Foto Hannu Karjalainen; Man in Red Sweatshirt 2Nachdem wir im vergangenen Monat auf der Suche nach dem ungewöhnlichen Fotobuch waren (und auch fündig wurden), soll es diesmal wieder um Ausstellungen gehen. Fotoausstellungen finden allenthalben statt, doch eher selten sind welche, an die wir uns lange erinnern werden

Eine solche ist noch bis zum 10. Juni in der Berliner Galerie Christa Klubert zu sehen. „Intervention“ heißt sie und zeigt sieben Fotoarbeiten des Briten Tim Simmons: im Dämmerlicht aufgenommene, rätselhafte Landschaftsfotografien, die eine ureigene, selten dramatische Handschrift erkennen lassen.
 

Foto Tim Simmons: Intervention Rockpool #6, 2008

Tim Simmons: Intervention Rockpool #6, 2008

 

Foto Thorsten Warmuth: Belle de nuit 2009

Das sehr Eigene, Ungesehene steckt auch in der Serie „Belle de nuit“ von Torsten Warmuth, die in der Berliner Galerie Johanna Breede Photokunst noch bis zum 24. Juli präsentiert wird. Warmuth, 1968 geboren, fotografiert in der „magischen Zwischenzeit vor Anbruch des Morgens“. Nachtwelten, Bilder, die im Halbdunkel von Bars entstanden sind. Ralf Hanselle hat diese Fotografien so schön beschrieben, man möchte gar nichts hinzufügen: „Es ist ein Nachtstück aus dem ‘Theatrum mundi’: Man sieht den Auftritt blonder Schönheiten und man sieht Jünglinge in Lauerstellung. Man erblickt Trinker in beschwipster Wehmut und Tänzer in aufgeheizter Erregung. Zwischen Wünschen und Warten, zwischen Posen und Poussieren queren sich ihre Blicke und kreuzt sich das Begehren … Belle de nuit, das ist eine große Hommage an die vielen Metamorphosen der Nacht.“

Foto Sinje Dillenkofer; CASE 27 B Josephinum

Und noch eine weitere Ausstellung in Berlin verspricht Ungewöhnliches. Sinje Dillenkofer ist eine Stuttgarter Künstlerin, die schon seit vielen Jahren mit immer neuen Serien an die Öffentlichkeit tritt. Jetzt zeigt sie in der Villa Oppenheim bis zum 5. Juli ihre Serie „Cases“. Die erste Einzelausstellung der Künstlerin in Berlin. Die Serie offenbart wahrhaft Sonderbares, nämlich Innenansichten historischer Behältnisse, in denen ehemals Instrumente oder andere Gegenstände aufbewahrt wurden. Doch diese sind nicht zu sehen. Was wir sehen, ist nur die maßgefertigte Negativform. Schön, dass die 1959 geborene Künstlerin darauf verzichtet, uns zu erklären, was hier früher aufbewahrt wurde. Im Nicht-Entschlüsselten liegt gerade der Reiz.

Foto Hannu Karjalainen; Man in Red Sweatshirt 2

Ein guter Ort für das Ungewöhnliche ist immer wieder auch die Berliner Gallery TaiK, wo bis zum 20. Juni eine Ausstellung des finnischen Künstlers Hannu Karjalainen gezeigt wird. Neben Videoarbeiten sind auch großformatige Menschenbilder zu sehen, bei denen der Künstler die Kleider seiner Modelle mit Farbe getränkt hat.

Doch man muss nicht unbedingt nach Berlin reisen, um erstaunliche Fotografien zu sehen. Das kann man auch in Hamburg, wo das Haus der Photographie bis zum 16. August die Ausstellung „Blicke und Begehren“ von Herbert Tobias zeigt. Die Retrospektive präsentiert das Werk des 1982 verstorbenen Fotografen mit rund 200 Exponaten. Bekannt geworden ist Tobias mit seinen erotisch-melancholischen Männerbildern, die nicht nur als Fotografien überzeugen, sondern auch als historische Dokumente schwuler Subkultur – entstanden in einer Zeit, als Homosexualität noch unter Strafe stand.

Ebenfalls in Hamburg ist die Aplanat Galerie für Fotografie, eine der besten Adressen für Fotokunst. Hier ist bis zum 27. Juni die zwischen 1980 und 1986 entstandene Serie „Vom wahren Schein / Vraies semblances“ von Frank Horvat zu sehen: Frauenportraits, die, so die Ausstellungsmacher, keinesfalls als Imitationen berühmter Malerei missverstanden werden sollten: „Die Anspielungen an berühmte Gemälde sind nicht Selbstzweck, sondern nur ein Vorwand oder auch eine Art Deckung, in deren Geborgenheit es dem Modell ermöglicht werden soll, einen Weg zu sich selbst zu finden.“

(Marc Peschke)
 

Foto Herbert Tobias: Andreas Baader, Berlin, um 1965


Herbert Tobias: Andreas Baader, Berlin, um 1965. © Berlinische Galerie / VG Bild-Kunst, Bonn 2008