FotoEs gibt manche hervorragende Foto-Bücher. Doch nur ganz selten blättert man durch ein Buch und erschaudert vor den Bildern. Nicht weniger als das gelingt dem in Kapstadt lebenden Fotografen Pieter Hugo in schöner Regelmäßigkeit. So wie jetzt wieder mit dem Band „Permanent Error“:

In seinem Band über die nigerianischen Hyänen-Männer zeigte er Schausteller und Wunderheiler, die bullige Tiere an imposanten Eisenketten durch die Straßen führen. In „Nollywood“ beschäftigte er sich mit der boomende Filmindustrie Nigerias. Sein neuer Band „Permanent Error“ hat nun eine riesige Elektro-Schrott-Halde in Ghana zum Thema.

Der südafrikanische Fotograf Pieter Hugo ist ein Künstler, der Bilder schafft, die weh tun. Wie auch in seinem neuen Fotobuch, das an ein Problem erinnert, das wir gerne verdrängen. Was passiert eigentlich mit unserem ganzen Elektroschrott? Mit dem Abfall der Industrie-Nationen? Er wird nach Afrika verschifft, wie etwa nach Ghana, wo Pieter Hugo diejenigen zeigt, denen der Technik-Müll noch etwas Geld einbringt.

Hugos Bilder verbreiten Endzeit-Stimmung. Wir sehen Menschen, die Festplatten und Elektronikteile entzünden, um wiederverwertbare Rohstoffe zu gewinnen, die in ihnen verborgen sind. Sie suchen nach Kupfer, Stahl, Aluminium und Blei, scharren dafür inmitten von Rauchschwaden, atmen giftige Dämpfe ein. Dazwischen haben sich einige Kühe verirrt, die inmitten dieses Szenarios nach Essbarem suchen.
 

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Agbogbloshie ist der Name jenes Ortes, an dem sich eine der größten Elektroschrottdeponien der Welt angesiedelt hat. Ganz in der Nähe der ghanaischen Hauptstadt Accra. „Die Mehrzahl der Computer, die in Europa und den USA weggeworfen werden, landen auf dieser Müllhalde“, sagte der 1976 in Südafrika geborene Pieter Hugo in einem Interview. „Es ist ein apokalyptischer Ort, die Kloake der westlichen Welt. Die Landschaft wirkt, mal abgesehen von den alten Computern, die überall herumliegen, mittelalterlich, wie aus einer anderen Ära.“

Es sind die Extreme, die Pieter Hugo stets anziehen, das Bizarre, die Kehrseiten des Lebens. Hugo zeigt Bilder der Armut, aber gleichzeitig auch den starken Überlebenswillen des Einzelnen. Viele der Bilder in „Permanent Error“ sind auf paradoxe Art schön, auch wenn Menschen in schwarzen Giftwolken stehen. Ein Albtraum, der – man glaubt es kaum – tatsächlich Realität ist. Denn das, was wir hier sehen, passiert täglich.

Tausende von Menschen, so heißt es, verdienen ihr Geld auf diesem Schrottplatz, indem sie Rohstoffe freilegen und diese an Schrotthändler weiterverkaufen. Sie schützen sich in keiner Weise vor den giftigen Materialien und Dämpfen der ausrangierten Rechner und Alt-Handys – weil sie sich solchen Schutz schlichtweg nicht leisten können.

Es ist unser Müll, der hier ausgeplündert wird. Müll einer Gesellschaft, in der ständiger Konsum, das eifrige Kaufen und Vernichten von Elektro-Geräten zum Pflichtprogramm des guten Bürgers gehört. Der ständige Jubel um die Weiterentwicklungen neuer, „smarter“ Technologien in der IT-Branche wird diese Kehrseite kaum verhüllen können: 500 Millionen Tonnen Elektro-Schrott fallen jährlich an. Der Umweltjournalist Mike Anane entdeckte in Agbogbloshie Geräte aus amerikanischen Schulen, von der holländischen Umweltschutzbehörde – oder aus dem britischen Verteidigungsministerium.

(Marc Peschke)

Titel Permanent Error

 
 
Pieter Hugo
Permanent Error (bei amazon.de)
112 Seiten. Gebunden
Prestel Verlag. München 2011
ISBN: 978-3-7913-4520-8
39,95 Euro