So unterschiedlich die Welt ist, so unterschiedlich ist die Fotografie: In diesem Monat Februar präsentieren wir Ihnen sehr diverse Auffassungen des Fotografischen. Wir haben in neuen Büchern geblättert – und empfehlen eine Fahrt in die Schweiz:

 
  

Fotos von PierLuigi Macor

Fotos: PierLuigi Macor

 
Beginnen wir doch gleich mit der Zukunft. Denn „Zukunft“ ist der Titel eines Fotobuchs von (PierLuigi Macor), das soeben in der Edition Patrick Frey erschienen ist: ein aufregendes, schwebendes Durcheinander. Wir sehen Porträts, Landschaften und Architektur, stets angefertigt mit einer ureigenen fotografischen Handschrift, die den 1960 geborenen Zürcher Fotografen zu etwas ganz Besonderem macht. Ein herrlich gedruckter, inspirierender Band.
 

Arbeit von Susanne Pomrehn

Arbeit von Susanne Pomrehn

 
Ganz anders der fotokünstlerische Zugang der Berlinerin Susanne Pomrehn, die ihren Band „Kollektive Formationen“ gerade bei Kerber veröffentlicht hat. Ihr Medium ist die öffentliche Fotografie: Aus Papierabzügen, die sie etwa in Archiven findet, fertigt sie mit vielen Arbeitsschritten neue „Fotoschnitt-Objekte“, überträgt die Fotografie ins Dreidimensionale.
 

Titelabbildung Serge Gainsbourg

 
Von der konzeptionellen Fotokunst zum klassischem Porträt. Ein schöner Bildband zeigt, wie man Stars auf sehr intime Art und Weise fotografieren kann. Der Fotograf: Tony Frank. Sein ausschließliches Motiv: der Chansonnier Serge Gainsbourg. Erschienen ist das Buch bei Schwarzkopf & Schwarzkopf und zeigt viele bisher unveröffentlichte Fotografien Gainsbourgs. Bilder, aus glücklichen und schweren Zeiten: ein Gang durch ein Künstlerleben.
 

Buch Haus für Mozart

Ein Haus für Mozart in Salzburg

 
Bleiben wir bei der Musik. Von Gainsbourg zu Mozart. In Salzburg wurde jüngst ein „Haus für Mozart“ gebaut, dessen Entstehung von einem Buch begleitet wird . Erschienen ist es in der Fotohof Edition und präsentiert Fotoarbeiten von Rainer Iglar, Michael Mauracher und Andrew Phelps , die den Umbau des Kleinen Festspielhauses dokumentieren, dabei aber doch weit über das Dokumentarische hinausgehen. Es gelingt den Fotografen auf spannende Weise, die Dramatik des Bauprozesses einzufangen und in eine sehr eigene Bildsprache zu überführen.
 

Foto Jürgen Nefzger

Foto: Jürgen Nefzger

 
Jürgen Nefzgers Buch „Fluffy Clouds“ ist in gewisser Weise auch ein Architekturbuch. Es widmet sich Kühltürmen und Kernreaktoren in ganz Europa. Doch diese Bauten sieht man hier erst auf den zweiten Blick. Im Vordergrund finden wir eine vermeintlich heile Welt: Schafe auf der Weide, Badende am Strand, ein Angler. Eine trügerische Idylle – bedrohliche Bilder. Nefzgers Serie ist noch bis zum 7. Februar in einer Ausstellung im Château d’Eau in Toulouse (http://www.galeriechateaudeau.org) zu sehen.
 

Foto Walker Evans: Façade of House with Large Numbers

Walker Evans: Façade of House with Large Numbers, Denver, Colorado, August 1967

 
Kommen wir zu einem Großmeister der Fotografie, zu Walker Evans. Vor einigen Monaten berichteten wir über eine Ausstellung in Winterthur, jetzt ist ein neues Buch erschienen. „Decade by Decade“ heißt es, schenkt dem ganzen Lebenswerk Evans’ Beachtung und präsentiert viele bisher ungesehene Bilder – wie etwa jene Polaroids, die der Fotograf in den siebziger Jahren anfertigte. Und wir sehen: Der nüchterne Blick auf den Alltag, das blieb bis zum Ende seines Fotografen-Lebens der ureigene Blick von Walker Evans.

Der nüchterne, harte Alltag, das ist auch das Thema von Kirill Golovchenko. „7 KM“ heißt sein neues, bei Snoeck erschienenes Buch, das einen sieben Kilometer von Odessa entfernt liegenden Großmarkt porträtiert – einen der größten Marktplätze der Welt, auf dem in 16.000 Schiffscontainer Waren lagern. 20.000 Verkäufer gibt es hier, 10.000 Träger. 200.000 Wiederverkäufer und Einzelhändler kaufen hier täglich ein. Ein packendes Buch, über das Barbara Klemm gesagt hat: „Das sind sehr gelungene fotografische Arbeiten über die Großmärkte der ehemaligen sowjetischen Republiken. Da ich selbst Anfang 2000 in Sibirien einige dieser Märkte fotografiert habe, weiß ich, wie chaotisch es dort zugeht und wie schwer es ist, dieses Thema gut in den Griff zu bekommen.“

Von der grellen Welt der russischen Gegenwart zurück in das Hollywood der Nachkriegsjahre. Es ist die klassische Zeit des Hollywood-Kinos – und Paul Newman ist ihr schönster Rebell, der sich mit Filmen wie „Die Katze auf dem heißen Blechdach“, „Haie der Großstadt“, „Der Unbeugsame“ oder „Flammendes Inferno“ in den Kino-Olymp spielte. Ein neues Buch mit dem Titel „Paul Newman: Eine Hommage in Fotografien“ zeigt viele Szenenfotos, doch auch abseits des Filmsets beeindruckt Newman durch Eleganz und Stil: Wir sehen ihn beim Lesen der Drehbücher, auf dem Tennisplatz, bei Premieren und Partys, bei Kundgebungen der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung oder seiner großen Leidenschaft frönend, beim Autorennen.
 

Fotos Stefan Canham

Fotos: Stefan Canham

 
So unterschiedlich ist die Welt, so unterschiedlich die Fotografie: In Hong Kong, dem internationalen Wirtschaftszentrum, leben viele Menschen in erbärmlicher Armut. Das Buch „Portraits from above – Hong Kong’s informal rooftop communities“ stellt in Fotografien von Stefan Canham und Architekturzeichnungen von Rufina Wu die vielen Siedlungen auf den Hochhausdächern vor: Hütten, aus Brettern zusammengezimmert, aber auch aufwändigere Konstruktionen, die es bald nicht mehr geben wird: Ein Sanierungsprogramm wird das Ende der „rooftop communities“ bedeuten, eine Umsiedlung in Satellitenstädte steht den Bewohnern bevor.
 

Foto Eli Lotar, Germaine Krull

Eli Lotar, Germaine Krull: Sans titre (Ohne Titel), ca. 1930; Vintage Silbergelatine-Glasplatte, 9×12 cm Centre Pompidou, Musée national d’art moderne, Paris. Geschenk von Anne-Marie und Jean-Pierre Marchand; © RMN / Museum Folkwang, Essen

 
Und zuletzt noch ein Ausstellungstipp. Wieder gibt es einen Grund, das Fotomuseum Winterthur zu besuchen. Die Ausstellung „Subversion der Bilder – Surrealismus, Fotografie und Film“ zeigt ab dem 27. Februar bis zum 23. Mai die bisher größte Schau zur surrealistischen Fotografie im deutschsprachigem Raum. Zu sehen sind 400 Fotografien, Filme und Dokumente von Fotokünstlern wie Man Ray, Hans Bellmer, Claude Cahun, Raoul Ubac, Jacques-André Boiffard oder Maurice Tabard – Beispiele einer ungewöhnlichen Experimentierlust, aber auch einer dezidiert politischen Haltung: Die surrealistische Gruppe verstand sich stets als Gegenbewegung zum gesellschaftlichen Status Quo. Zur Ausstellung ist ein umfangreicher Katalog erschienen.

(Marc Peschke)
 

Foto

Roger Livet: Une regrettable affaire (Eine bedauerliche Affäre), ca. 1947, aus dem gleichnamigen Album mit 19 Fotografien, entstanden anlässlich der Überarbeitung des Films Fleurs meurtries (Versehrte Blumen) (ca. 1929); Vintage Silbergelatine-Abzug, 22,3×28,1 cm; Centre Pompidou, Musée National d’art moderne, Paris © J.-E. Livet