Liebe Kamerahersteller: Ihr baut zwar tolle Kameras mit immer mehr – auch sehr sinnvoller – Technik, doch bei der Blitztechnik schwächeln viele von euch. Wir hätten da ein paar Wünsche und Anregungen:

Für technikbegeisterte Kamerabesitzer ist das Jahr 2010 durch und durch ein interessantes Jahr. Gerade in der Sensortechnik hat sich in letzter Zeit Einiges getan; viele der bereits angekündigten Neuheiten verfügen über Bildsensoren mit effektiverer Lichtausbeute (Stichwort: Back-Side-Illumination- oder kurz BSI-Architektur), die selbst bei wenig Licht bzw. bei höheren Empfindlichkeitseinstellungen rauschfreiere Bilder versprechen. Quasi ergänzend dazu werden die Rauschunterdrückungsalgorithmen durch neue rechenstärkere Prozessoren mit jeder neuen Kamerageneration ein gutes Stück leistungsfähiger. Rauscharme oder gar -freie Bilder im bisher kritischen Bereich zwischen ISO 800 und ISO 3.200 sind kein frommer Wunsch mehr – bei den digitalen Spiegelreflexkameras mit ihren verhältnismäßig großen Sensoren stößt man sogar in bisher ungeahnte Empfindlichkeitsbereiche vor (bis zu ISO 102.400).

Wenn die Hersteller die gemachten Fortschritte nicht gleich dazu missbrauchen, um auf der anderen Seite im „Megapixelwahn“ die Auflösung ihrer Kameras nach oben zu treiben, gewinnt die Bildqualität spürbar! Und wenn man dann noch die Elektronik mit einer besonders lichtstarken Optik kombiniert, eröffnen sich sowohl den Freizeit- als auch den Profifotografen völlig neue kreative Gestaltungsmöglichkeiten in der Available-Light-Fotografie.

Die Fotografie bei vorhandenem Licht ist ein spannendes Thema. Endlich kann man selbst bei schwächstem Licht bzw. spärlichster Beleuchtung die natürliche Stimmung einfangen – ohne auf den als Stimmungstöter verschrieenen Blitz zurückgreifen zu müssen. In manchen Situationen kann man sogar auf ein Stativ verzichten und ganz bequem Freihand arbeiten. Und vor allem: Ohne Stativ und ohne Blitz lässt sich besonders diskret arbeiten! Hierbei helfen auch die immer effektiveren Bildstabilisierungssysteme.

Machen die Kameras also ständig Fortschritte in Sachen Low-Light-Tauglichkeit, muss man feststellen, dass die Entwicklung der Blitztechnik nur ganz langsam voranschreitet oder gar stagniert. In manchen Fällen ist sogar eine rückwärtige Entwicklung zu vermerken: Bridgekameras, die gestern noch mit einem Blitzschuh ausgestattet waren, weisen beim Nachfolgemodell plötzlich keinen mehr auf; bei den Kompaktkameras geht der Trend hin zu immer kleineren und leistungsschwächeren Bordblitzen. Und obwohl TTL-Blitzsysteme seit über zwei Jahrzehnten existieren, gibt es immer noch einige Hersteller (wie z. B. Fujifilm bei seinen Bridgekameras, Ricoh bei etlichen GX-Modellen, bis vor Kurzem auch Kodak bei seinen Bridgekameras), deren Kameras am Blitzschuh nur einen simplen Mittenkontakt vorzuweisen haben, so dass man beim Blitzen die Belichtung weitestgehend manuell einstellen muss. Wo ist da die Einsteigerfreundlichkeit, welche die Hersteller bei ihren Kameras immer anpreisen?

Seitdem sich die Elektronik um die Aufhellung von Schatten kümmert, glauben viele Hersteller, die Aufhellblitz-Funktion der eingebauten Miniaturblitze verkommen lassen zu dürfen. Ganz abgesehen von der Präzision der Blitzbelichtungmessung, die selbst bei so manch digitaler Spiegelreflexkamera mehr oder weniger stark zu wünschen übrig lässt.

Nur in einem Bereich hat die Blitztechnik wirkliche Fortschritte gemacht – wenn auch nur indirekt: Die von Generationen von Fotografen gefürchteten roten Augen sind kein wirkliches Problem mehr. Die treten zwar i beim Blitzen immer noch auf, werden aber gleich im nächsten Augenblick – dank hochmoderner Gesichtserkennungsfunktionen – noch in der Kamera in den Fotos aufgespürt und elektronisch wegretuschiert. Das sorgt nicht nur für schönere Bilder, sondern auch für mehr Gestaltungsfreiheit beim Kameradesign. Schließlich kann jetzt der eingebaute Miniaturblitz näher ans Objektiv rücken; die Nähe zur optischen Achse begünstigt zwar das Rotaugen-Phänomen, aber die Elektronik wird dem „Dämonenblick“ schon den Garaus machen. Und weil Blitz und Optik quasi in einer Achse liegen, kommt es auch weniger zu unschönen Schlagschatten.

Jetzt mögen sich manche Leser fragen, warum man die Blitztechnik überhaupt noch weiter entwickeln sollte. Bei Kompaktkameras möge der eingebaute Miniaturblitz wegen der relativ lichtschwachen Optiken noch seine Daseinsberechtigung haben, aber bei Fortgeschrittenen-Kameras bräuchte man wegen der guten Low-Light-Fähigkeiten doch kaum noch zu blitzen.

Nun, das stimmt nur so lange, wie das natürliche Licht eine stimmungsvolle Atmosphäre erzeugt. Das ist aber beileibe nicht immer der Fall. Nicht selten fällt das Licht eher ungünstig; Licht und Schatten sind so verteilt, dass es der Stimmung, die das Bild vermitteln sollte, eher abträglich ist. Und da kommt eine der wichtigsten fotografischen Lehren mit ins Spiel: die gekonnte Lichtführung! Da, wo das vorhandene Licht (sei es natürliches Licht oder Kunstlicht) das Motiv nicht so richtig zur Geltung bringt, muss man halt das Motiv richtig ins Licht setzen. Wenn das Hauptmotiv beweglich ist, kann man dessen Position so verändern, dass das Licht günstiger fällt. Und mit Reflektoren sowie mit Abschattern (im Fachjargon auch unter der politisch wenig korrekten Bezeichnung „Neger“ bekannt) kann man das Licht schon z. T. in die gewünschte Bahn lenken. Doch mitunter kommt man eben doch nicht darum herum, die Szene mit eigenen – idealerweise ausrichtbaren – Lichtquellen nach seinen ganz individuellen Vorstellungen auszuleuchten. Das betrifft nicht nur die Studiofotografie, wo die Arbeit mit leistungsstarken Studioblitzanlagen und ihrem vielseitig einsetzbarem Zubehör (Reflektorschirme, Softboxen, Wabenfilter, Striplights, Barndoors etc.) eine Selbstverständlichkeit ist; auch in der Reportagefotografie und zahlreichen anderen fotografischen Einsatzgebieten will kaum jemand auf die kreativen Gestaltungsmöglichkeiten eines leistungsfähigen Blitzsystems verzichten.

Dazu muss man nicht gleich auf ein komplettes Studioblitzsystem oder auf spezielle Reportage-Gerätschaften à la Lumedyne, Norman oder Quantum zurückgreifen. Für viele Alltagsbilder würde schon eine frontale Lichtquelle wie die eines eingebauten Miniaturblitzgerätes ausreichen – wenn nur die Kamera das Blitzlicht stimmungsvoll dosieren würde. Doch bereits hier hapert es bei vielen Herstellern. Während die Kameras der Marktführer Canon und Nikon (mit E-TTL-II- bzw. iTTL-Technologie) selbst in den schwierigsten Situationen sehr stimmungsvolle Blitzbilder mit nahezu perfekter Abstimmung zwischen Blitzlicht und Umgebungslicht liefern, wird dieser Grad der Perfektion selbst von ähnlich renommierten Kameraherstellern wie Fujifilm, Olympus, Panasonic, Pentax oder Sony nicht erreicht. Deren Blitzbilder sind zwar schon ganz ordentlich und nicht selten sogar einwandfrei, aber vor allem in der Regelmäßigkeit lässt die Präzision der Blitzbelichtungsmessung und -steuerung bei diesen Herstellern mehr oder weniger stark zu wünschen übrig. Und während bei der Rauschunterdrückung die Fortschritte von einer Kamerageneration zur nächsten zunehmen, werden die Blitzsysteme bestenfalls alle drei bis fünf Jahre überarbeitet!

Vor allem bei den Kompaktkameras scheinen viele Hersteller zu glauben, dass gute Low-Light-Fähigkeiten ein performantes Blitzsystem überflüssig machen. So findet man zwar im oberen Preis-/Leistungsbereich Kameras mit BSI-Sensoren, halbwegs lichtstarken Objektiven, manuellen Einstellmöglichkeiten und noch viele anderen Features (RAW-Format, Belichtungsreihenfunktion, Panorama-Automatik, eingebaute GPS-Einheit, etc.), die sie auch für fortgeschrittenere und anspruchsvollere Fotografennaturen interessant machen, aber der Besitzer solcher Kameras soll sich mit einem eingebauten Miniaturblitz begnügen, der gerade mal soviel Power hat, dass man im unteren Empfindlichkeitsbereich nur auf extrem kurze Distanzen (1,2 bis maximal 2 m) blitzen kann, der so nah ans Objektiv gebaut ist, dass ein Teil des Blitzlichtes vom Objektivtubus abgeschattet wird, und der in einigen Fällen so schlecht abgestimmt ist, dass die Blitzbilder einfach nur grauenhaft aussehen (überblitztes Hauptmotiv, schwarz absaufender Hintergrund, zu punktuelle Ausleuchtung, usw.).

Liebe Kamerahersteller: Ihr baut zwar tolle Kameras, die man wegen ihrer ausgeprägten Kompaktheit auch immer mit dabei haben kann. Aber wenn ihr aus Platzgründen immer kleinere Bordblitze in eure Kameras einbaut (bei der Olympus E-P1 und EP-2 wurde dieser sogar ganz wegrationalisiert) und / oder auf einen Blitzschuh verzichtet, dann sorgt wenigstens dafür, dass das eingebaute oder aufsteckbare Blitzgerät ein stimmungsvolles Verhältnis zwischen Blitzlicht und Umgebungslicht aufrecht erhält. Und dass man bei Bedarf auch leistungsstärkere Blitzgeräte im Raum aufstellen kann, die vollautomatisch (d. h. im drahtlosen TTL-Betrieb) angesteuert werden können. Auf diese Weise gebt ihr fortgeschrittenen Benutzern die Möglichkeit, die Limitierungen des Bordblitzes ihrer Kamera elegant zu umgehen und ihrer Kreativität auch dann freien Lauf zu lassen, wenn das Licht gezielt geführt werden soll.

Denn die Available-Light-Fotografie bzw. die Low-Light-Fähigkeiten einer Kamera sind nicht die Universalantwort auf alle Aufnahmesituationen; zu einer leistungsfähigen Elektronik und einer ausgezeichneten Optik sollte sich auch eine fortschrittliche Blitztechnik gesellen!

(Jürgen M. Beckmesser)