hersteller gibt sich große Mühe, dem Fotografierenden Bilder in guter Qualität zu ermöglichen. Andere wiederum haben den Fotografen noch nicht als Kunden für sich entdeckt.
 

Foto: Daniel Day Huber

Schärfe, Farbtreue und Dynamikumfang auf hohem Niveau; 12 Millionen Pixel und ein Carl-Zeiss-Objektiv. Nokia N8

 
Nokia: Derzeit liefert das Nokia N8 die beste Abbildungsleistung. Nicht nur die 12 Millionen Pixel sondern auch das Carl-Zeiss-Tessar-Objektiv mit der Lichtstärke 1:2.8 und der Brennweite 28 mm (entspr. Kleinbild) sind für das gute Ergebnis verantwortlich (tatsächliche Brennweite = ca. f=5,0 mm). Dank der 12 Megapixel ist auch der Einsatz des digitalen Zooms sinnvoll. Die mit Brennweite 56 mm (entspr. Kleinbild) digital-gezoomten Fotos entsprechen einer Auflösung von 6 MP. Das ist für die meisten Aufgaben ausreichend. Der Magenta-Spot ist nur bei homogenen Flächen wie Papier oder Hausfassaden sichtbar und muss deshalb nicht bei jeder Aufnahme manuell korrigiert werden. Unverständlich ist allerdings, dass Nokia derzeit Touchscreen-Handys in den Handel bringt, die zwar über eine 8-Megapixel-Kamera verfügen, aber keinen Autofokus haben. Da hat die Marketingabteilung den Rotstift am falschen Ort angesetzt. Bei Fixfokus-Kameras ist das Objektiv so fixiert, dass ein Bereich zwischen 1 und 5 Meter scharf abgebildet wird: Der Fotograf erhält somit unscharfe Landschafts- und Nahaufnahmen.

Apple: Vielen Dank an die Technikabteilung! Alle Freunde von Apple-Produkten können aufatmen. Das iPhone 4 besitzt eine hervorragende Kamera. Zwar stehen nur 5 Megapixel zur Verfügung, doch diese liefern ein sehr gutes Ergebnis. Die Aufnahmen zeigen etwas mehr Bildrauschen als andere Handyfotos, zeigen aber dafür sehr viele Bilddetails. Bei der Kamerasoftware wurde ein guter Kompromiss gefunden: Weil die Software das Bildrauschen nicht völlig wegrechnet, bleiben wertvolle Bilddetails erhalten.

HTC: Die Firma HTC mit ihren populären Smartphones legt keinen großen Wert auf den fotografierenden Handynutzer. Die eingebauten Kameras und die Kamerasoftware entsprechen nicht dem heutigen Stand der Technik. Aufgrund der Beschwerden von enttäuschten HTC-HD2-Besitzern musste die Firma ein entsprechendes Update für die Kamerasoftware entwickeln, das den aggressiven Magenta-Spot auf ein erträgliches Maß reduziert.
 

Foto: Daniel Day Huber

Die lange Verschlusszeit von einer 1/15 Sekunde lässt den Velorennfahrer vorbeirauschen und die Landschaft bleibt stehen. Samsung Galaxy Spica

 
Samsung: zeigt bei der Handykamera-Technik eine glückliche Hand. Alle Handykameras, angefangen bei den 3- bis zu den 12-MP-Kameras zeigen eine solide und brauchbare Qualität.

Sony Ericsson: Sofern die verbauten Kameras über Autofokus verfügen, ist die Qualität der Aufnahmen stets zufriedenstellend. Manchmal werden bei Sony Ericsson sogar Handys mit dem Cyber-Shot Schriftzug bestückt. Diese Kamerahandys bieten dann mehr Funktionen und eine gute Bildqualität. Mit den aktuellen Handys sind sogar Videos im HD-Format möglich.

Tipps für den täglichen Fotoeinsatz

Der Nutzen eines Kamerahandys liegt im wahrsten Wortsinn auf der Hand. Kein anderer Fotoapparat ist schneller griffbereit als die Kamera im Telefon. Immer dabei und immer einsatzbereit lautet das Motto. Das ist wohl der Grund, weshalb so viele Aufnahmen in meiner Sammlung mit diesen Kameras entstanden. Einige Einschränkungen gegenüber Kompaktkameras sind allerdings noch zu bemängeln. So fehlt bis heute der optische Zoom. Auch die Technik der Blitzgeräte ist nicht ganz auf dem Stand der Kompaktkameras. Aus Platz- und Energiegründen sind LED- und Xenon-Lampen im Telefon eingebaut. Diese müssen teilweise auch als Videoleuchte ihren Dienst tun. Aber eigentlich sind die Mini-Leuchten auch dafür zu schwach.
 

Foto: Daniel Day Huber

Nicht lange studiert, einfach fotografiert. Von mehreren Fotos war eines richtig belichtet und für die weitere Verarbeitung geeignet. Sony-Ericsson K750i

 
Die Bedienung der Kamera im Handy ist oft etwas gewöhnungsbedürftig. Nützlich beim ernsthaften Fotografieren ist das Speichern von Belichtungs- und Distanzeinstellung vor der Aufnahme. Belichtungs- und Autofokus-Speicherung (AE- / AF-Lock) sucht man oft vergebens, oder findet diese Funktion erst nach längerem Suchen. Das Samsung Galaxy Spica I5700 zum Beispiel besitzt einen Einstufen-Auslöser. Betätigt man diesen, wird die korrekte Distanz vorgewählt und bleibt solange gespeichert, bis man den Auslöser wieder loslässt. Genau dann wird auch die Aufnahme gemacht und abgespeichert. Es dauerte mehrere Tage, bis ich diese Funktionsweise entdeckt und begriffen hatte. In der Gebrauchsanleitung war davon nichts zu lesen.

Das iPhone 4 bietet eine andere Möglichkeit der Distanzeinstellung. Mit dem Touch-Fokus kann vor jeder Aufnahme der Autofokus und damit verknüpft auch die Belichtungseinstellung auf einen beliebigen Ort im Bild gesetzt werden. Diese Methode ist zum Beispiel bei Porträtaufnahmen wertvoll. Ich bevorzuge allerdings einen traditionellen Zweistufen-Auslöser, wie man ihn bei jeder Digitalkamera findet: Bei halb gedrücktem Auslöser werden Belichtung und Scharfstellung gespeichert und beim Durchdrücken des Auslösers wird das Foto gemacht.

Auch die (lange) Auslöseverzögerung kann zu verpassten Aufnahmen führen. Man muss also beim Fotografieren immer etwa 2 Sekunden voraus planen. Und bei Langzeitbelichtungen ist Improvisation gefragt. Weil kein Stativgewinde vorhanden ist, ist eine besonders ruhige Hand vorteilhaft.
 

Foto: Daniel Day Huber

Nächstes Mal mache ich mehrere Aufnahmen in Folge und setze diese anschließend zu einem Panorama zusammen. Samsung Omnia HD

 
Wenn Sie also in nächster Zeit den Kauf eines hochwertigen Fotohandys planen, dann lassen Sie sich ein funktionsfähiges Gerät zeigen. Die Bedienung des Handys und der Handykamera sollten für Sie einfach und logisch sein. Manche Anbieter zeigen nur leblose Dummys, was für den Kunden natürlich wenig Sinn macht. Um vor dem Kauf die Qualität der Kamera zu prüfen, gibt es im Internet zahlreiche kompetente Seiten, die sich auf Handytests spezialisiert haben. Nach dem Fotografieren sollten sie etwas Zeit ins Bearbeiten der Bilder am Computer investieren. So erhalten sie – auch mit einem Fotohandy – beeindruckende Aufnahmen.

Porträt von Daniel Day Huber

(Daniel Day Huber)
 
 
Nachbemerkung: Meine Bildbeispiele sollen die Möglichkeiten, aber auch die Schwierigkeiten und Hürden zeigen, mit denen man im täglichen Fotoeinsatz konfrontiert wird. Um den gewünschten Bildeffekt zu erzielen, habe ich die meisten meiner Fotos nachträglich im Bildbearbeitungsprogramm verbessert und gestaltet. Alle Aufnahmen enstanden mit Kamerahandys.
 
 
 

Foto: Daniel Day Huber

Ja, um die Wirkung der Farben zu steigern, habe ich auch dieses Foto in meinem Bildbearbeitungsprogramm entsprechend behandelt. Handyfotos brauchen immer deutlich mehr Nachbearbeitung als Fotos von Systemkameras. Sony Ericsson W900