Zu Berlin hat natürlich jeder eine Meinung. Wir auch. Wir finden: Berlin hat eine spannende Fotoszene, die in den vergangenen Monaten an dieser Stelle ein wenig zu kurz gekommen ist. Einfach, weil wir gerne an den Rändern nach Perlen wühlen – und nicht nur dort, wo ohnehin jeder hinschaut. Doch diesmal ist alles anders. Wir besuchen Ausstellungen in Berlin – gleich mehrere sogar:

Auf eine Fotoausstellung in Berlin aufmerksam zu machen ist gar nicht so einfach. Aus der Vielzahl an Angeboten auszuwählen, nicht eben leicht – Berlin hat sich in den vergangenen Jahren auch zur Fotohauptstadt entwickelt. Gerne schauen wir in die Provinz, doch diesmal soll eine Ausstellung in Berlin am Anfang stehen.
 

Foto Daniel Schwarz: Bam. Iran 1995

Bam. Iran 1995
© 1995 Daniel Schwartz / ProLitteris / VG Bild-Kunst, Bonn 2011
 
 
Foto Daniel Schwartz: Straßenkehrer. Kargil, Ladakh, Indien 2000

Straßenkehrer. Kargil, Ladakh, Indien 2000
© 2000 Daniel Schwartz / ProLitteris / VG Bild-Kunst, Bonn 2011

 
„Schnee in Samarkand – Ansichten aus dem Hinterland der Kriege“ versammelt bis zum 12. September im Gropiusbau Fotografien von Daniel Schwartz, die in Afghanistan und Zentralasien entstanden sind: in einer Krisenregion, die politisch heterogen und komplex ist. Und so sind auch die Bilder, die der 1955 geborene Schweizer Fotograf dort gefunden hat: Sie erzählen von der langen Geschichte und Kultur Zentralasiens, aber auch von Hunger, Flucht und Leid. um Fotografen sind Bücher im Verlag Thames & Hudson und bei Eichborn erschienen. (Siehe auch: Ansichten aus dem Hinterland der Kriege.)

Immer wieder haben wir auf das phantastische Werk von Sibylle Bergemann hingewiesen, deshalb diesmal in Kürze: Bis zum 4. September ist im Leonhardi-Museum in Dresden eine Ausstellung Bergemanns zu bewundern, jener großen Stimme in der Fotografie des 20. Jahrhunderts, über die Arno Fischer gesagt hat: „Wo sie hinsah, war Komposition.“
 

Foto Sibylle Bergemann, ohne Titel    Foto Sibylle Bergemann, ohne Titel

Sibylle Bergemann, ohne Titel
 
 
Foto Sibylle Bergemann, RambaZamba-Theatergruppe, Berlin, 1997    Foto Sibylle Bergemann, RambaZamba-Theatergruppe, Berlin, 1997

Sibylle Bergemann, RambaZamba-Theatergruppe, Berlin, 1997

 
Es ist die erste museale Einzelausstellung der Fotografin in Sachsen. Je ein Raum ist auch ihren Polaroids und der bisher unveröffentlichten Werkgruppe der „Fenster“ gewidmet. Zur Ausstellung erscheinen Bücher bei Hatje Cantz und in der edition braus. Matthias Flügge schreibt über die „Fenster“: „Sibylle Bergemanns Fenster sind wahrhaftig wie die Augen von Menschen, in denen sich ihre Geschichte und etwas von ihrer Seele spiegelt. Sie berichten von den lange anhaltenden Folgen des Krieges in deutschen Städten ebenso wie von Momenten höchster Privatheit, von Schmuckbedürfnissen und dem Hinnehmen von Verwahrlosung, von den Räumen der Natur in den Städten und von der Gesichtslosigkeit mancher Architektur. Die Bilder sind weit davon entfernt, kritisch oder gar anklagend sein zu wollen – aber sie sind sozial genau.“ Bis zum 4. September werden bei C/O Berlin ebenfalls Arbeiten von Sibylle Bergemann präsentiert.

Noch eine andere Ausstellung in Berlin ist uns aufgefallen. André Wagner zeigt „The Beauty of Time“ bis zum 9. Juli in der Galerie und Kunsthandel Rosendahl, Thöne & Westphal auf dem Kurfürstendamm. Waren es am Anfang seines Schaffens vor allem Urwälder, Urlandschaften, die ihn interessiert haben, Ur-Elemente wie Feuer, Wind, Wasser und Erde, so zeigt Wagner in seinen neuen Arbeiten nun die vom Menschen berührte Landschaft.
 

Foto André Wagner: „Two Characteristics“

André Wagner: „Two Characteristics“
dodeka-Print auf Hahnemühle – Aludibond, 2009, 108 x 138 cm, Edition 3

 
 
Foto André Wagner: „Moonwaves 3“

André Wagner: „Moonwaves 3“
dodeka-Print auf Hahnemühle – Aludibond, 2010, 108 x 147 cm, Edition 3

 
Auch diesen Bildern ist eine unheimliche Spannung eingeschrieben. Die Fotokunst von André Wagner ist doppelbödig, trägt surreale Züge, will, ganz im romantischen Sinn, die Grenzen zwischen Realität und Phantasie, zwischen Traum und Wirklichkeit überwinden. Dennoch liegt dem Künstler daran, zu betonen, dass er das Terrain des Authentischen niemals ganz verlassen will. „Meine Bilder vermitteln genau das, was Natur ist“, sagt er – und rückt dabei ganz nah an das Wesen der Dinge.

Und bleiben wir in Berlin. In der Alfred Ehrhardt Stiftung ist derzeit die Gruppenausstellung „Blumen – Zeitgenössische Fotografie“ zu sehen, die nicht nur Blumenfreunde, sondern vor allem Fotokunst-Kenner begeistern wird. Denn Kurator Matthias Harder breitet hier bis zum 2. Oktober Hochrangiges aus.
 

Foto Margriet Smulders: Bloody Roses, 2007

Margriet Smulders: Bloody Roses, 2007
Courtesy the artist und Galerie Jordanow, München

 
 
Foto Wilfried Bauer: Verblühte Sonnenblumen, Haseldorfer Marsch, 1992

Wilfried Bauer: Verblühte Sonnenblumen, Haseldorfer Marsch 1992
Courtesy Ute Schreiner, Hamburg

 
Zu sehen sind 18 Fotokünstler, welche das Thema von allen Seiten beleuchten: Jessica Backhaus, Wilfried Bauer, Andrea Baumgartl, Frauke Eigen, Amin El Dib, Stephan Erfurt, Fischli / Weiss, Thomas Florschuetz, Jean-Baptiste Huynh, Martin Klimas, Sofia Koukoulioti, Vera Mercer, Holger Niehaus, Christian Rothmann, Miron Schmückle, Luzia Simons, Margriet Smulders und Michael Wesely. Die begleitende Publikation ist bei Dumont erschienen. Am 18. September gibt es ein Künstlergespräch mit Luzia Simons und Michael Wesely. Der Eintritt ist frei. Um Voranmeldung wird gebeten.

Und noch eine Gruppenausstellung, deren Besuch lohnt. „Je suis belle – Inszenierte Fotografie aus der OSRAM COLLECTION“ versammelt bis zum 5. September in München unter anderem Arbeiten von Chantal Michel, Julia Kissina und Katja Eckert. Und wer schon in München ist, dem sei die Galerie f5,6 ans Herz gelegt, wo noch bis zum 9. Juli Arbeiten von Donata Wenders zu sehen sind: hintergründige, feinstoffliche Schwarzweißfotografien, deren Nähe zum Film schon die Ausbildung der Künstlerin erklärt. Donata Wenders studierte nicht Fotografie, sondern Kamera, Film und Theater in Berlin und Stuttgart.

Am Ende von Foto-Frisch steht wie immer eine Empfehlung, Fotokunst käuflich zu erwerben. Man kann in Onlinegalerien fündig werden, bei Fotokunst-Galerien, auf Kunstmessen, in Auktionshäusern, bei Kunsthändlern – oder auch in den Ateliers der Künstler selbst. Wir möchten Ihnen in Zukunft Arbeiten vorstellen, die wir für sammlungswürdig halten – angeboten von seriösen Galerien, Verlagen oder Händlern.
 

Foto Anna Lehmann-Brauns: Oma Kessler, 1999

Anna Lehmann-Brauns: Oma Kessler, 1999
C-Print aus limitierter 15er Auflage, rückseitig signiert und nummeriert
Stückpreis 250 € (Freunde, Förderer und Partner: 180 €)

 
Diesmal empfehlen wir eine vom Museum Kunst der Westküste in Alkersum auf Föhr anlässlich der Ausstellung „Innenwelten“ herausgegebene Edition der Berliner Fotokünstlerin Anna Lehmann-Brauns. Die „MKDW art edition“ stammt aus dem Jahr 1999: ein in einer Auflage von 15 Exemplaren erschienener Farbabzug. Signiert und nummeriert. Der Print kostet 250 Euro. Wer gerne mehr investieren möchte, der wird in der Frankfurter Galerie Greulich sicher fündig, wo Lehmann-Brauns aktuell mit neuen Arbeiten zu sehen ist.

Übrigens: Wir freuen uns immer über Anregungen in Sachen Fotokunst. Bitte an: redaktion@photoscala.de oder info@marcpeschke.de.

(Marc Peschke)
 

Nachtrag (11.7.2011): Abbildung der MKDW-Kunstedition (Anna Lehmann-Brauns: Oma Kessler, 1999) eingefügt.