Foto vom Milestone XT720 von MotorolaNach Motorolas Comeback im letzten Jahr präsentiert die US-Traditionsmarke stets optisch etwas andere Smartphones. So wie das Milestone XT720, bei dem es eine 8-Megapixel-Kamera obendrein gibt, und das wir uns mal gründlicher angesehen haben:

Anno 2008 sah es um Motorola noch düster aus. Nachdem die Firma allein auf RAZR-Mobiltelefone und Marktanteile buchstäblich um jeden Preis setzte, wurde das US-Unternehmen, ausgelöst durch das iPhone, vom Smartphone-Hype förmlich überrollt. Letztes Jahr gelang Motorola jedoch wieder ein Comeback mit einer strengen Strategie: Alle Mobiltelefone präsentieren sich als hochwertige Smartphones mit Android-Betriebssystem und einer Optik, die sich stets etwas abseits der üblichen Konventionen bewegt.

(K)ein Plastikbomber

Beim Milestone XT720 fällt vor allem die kleine Auswölbung am unteren Gehäuse auf. Das ist nicht nur eine Designkapriole, sondern sorgt auch dafür, dass das XT720 in Kameramodus angenehm griffig in der Hand liegt. Für eine gute Haptik sorgt auch die sogenannte Softtouch-Oberfläche auf der Rückseite, die sich geradezu samtig anfühlt.

Foto vom Milestone XT720 von Motorola

Auch wenn das Milestone XT720 danach aussieht und es über 140 Gramm auf die Waage bringt: Metall wurde nicht verarbeitet. Dennoch ist es in punkto Verarbeitungsqualität von oberster Güte, da höchste Präzision geboten wird. Hinzukommt eine dicke Glasscheibe, die sich über die gesamte Frontseite erstreckt, da keine physische Tasten vorhanden sind. Das sieht durchaus edel aus, hat aber den Nachteil, dass das XT720 sehr empfindlich auf Sonnenlicht reagiert. Davon abgesehen ist der Touchscreen aber von sehr guter Qualität: 3,7 Zoll groß, 16,7 Millionen Farben (TrueColor) und dank 854×480 Pixeln hochauflösend – Willkommen in der Topliga!

Komfort-Allrounder

Für den offiziellen Verkaufspreis von 499 Euro darf man heutzutage das volle Komfortprogramm erwarten, und in dieser Disziplin enttäuscht das XT720 weitestgehend nicht. Dank W-LAN und HSPA ist flotter Datentransport unterwegs eine leichte Übung. Über den PC hat man außerdem Zugriff auf nahezu alle Daten und kann sie nach Belieben editieren. Eine Synchronisierung mit MS-Exchange-Servern sowie das Lesen von Office-Dokumenten unterstreichen seine Smartphone-Ansprüche. Und sollte dennoch etwas fehlen, findet sich in Googles Market mittlerweile mit Sicherheit die ein oder andere passende App. Unschön allerdings: Ein direkter Outlook-Abgleich ist auch mit diesem Android-Smartphone nicht möglich.

Im Bereich GPS-Navigation hat der Nutzer sogar die Qual der Wahl, denn mit Motonav und Google Maps Navigation stehen gleich zwei aktive Routenplaner zur Auswahl. Kostenlos ist allerdings nur die Google-Lösung, denn für das Kartenmaterial von Westeuropa sind bei Motonav immerhin 50 Euro fällig. Diese Investition ist aber nicht nötig, denn bereits die Beta-Version von Google überzeugt durch eine schnelle Positionsfindung und eine detaillierte Sprachführung, wenngleich die Dame den Charme eines Roboters versprüht.

Die eigentliche Stärke des XT720 ist der Multimedia-Sektor. Neben einem UKW-Radio und einem gut ausgestatteten Musikteil sticht vor allem die 8-Megapixel-Kamera mit Autofokus und Xenon-Blitz hervor. Die ist zwar leider nicht die flotteste, überzeugt aber auch bei widrigen Lichtverhältnissen durch eine gute Alltagstauglichkeit. So hält sich der kalte Blaustich bei Aufnahmen stark in Grenzen. Zumindest bei kleinen Formaten bieten die Schnappschüsse auch eine vernünftige Schärfe. Auf dem PC-Display offenbaren sich jedoch Unschärfen, sobald man die Fotos größer aufzieht – gegen eine Einsteiger-Digitalkamera hat somit auch dieses Mobiltelefon keine Chance. Hinzukommt, dass der Autofokus seinen Job nicht immer ordnungsgemäß leistet.

Dafür punktet das Smartphone aber durch einen HDMI-Ausgang und eine 8-GB-microSD-Karte. Ebenfalls sehr respektabel: Der Camcorder-Teil filmt Clips mit bis zu 720×480 Pixeln bei 24 Bildern pro Sekunde. Und das geschieht angenehm unkompliziert und ruckelfrei. Mit Hilfe eines Editors lassen sich die Clips anschließend sogar direkt auf dem Smartphone bearbeiten.

Foto vom Milestone XT720 von Motorola

Pures Android

Das Milestone XT720 ist das erste Motorola-Smartphone der neuen Generation, das ohne eine Volltastatur auskommt. Der große Touchscreen ist dafür eine prima Spielwiese, da die digitale Qwertz-Tastatur im Querformat angenehm geräumig ist. Eingaben erfordern dennoch höchste Konzentration, weil der Touchscreen sehr sensibel auf Berührungen reagiert. Gut daher, dass eine kluge Eingabehilfe dem Tipper in der Regel sinnvolle Wortvorschläge unterbreitet. Auch die insgesamt vier Sensortasten unterhalb des Displays reagieren etwas zu übereifrig, weswegen die automatische Tastensperre sehr wichtig ist, beispielsweise, um ungewollte Telefonate zu vermeiden.

Die Taktfrequenz des XT720 liegt – nach einem kürzlichen Firmware-Update – bei 720 MHz (vorher 550 MHz), was heutzutage ein durchschnittlicher Wert ist. Im täglichen Umgang aber funktionieren seit dem Update das kinetische Scrolling und die Multitouch-Eingaben (Zoom per Fingerspreizen) reibungslos.

Klangstark

Die hohen Multimedia-Ansprüche unterstreicht auch der hochwertige Lautsprecher, der selbst bei maximaler Lautstärke durch eine lebendige Klangkulisse überzeugt. Die Sprachqualität unterliegt hingegen starken Schwankungen. Nebengeräusche wurden zwar komplett eliminiert, doch nicht immer klingen die Stimmen klar und präsent, sondern manchmal recht blechern.

Nicht optimal ist auch die Akkuleistung. Während der Testphase pendelte sich die Rufbereitschaft bei gerade einmal drei Tagen ein. Nach heutigen Maßstäben eine recht mäßige Performance.

Beim Empfang präsentiert sich der Milestone im GSM-Betrieb etwas schwächer als im 3G-Frequenzband. Wer sich allerdings in Städten mit normaler Netzabdeckung aufhält, kriegt das ohnehin nicht mit.

Fazit

Motorola präsentiert sich seit dem Comeback als Anbieter von hochwertigen Smartphones für Individualisten. Auch das XT720 ist aus dieser Schule, positioniert sich aber im Gegensatz zum ersten Milestone-Modell als Multimedia-Gerät, mit dem man unterwegs ordentlich Spaß haben kann. Die Kamera ist zwar keine Wucht, setzt sich aber vom üblichen Kamerahandy-Brei qualitativ deutlich ab.

(Ulf Schneider)
 
 
Eckdaten:

Preis: ca. 499 Euro
Maße: 11,6 x 6,3 x 1,2 cm
Gewicht: 140 Gramm

Ausstattungsmerkmale
– 256 MB Speicher plus microSD-Karte 8 GB
– TFT-Touchscreen: 854×480 Pixel, 16,7 Millionen Farben, 4,6×8,2 cm
– Netze: Quadband/UMTS/HSPA/EDGE
– Betriebssystem: Android 2.1
– Prozessor: 550 MHz / 720 MHz nach Firmware-Update
– Digitalkamera Auflösung max. 3.264 Pixel x 2.448 Pixel
– Videokamera Auflösung max. 720 x 480 Pixel
– GPS-Empfänger & Motonav/ Google Maps Navigation
– Stereo-Bluetooth
– W-LAN