Foto der S2 von LeicaMit der S2 hat Leica nach Jahrzehnten des Kleinbildformats eine Spiegelreflexkamera fürs digitale Mittelformat auf den Markt gebracht. Nachdem das Solmser Unternehmen mit der M9 schon im Kleinbild zeigen konnte, dass man die Digitaltechnik mittlerweile sehr gut im Griff hat, ist umso spannender, was Leica dem digitalen Mittelformat beschert. Wir haben uns die Kamera samt zwei Objektiven ganz genau angesehen:

Objekt der Begierde und des Tests waren eine Leica S2 samt Standardobjektiv Summarit-S 2,5/70 mm Asph. und Teleobjektiv Apo Elmar-S 3,5/180 mm. Die S2 hat einen 30×45 mm großen Sensor mit 37,5 Mio. Pixeln, der laut Literatur von Kodak stammt. Der Formatfaktor gegenüber Kleinbild liegt damit bei rund 1,25. Die Fotos werden im DNG- und / oder JPEG-Format gespeichert, die ISO-Einstellung reicht von ISO (80/20°) 160/23° bis 1250/29°. Das Gehäuse kostet ab 18.600 Euro, in der uns zur Verfügung gestellten Version S2-P mit Saphirglas (und Premiumservice) werden 22.200 Euro fällig; die Objektive kosten ab 3.600 Euro das Stück (mehr hier: Leica S2: Preise und Termine).

Foto der S2 von Leica von oben

Die Handhabung und die Elemente der Kamera

Vorerst einige subjektive Kommentare zur Handhabung der S2. Die Kamera liegt sehr gut in der Hand, ist nur unwesentlich größer als Nikons D3x (Test siehe: Im Test: Nikon D3x) und auch nicht wesentlich schwerer. Die Bedienung ist einfach und logisch aufgebaut und nach wenigen Minuten hat man sich mit den wenigen großen schwarzen Tasten für die diversen Menüfunktionen an der Kamerarückseite vertraut gemacht. Es ist ein Photoapparat und keine Bildaufnahmemaschine – das ist sicher ein markanter Unterschied etwa zur Hasselblad H4D, einer Bildaufnahmemaschine, die für Dauerbetrieb ausgelegt ist – deren Aufbau und Konzept ist darauf abgestimmt. Die S2 wiederum ist eine sehr elegante, fast unauffällige, einfache und schlichte Kamera, die Hochleistungen bringt, mit der man unauffällig arbeiten kann – der Verschluss allein schon ist ein akustisches Gedicht – leise, weich und extrem erschütterungsarm.

Die Anzeigen der S2 sind minimalistisch im Vergleich zu manch anderen eher überladenen Infopanels, aber alle wichtigen Informationen sind auf Knopfdruck verfügbar – sehr angenehm und leicht lesbar. Ich kann ohne die vielen unnötigen Menüoptionen arbeiten – was für eine Erleichterung, mich nicht durch drei oder mehr Ebenen von Menüs durcharbeiten zu müssen!

Der Objektivwechsel geht sehr schnell, das Bajonett ist groß, exakt und feingängig, die manuelle Entfernungseinstellung, die jederzeit korrigierend in den Autofokus eingreifen darf, funktioniert sehr gut; alles läuft seidenweich ab.

Der Li-Ionen-Akku der S2 ist rechts im handgriffartig ausgebildeten Gehäuseabteil untergebracht und hat eine sehr gute Laufzeit. Etwas gewöhnungsbedürftig ist die Ladekontrolle am Ladegerät – es gibt eine klare 80% Ladungsanzeige, aber keine eigene 100-%-Anzeige: Das Lade-blinken verändert sich bei 100 %. Das ist keine Tragödie, aber eine 100-%-Anzeige wäre doch recht schön.

Da es in Wien an den meisten Tagen, an denen ich die S2 hatte, sehr kalt war, habe ich notgedrungen ausprobiert, wie man die Kamera mit dicken Winterhandschuhen bedienen kann: die S2 kann man bis auf den Einschalter sehr gut auch mit dicken Winterhandschuhen bedienen – alle Funktionen lassen sich einfach und gut anwählen und einstellen.

Die S2 hat einen recht guten 3-Zoll-Monitor, der bei der Test-Kamera von einer kratzfesten Saphirglasscheibe abgedeckt wird und der eine Auflösung von 420.000 Pixeln hat.

Der Sucher ist ein optisches Gedicht: aufgeräumt, sehr hell und sehr klar! Das Sucherbild stellt etwa 96-97 % des Aufnahmeformates dar, die Mattscheibe ist austauschbar.
 

Foto des S-Systems von Leica

So stellt sich Leica das S2-System vor; lieferbar sind derzeit aber nur vier Objektive.

 
Die Objektive der S2 sind normalerweise mit dem Schlitzverschluss der Kamera zu verwenden, es gibt aber auch (oder wird geben) Zentralverschlussobjektive. Hier wird Leica sicher nachbessern wollen und müssen, denn mit z.Z. nur 4 Objektiven und recht eingeschränktem Brennweitenprogramm ist es schwer, die wichtigsten Anwendungsbereiche abzudecken. Vor allem fehlen ein weiteres Weitwinkelobjektiv (35 mm sind zu wenig, ein 24 mm ist angekündigt, wann es kommt, das wurde noch nicht publiziert) und ein Teleobjektiv mit längerer Brennweite im Programm. Hasselblads HCD 28-mm- und 300-mm-Objektive, und die Möglichkeit, praktisch alle neueren Hasselblad-Objektive mit dem CF-Objektivadapter zu verwenden, sind da sicher eine attraktive Alternative des Mitbewerbers um diesen Markt.

Foto der S2 von Leica

Die Speicherung der Aufnahmen kann bei der S2 in drei Farbräumen erfolgen – nicht nur die üblichen sRGB und Adobe-RGB, sondern auch noch in ECI-RGB, was eine Besonderheit darstellt.

Zur Speicherung wartet die S2 mit zwei verschiedenen Slots auf: – einen für CF-Karten und einen für SD-Chips; wahlweise sequenziell oder parallel. Das finde ich einfach hervorragend gedacht (wie bei der D3-Serie von Nikon). Es empfiehlt sich generell, bei Speichermedien nicht nur schnelle Medien zu verwenden, sondern auch mit mindestens 8 GB, besser 16 GB, auf Fototour zu gehen: die DNG-Dateien der S2 sind 72,5 MB groß.

Gespeichert werden die Dateien im RAW-Format DNG, und dieses Format kann mit vielen Programmen korrekt geöffnet werden – es ist daher bei der S2 kein eigenes Spezialprogramm für den Import der Dateien notwendig. Das kann ein attraktiver Vorteil sein, muss es aber nicht. Bei Hasselblad etwa sollten die RAW-Daten mit dem spezifischen Programm Phocus importiert und bearbeitet werden (das ist gar ein Muss, sofern man die Hasselblad’sche DAC= Digitale Auto Correction verwenden will), bevor man sie in einem anderen gängigeren Format abspeichert. Der Hauptgrund liegt in der Philosophie der HD-Serie, wonach nur eine Kombination aus Optik und Software die optimale Bildqualität liefert. (Ich habe Dateien direkt von der CF-Karte der H3DII-39 geladen und dann die Bildqualität der Kombination H3DII-39 + Optik angesehen – die ist eher bescheiden, verglichen mit dem Resultat, das man bei Verwendung der Phocus-Software erhält.)

Foto der Rückseite der S2

Die RAW-Dateien der S2 im DNG-Format zeigen die optische Perfektion der Objektive – das ist sehr attraktiv und beeindruckend, bedeutet aber deutlich mehr Korrektionsaufwand bei der Berechnung der Optiken, was sich sicher im Preis der Optiken niederschlägt. Aber es sind beide Wege legitim, der eine zeigt deutlich die herausragende optische Qualität und der andere basiert auf einer Kombination von Optik und Software. Das ist auch nicht mehr ungewöhnlich, denken wir nur an das Programm von DxO, das die optischen Ungereimtheiten und Fehler der meisten Hersteller verbessert oder auch zum großen Teil eliminiert. Canon und Nikon bieten ja auch ähnliche Programme für ihre Kameras und Optiken an, und nur mit diesen zusammen kann man dann in den meisten Fällen die optimale Qualität der Aufnahmen erzielen.

Test-Prozedere

Ich werde nicht im Einzelnen auf die technischen Details der Kamera eingehen, die kann man bestens hier nachlesen, sondern mich fast ausschließlich auf die Bildqualität beschränken. Als Testcharts dienten mir die üblichen Muster aus Punkten, Strichen, Linien und Feldern, mit denen die Auswertungen hinsichtlich Farbwiedergabe, Farbaberrationen, Verzeichnung, Lichtabfall und Auflösung errechnet werden. Die Programme Imatest und DxO Image Analyzer sind Standardprogramme für die professionelle Auswertung von Abbildungsqualität und so wurden auch hier wieder beide Programme von mir verwendet, um die Kombinationen von Kamera(sensor) und Optik zu bewerten.

Den Image Analyzer könnte man als den Rolls-Royce der Auswertungsprogramme bezeichnen: sehr umfangreich und sehr informativ, wenn man die erhaltenen Informationen richtig interpretiert. Dieses Programm verwende ich primär für den Unterricht, um die verschiedenen Kamera-Objektiv-Kombinationen und deren Leistungsgrenzen zu zeigen, bzw. um die Studenten und Studentinnen diese Grenzen ausmessen zu lassen.

Alle Aufnahmen sind im RAW-Format gemacht. Die Mess-Aufnahmen öffne ich dann mit Photoshop Lightroom 2.6 und konvertiere die DNGs nach TIFF oder JPEG (für DxO). Bildmotive öffne ich in Photoshop CS4 mit dem integriertem ACR 5.6 und konvertiere von DNG nach TIFF, um sie zu bearbeiten. Soweit nicht anders angegeben, immer, ohne irgendwelche Veränderungen.

Die hier gezeigten Aufnahmen allerdings sind (deutlich) runterskaliert, zum Teil leicht geschärft und Web-optimiert – also mit möglichst kleiner Dateigröße bei noch aktzeptabler Qualität – gespeichert. Sie stehen also keinesfalls für die absolute Qualität der Kamera bzw. der Fotos, sondern sollen bestimmte Aspekte anschaulich machen.

Die Messungen und die Ergebnisse

Vorerst die Farbdarstellung und die Farbgüte. Der GMB ColorChecker in der 24-Felder-Variante wurde bei kontrolliertem Licht (5000K) aufgenommen. Der Weißabgleich wurde in der Kamera jeweils an der mittleren Graustufe der im ColorChecker vorhandenen Graufelder vorgenommen. Das Programm Imatest hat dann die RAW-Dateien geladen, in TIFF umgewandelt und ausgewertet.
 

Grafik: Georg N. Nyman

Farborte der S2 mit sRGB als Farbraum

Wie man sehen kann, sind viele Farben sehr gut bis gut wiedergegeben, nur in den Grünblautönen weicht der Farbort der Kamera ein wenig mehr von den Orten der Testtafel ab. Gleichfalls zu erkennen ist, was bei sehr vielen Kameras zu beobachten ist: viele Farborte in dieser Darstellung werden gegen den Uhrzeigersinn gedreht reproduziert. Die graue Linie, die im Farbraum zu sehen ist, stellt den Farbraum von sRGB dar, das Gamut.

 
Die nächste Darstellung zeigt die Farbortfehler und die Grauwertfehler. Ich habe die Kamera manuell auf das 3. Graufeld von links abgeglichen, um eine gute Ausgangsbasis für die Farben zu haben:
 

Grafik: Georg N. Nyman

Farbortfehler und Graufehler in übersteigerter Darstellung. Die Abweichungen der Graufelder sind sehr gering und besser als bei vielen anderen High-End Kameras.

 
Eine ideale Kamera mit idealen Kennlinien (die gibt es noch nicht) zeigte nach erfolgter Weißbalance-Einstellung keine Abweichung in den Graufeldern. Um mögliche Fehler etwas deutlicher zu erkennen, ist die Aufnahme auch etwas geringer als der Sollwert belichtet worden.

Die folgende Darstellungen zeigt die Dichtewiedergabe und das Rauschen an Hand des Graukeils, der die unterste Reihe des Color Checkers darstellt:
 

Grafik: Georg N. Nyman
 
 
Grafik: Georg N. Nyman

Dichtewiedergabe und Rauschen

Was mich hier beeindruckt hat, ist das sehr homogene Rauschverhalten der Kamera. Die einzelnen Farbkanäle liegen sehr schön parallel (Diagramm unten, links unten) und die Dichtewiedergabe ist auch recht ordentlich – das sollte man bei einer so hochpreisigen Kamera aber auch erwarten können.

 
Die Bildqualität in Messwerten

Zum Test hatte ich, wie eingangs erwähnt, zwei Objektive für die Leica S2: das . Standardobjektiv Summarit-S 2,5/70 mm Asph. und das Apo Elmar-S 3,5/180 mm als Portrait-Tele. Die Verzeichnung bei einem normalbrennweitigen Objektiv oder einem Portrait-Tele zu messen, das macht nicht viel Sinn, da erfahrungsgemäß bei diesen Objektiven Verzeichnung kaum ein Problem darstellt. Interessanter wird es, wenn man den Farbquerfehler misst: der ist sehr wohl auch bei einer „Normalbrennweite“ gut darstellbar; sofern vorhanden. Der Farbquerfehler äußert sich auf Aufnahmen in unsymmetrisch farbigen Rändern, die, je mehr man an den Bildrand geht, stärker werden und die durch Abblenden deutlich verringert werden können.

Im Programm Imatest kann man den Farbquerfehler als „Farbfläche“ einer Weiß-Schwarzkante darstellen. Wenn man so eine Kante auswertet, so ergibt sich bei komplett farbfehlerfreier Darstellung praktisch keine messbare Fläche als Differenz der einzelnen Farbkanäle R, G und B. Liegt ein Farbquerfehler vor, so kann man aus den einzelnen Anstiegskurven eine Fläche errechnen und diese in Pixel dimensionieren. Je kleiner der Wert, desto besser die Farbdarstellung einer schwarz-weißen Kante. Im Modul für die Berechnung von MTF (Modulationstransferfunktion) gibt es eine solche Darstellung und hier sind die entsprechenden Ergebnisse:
 

Grafik: Georg N. Nyman

Leica S2 mit Summarit-S 2,5/70 mm Asph. bei Blende 2,8; Feld in der linken oberen Ecke. Man kann hier deutlich die verschiedenen Anstiegskurven des roten,blauen und grünen Kanals erkennen und die daraus resultierende Farbaberrationsfläche errechnen.

 
Mit dem 70-mm-Objektiv gab es gleich die erste Überraschung: Die S2 zeigt bei offener Blende trotz asphärischer Linsen einen messbaren Farbquerfehler: die asphärischen Linsen korrigieren offenbar nur zu geringem Teil chromatische Fehler und eher sphärische Aberration und verwandte nicht-chromatische Fehler, die auf der Abbildung durch sphärische Flächen beruhen. Das Messfeld befand sich am linken oberen Rand des Bildfeldes – also in einer ziemlich extremen Position, die aber bei einem asphärisch korrigierten Objektiv durchaus noch tadellos sein könnte.

Blendet man auf 8 ab, so reduziert sich dieser Fehler deutlich:
 

Grafik: Georg N. Nyman

S2 mit Summarit-S 2,5/70 mm Asph. bei Blende 8. Gut erkennbar ist hier der Ort der Probe: die Grenze der beiden Schachbrettfelder im Bildfeld ganz links oben (rot markiert).

 
In der Mitte, wo man normalerweise diese Messungen vornimmt (vor allem, um zu beeindrucken), sieht es anders aus – hier bei offener Blende in der Mitte:
 

Grafik: Georg N. Nyman

Leica S2 mit Summarit-S 2,5/70 mm Asph. bei Blende 2,8.

 
Eine weitere Möglichkeit, die der bereits erwähnte DxO Image Analyzer bietet, ist die Auswertung von Testcharts (ein Punkteraster) hinsichtlich chromatischer Queraberration und Verzeichnung, bewirkt die chromatische Aberration doch auch, dass Details mit Farbsäumen umgeben sind – und zwar so, dass an der der Bildmitte zugewandten Seite eine andere Farbe als Saum zu sehen ist, als an der der Bildmitte abgewandten Seite. Dies kann man besonders gut bei schwarzen Details sehen – daher ist ein Punkteraster – schwarze Punkte auf weißem Grund – ein sehr gutes Target für diese Auswertung. Der DxO Image Analyzer berechnet aus einer Aufnahme des Targets dann nicht nur die Verzeichnung, sondern auch andere informative Werte, sowie die chromatische Queraberration.

Hier also die Ergebnisse, wie sie der DxO Image Analyzer für das Apo Elmar-S 3,5/180 mm bei Blende 3,5 liefert:
 

Grafik: Georg N. Nyman

Die Darstellung zeigt die laterale chromatische Aberration in der Dimension der Pixelabweichung; mithin stellt die rote Farbe eine Ortsabweichung von 0,6 Pixeln vom Soll-Ort dar: eine wirklich sehr geringe Abweichung für eine Blende 3,5. Allerdings erkennt man auch eine leichte Dezentrierung der Elemente – sehr wenig, aber gut sichtbar. Ein absolut perfekt zentriertes Objektiv würde ein rotationssymmetrisch gleiches Bild um die Mitte herum ergeben.
 
 
Grafik: Georg N. Nyman

Diese Darstellung zeigt die Streubreite der lateralen chromatischen Aberration bei offener Blende von der Bildmitte bis zu den Ecken – vom roten und vom blauen Kanal in Bezug auf grün. Wie man sehen kann, deckt sich der rote Maximalwert mit dem Wert der vorher gezeigten Ansicht.

 
Wenn man das Objektiv abblendet, so ändert sich das Bild nur unwesentlich. Für mich ein Zeichen, dass die optischen Elemente des Objektivs im Verhältnis zum Bajonett nicht genau zentrisch sitzen. Wobei nicht zu vergessen ist: hier zeigt sich ein Unterschied, der in einigen Mikron dimensioniert ist, also in einigen 1/1000-mm-Dimensionen!

Und wie steht es mit der Auflösung? Hier gibt es verschiedene Möglichkeiten und daher auch viele Interpretationen der Ergebnisse. Ich vergleiche wiederum die Ergebnisse im Imatest-Programm, auch wenn diese allein noch keine quantitative Aussage ergeben – aber man kann gut Objektiv-Kamera-Kombinationen bei möglichst gleichen Bedingungen gegenüberstellen.

Hier die S2 mit dem 70-mm-Objektiv und dem gleichen Target: die schiefe Kante, das Messfeld nahe bei der Mitte. Um die finale Qualität zu erhalten, ist es notwendig, für die Darstellung der MTF auf die richtige Schärfung der Aufnahme zu achten – wenn man überschärft, so bekommt man Artefakte, wenn man aber deutlich unterschärft, so erscheint das Bild weich und suggeriert fehlende Schärfe. Ich habe das etwas flaue Ergebnis bei Blende 2,5 ein wenig optimieren müssen, um die Abbildungsleistung zu erhalten, die ich mir von einer solchen Kamera-Objektiv-Kombination erwarte. Hier das Ergebnis, das sicher ziemlich beeindruckend ist:
 

Grafik: Georg N. Nyman

Beeindruckend: S2 mit Summarit-S 2,5/70 mm Asph. bei Blende 2,8; in Adobe Camera Raw entwickelt und optimiert

 
Ohne jede Optimierung der DNG-Datei sieht die Auswertung so aus, wie gleich unten dargestellt: schon erstaunlich, aber das ist digitale Realität. Man kann daran auch gut erkennen, dass Angaben zur Auflösung von optischen Systemen mit großer Vorsicht zu interpretieren sind – viele Artikel zeigen tolle Werte, und die sind durchaus erzielbar, nur unter welchen Bedingungen und mit welchen Einstellungen, das wird meistens nicht bekannt gegeben.
 

Grafik: Georg N. Nyman

S2 mit Summarit-S 2,5/70 mm Asph. bei Blende 2,8; ohne weitere Optimierung

 
Wie man sehr deutlich sieht, kann man allein durch Optimierung von einem enttäuschend schwachen Ergebnis zu einem beeindruckenden Ergebnis einer MTF-Auswertung gelangen – mit wenigen Schritten im RAW-Konverter.

Das wahre Leben

Nach diesen vielen Diagrammen und Auswertungen ist es sicher interessant zu sehen, wie sich die Leica bei Außenaufnahmen verhält. Hier Aufnahmen aus der wirklichen Welt:
 

Foto: Georg N. Nyman

Gesamtmotiv Mariahilfer Kirche; S2 mit Summarit-S 2,5/70 mm Asph.
 
 
Foto: Georg N. Nyman

Bildmitte – Bildrand bei Blende 5,6: S2 mit Summarit-S 2,5/70 mm Asph.
 
 
Foto: Georg N. Nyman

Hier ein Altardetail aus obiger Aufnahme (etwas aufgehellt, um die Unterschiede sichtbarer zum machen): S2 mit Summarit-S 2,5/70 mm Asph. bei Blende 5,6 und mit ISO 160/23° (dem untersten korrekten Wert, da ISO 80/20° zwar möglich, aber eine „heruntergerechnete“ Empfindlichkeit mit limitierter Dynamik ist) und ISO 1250/29°. Bei ISO 1250/29° war die automatische Rauschverminderung eingeschaltet.

 
Hier das Apo Elmar-S 3,5/180 mm bei Blende 5,6; vorerst die Gesamtaufnahme, aus deren mittleren Bereich das Detail herausgenommen wurde:
 

Foto: Georg N. Nyman
 
 
Foto: Georg N. Nyman

 
 
Auch die verschiedenen Empfindlichkeitsstufen – die S2 bietet nur ISO 80/20° bis ISO 1250/29° – habe ich verglichen:
 

Vergleichsreihe: Georg N. Nyman

Empfindlichkeitsvergleich (Klick aufs Bild!): Zur besseren Verdeutlichung des Rauschens wurden die Aufnahmen deutlich aufgehellt. 80 bis 640 geht sehr gut; 1250 ist (für die S2) nicht mehr wirklich gut. (Wobei man einerseits den hohen Standard berücksichtigen muss, den die S2 in den anderen Empfindlichkeiten vorlegt und zum anderen ist von 640 nach 1250 eine überproportionale Zunahme des Rauschens festzustellen – hier sollte Leica evtl. nochmal an den kamerainternen Algorithmen arbeiten.)

 
Und nun als Zugabe: Wie schlägt sich der Film im Mittelformat? Ich habe mit meiner Mamiya RZ 67 Pro-II und dem Sekor 4,5/75 mm Z Shiftobjektiv eine Reihe von Aufnahmen gemacht. Film war der Fuji Velvia mit ISO 50/18°, gescannt wurde der Ausschnitt dann auf einem Nikon Coolscan 8000 mit 4000 dpi. Hier das Ergebnis, das recht gut zeigt, dass eine digitale Mittelformatkamera dem Film überlegen ist:
 

Vergleichsreihe: Georg N. Nyman

Mamiya RZ67 Pro II mit 4,5/75Z Shift bei Blende 5,6 auf Fuji Velvia 50.

Die feinen Details der Altarkrone gehen im Korn und in der Dicke der Emulsion unter, wohingegen die nicht so feinen Details der Wand noch sehr gut wiedergegeben werden. Eine nachfolgende Untersuchung der Dias unter einem Stereomikroskop hat diesen Umstand dann bestätigt – es sind tatsächlich nicht mehr Details vorhanden.
 
 
Zum Vergleich hier nochmal die S2 mit Summarit-S 2,5/70 mm Asph. bei Blende 5,6:
 
 
Vergleichsreihe: Georg N. Nyman
 
 
Und hier dieselben Details; aufgenommen mit der Nikon D3x mit dem neuen AF-S 1,4/50 mm G bei Blende 5,6:
 
 
Vergleichsreihe: Georg N. Nyman

 
Es gäbe noch sehr viele Aufnahmen und Auswertungen zu zeigen, aber diese würden nur das bisher Geschriebene erweitern und ergänzen.

Foto der Leica S2 mit Multifunktionshandgriff

Summa summarum

Die Photographie mit der S2 ist sehr angenehm: viele Eigenschaften sind sehr gut, z.B. der ganz weiche Verschluss, der hervorragende Sucher, das angenehme Handling und die fast puristische Art, digital zu arbeiten. Die Objektive, die ich testen konnte, waren sehr gut, die Bildqualität war auch sehr gut. In der Summe ist die Leica S2 eine hervorragend konzipierte Kamera der Extraklasse, die ganz ausgezeichnete Aufnahmen liefert und viele sehr bedienungsfreundliche Eigenschaften hat.

Zurzeit ist die Objektivauswahl noch sehr eingeschränkt, was sich aber sicher ändern wird.

Die Bildqualität ist ausgezeichnet, kann sich aber nicht wirklich von der Konkurrenz (Hasselblad) abheben und ist auch im direkten Vergleich zu einer Nikon D3x (und ich denke, im Vergleich zu einer Canon 1Ds wird es ähnlich sein) nur bei Beachtung einiger Parameter unter gewissen Umständen gut sichtbar, sonst aber nur wenig besser (wir werden in ein paar Tagen noch einen Vergleichstest zu dem Thema „Kleinbild kontra Mittelformat“ bringen). Leica hat mit dieser Kamera bewiesen, dass sie eine hervorragende digitale Mittelformatkamera konzipieren können, aber für ein eindeutiges und zwingendes Alleinstellungsmerkmal gegenüber Hasselblad, Nikon usw. bedarf es weiterer Entwicklungen und Verbesserungen.

Die Leica S2 kann nicht so sehr mit einzigartiger Bildqualität denn mit sehr angenehmem Feeling, Handling und einem hervorragendem Sucherbild punkten – ob diese Vorteile und die ein klein wenig bessere Bildqualität den hohen Preis einer Ausrüstung rechtfertigen können, das muss dann eben doch jeder selbst entscheiden.

Aber schön ist sie schon, und sehr gut auch …

(Georg N. Nyman)
 
 
Produktfotos von Leica; Grafiken und Testaufnahmen von Dr. Georg N. Nyman.

Vergleichswerte bzw. Kleinbildkameras zum Vergleich siehe:
Im Test: Nikon D3x
Flaggschiffe im Vergleich
Photographieren statt Fotografieren: Leica M9 im Technik-Test
 

Nachtrag (6.4.2010): Irrtümlich hatten wir in der Bildunterschrift zur Mamiya-Aufnahme einen „Provia 50“ erfunden, den es gar nicht gibt. Richtig ist: „Velvia 50“; und das wurde oben so berichtigt.