Foto der Robert Morat Galerie für Photographie von Jonas MaronDie Galerie Robert Morat ist eine der interessantesten Adressen für Fotografie in Deutschland. Uns weiß der Hamburger Galerist von Mut und Naivität, von Humor und Sympathie, von der Welt des Sehens zu erzählen:

Portrait Robert Morat

photoscala: Lieber Herr Morat, es fällt auf, dass Sie eine Affinität zu dem Thema Humor haben. Kann man das so sagen?

Robert Morat: Meine Beschäftigung mit Fotografen und ihrer Arbeit ist immer vor allem von Sympathie getragen. Und sehr sympathisch sind mir Menschen mit der Fähigkeit, zu sich selbst kritische Distanz einzunehmen und über sich selbst lachen zu können. Das gilt auch für ihre Arbeit. In der Kunst ist nichts schwieriger als Humor, das wird Ihnen jeder Schauspieler bestätigen: Es ist viel leichter, die Menschen zum Weinen zu bringen als zum Lachen. Und ja, diese Fähigkeit bewundere ich sehr. Übrigens gilt das auch für Ihre Kollegen der schreibenden Zunft: Ein Verriss schreibt sich viel leichter als ein Lob. Eine positive Konnotation bedarf immer einer kleinen zusätzlichen Anstrengung und mir gefallen Menschen, die diese Anstrengung in ihrer Arbeit und ich ihrem Leben nicht scheuen. Außerdem war meine Großmutter Kölnerin. Ich habe festgestellt: das erklärt einiges!

photoscala: Humor in der Fotografie zu erzielen, wir sehen es etwa bei Martin Langer, das bedeutet oft, lange, sehr lange zu warten. Bis sich der Moment einstellt, in dem etwas passiert …

Foto

Robert Morat: … und wenn dann etwas passiert, dann muss man es auch sehen! Exemplarisch auch in den Arbeiten von Elliott Erwitt. Sein Geheimnis ist ja nicht, dass er dabei war, als etwas passierte, sondern dass er es gesehen hat! Und uns als Betrachter dann daran teilhaben lässt.

photoscala: Ihr Thema ist vor allem die zeitgenössische Fotografie. Wie sind Sie eigentlich Fotogalerist geworden?

Robert Morat: Ich stamme aus einer Sammlerfamilie. Meine Eltern beschäftigen sich vor allem mit Malerei, klassische Moderne und Zeitgenossen, in der Sammlung findet sich aber auch Altmeistergrafik und afrikanische Skulptur. Mein Bruder und ich haben da sehr früh eine sehr intensive Sehschule absolviert. Ich habe dann begonnen, mich mit Fotografie zu beschäftigen, habe Germanistik und Kunstgeschichte studiert und eigentlich schon in Studientagen so ein Galerieprojekt im Kopf gehabt. Dann habe ich allerdings erst einmal eine journalistische Ausbildung gemacht und mehrere Jahre für verschieden Redaktionen gearbeitet, zuletzt für den NDR in Hamburg. Und dann kam 2003 mein 32. Geburtstag und ich habe mich gefragt, wann ich denn jetzt endlich mal mein altes Galerieprojekt umsetzen wolle, wenn nicht jetzt bald mal! Ich dachte einfach, der richtige Zeitpunkt sei gekommen.

photoscala: War die Galerie-Eröffnung ein Sprung ins kalte Wasser?

Robert Morat: Eher eine Mischung aus Mut und Naivität. Aber das gilt wohl für jeden Unternehmer, der sich selbstständig macht. Wenn man vorher genau wüsste, was da auf einen zukommt, würde man es sich vielleicht noch einmal überlegen. Aber die Euphorie des Anfangs ist eine unglaubliche Kraft. Sie macht Dich zwar taub für Warnungen, trägt Dich aber auch durch die schwierigeren Zeiten. Und gerade die ersten ein, zwei Jahre sind eben manchmal auch schwierig.

photoscala: Vor kurzem haben Sie mit „Toast Hawaii“ von Enver Hirsch den ersten Band der „Robert Morat Edition“, der Veröffentlichungsreihe der Robert Morat Galerie, vorgelegt. Ein Buch, das Elliott Erwitt mit den Worten kommentierte: „Mr. Enver Hirsch has authored a very funny book! You should buy at least two. One for yourself and one for any impending birthday!“ Auch hier geht es um Humor. Worüber kann man denn bei dem Hamburger Fotografen trefflich lachen und schmunzeln?

Robert Morat: Humor bedeutet ja nicht, dass man keine kritische Perspektive einnehmen kann. Enver Hirsch beobachtet die von Menschen gemachte Welt und wie sie sich inszeniert. Den alltäglichen Wahnsinn, das Absurde, das uns ständig umgibt. Das ist zwar oft zum Lachen, aber schon auf den zweiten Blick auch zum Fürchten.

photoscala: „Früher habe ich nur Menschen fotografiert. Später habe ich begonnen, mich für ihre merkwürdigen Spuren zu interessieren“, sagt Enver Hirsch …

Robert Morat: … und wenn man seine Bilder ansieht, stellt man sich ständig die Frage: Was, um alles in der Welt, haben sich die Menschen dabei nur gedacht? Der englische Dramatiker Christopher Fry hat gesagt: Humor bedeutet den Rest Hoffnung, dass die Dinge nicht widerstandslos hingenommen werden!
 

Foto der Robert Morat Galerie für Photographie von Jonas Maron

Robert Morat Galerie für Photographie; Foto: Jonas Maron

 
photoscala: Von Anfang an haben Sie auch sehr junge, noch unsichere Positionen gezeigt. Hat man als junger Künstler ohne viel Erfahrung bei Ihnen auch heute noch eine Chance?

Robert Morat: Ich würde so gerne „Ja, klar“ antworten, aber tatsächlich ist es inzwischen nicht mehr so einfach. Eigentlich nehme ich im Augenblick gar keine weiteren Künstler mehr auf. Wir sind ja nach wie vor eine kleine Galerie, ich habe zwei Assistenten und das war’s. Ich möchte für die Fotografen, die bei uns sind, professionell und konzentriert arbeiten. Aber das geht natürlich nur für eine begrenzte Zahl von Künstlern.

photoscala: Einige Künstler der Galerie, ich denke da an Joakim Eskildsen oder auch Peter Bialobrzeski, haben den Sprung in den Markt schon lange geschafft. Oder Arno Fischer, Elliott Erwitt, Thomas Hoepker oder auch Sibylle Bergemann – echte Klassiker. Schwieriger ist es, die Jungen an den Sammler zu bringen …

Robert Morat: Ja und nein. Natürlich verkauft sich jemand wie Eskildsen sehr gut, der im vergangenen Jahr zahlreiche hoch gelobte Museumsausstellung hatte und schließlich auch noch den Preis für das Fotobuch des Jahres erhält. Aber natürlich schlägt sich solch ein internationaler Erfolg auch in den Preisen nieder. Die Chance, die Sammler bei jungen, neuen Positionen haben, ist jedoch, dass sie vielversprechende, beeindruckende Arbeiten zu relativ kleinen Preisen bekommen.
 

Foto Joakim Eskildsen; aus der Serie Romareisen

Joakim Eskildsen; aus der Serie „Die Romareisen“

 
photoscala: Sie sammeln selbst. Gibt es da Schwerpunkte?

Robert Morat: Vielversprechende, beeindruckende Arbeiten von jungen Fotografen!

photoscala: Haben Sie einen Lieblingsfotografen?

Robert Morat: Bei den Helden: Lee Friedlander, William Eggleston, Robert Frank. Bei den Jungen: Alec Soth, Takashi Homma, Gregory Crewdson, Jeff Wall.

photoscala: Sie bieten auch eine interessante Auswahl an Fotobüchern in Ihren Galerieräumen an. Welche Stellung hat das Fotobuch für Sie?

Robert Morat: Das Fotobuch spielt eine enorm wichtige Rolle. Nicht nur, dass es spätestens seit Martin Parrs Kanon selbst zum Sammelobjekt geworden ist, es stellt auch eine ganz eigene Kunstform dar. Ich habe schon grauenvolle Bücher von großartigen Fotografen gesehen und wundervolle Bücher von eher mittelmäßigen Fotografen. Wundervoll, weil sie großartig gestaltet und mit viel Herzblut produziert wurden. Wie groß der Anteil der Gestaltung ist, habe ich bei der Arbeit an unserem ersten eigenen Buch mit Enver Hirsch gesehen. Ohne die großartige Brigitte Schaller sähe das Buch ganz anders aus – eher nicht so gut.

photoscala: Sie nehmen bei verschiedenen Kunstmessen wie etwa der „photo Miami“ teil. Werden die Geschäfte maßgeblich auf den Messen gemacht?

Robert Morat: Ja, und natürlich gerade dann, wenn man zum Beispiel auf dem amerikanischen Markt registriert werden will, geht es nicht ohne Messebeteiligungen. Ich würde schätzen, dass wir ungefähr 60 Prozent unserer Geschäfte auf Messen machen oder durch Kontakte, die auf Messen zu Stande kommen.

Foto Arno Fischer

photoscala: Im März zeigten Sie die Ausstellung „Der Garten“ des 1927 geborenen Fotografen Arno Fischer – einer der wichtigsten Fotografen der DDR –, der heute an der „Ostkreuzschule für Fotografie und Gestaltung“ in Berlin unterrichtet. Das sind Bilder, die über einen Zeitraum von 30 Jahren entstanden sind. Was fasziniert Sie an diesen kleinen Polaroid-Triptychen?

Robert Morat: Arno Fischer und Sibylle Bergemann erwarben 1978 ein kleines Haus in Margaretenhof, nördlich von Berlin. Während beide zu Schlüsselfiguren der Fotografie in Ostdeutschland wurden, während Fischer mit schwarz-weißer Straßenfotografie von der Geschichte seines Landes und seiner Stadt Berlin erzählte, während DDR und Wiedervereinigung durch sein Leben rauschten und weite Reisen unternommen wurden – während all dieser Zeit macht Fischer mit seiner SX70 immer wieder sehr leise, fast lyrische, ein wenig melancholische Aufnahmen von seinem Garten in Margaretenhof. Er findet offenbar die ganze Welt des Sehens an diesem einen Ort.

photoscala: Verraten Sie uns noch einen Ausstellungshöhepunkt im laufenden Jahr?

Robert Morat: Sicherlich sehr spannend wird die Ausstellung „Urban Structures“, die Arbeiten zum Thema Architektur im Werk von Peter Bialobrzeski zusammenführt. Zu sehen sind natürlich seine Aufnahmen von asiatischen Megacities aus der Serie „Neon Tigers“, aber auch ganz neue, bisher noch nie gezeigte Arbeiten. Die Ausstellung läuft vom 9. Mai bis zum 9. Juli 2009.

Das Interview führte Marc Peschke.
 
 
Informationen:
Robert Morat Galerie für Photographie
Dienstag bis Freitag 11 bis 18 Uhr, Samstag 11 bis 16 Uhr
Kleine Reichenstraße 1 (Reichenhof)
20457 Hamburg
Telefon 040-32 87 08 90