In einer Presseaussendung wendet sich Freelens, ein Berufsverband für Fotojournalisten, mit deutlichen Worten an und gegen den Jahreszeiten Verlag, der dabei sei, die Rechte von Fotografen massiv auszuhebeln:

FREELENS Presserklärung zu den neuen Verträgen des Jahreszeitenverlages

Totengräber des Fotojournalismus

Fotojournalisten verweigern sich dem Jahreszeiten Verlag

Seit März ist der Jahreszeiten Verlag für die Fotobranche ein rotes Tuch. Seitdem legen alle Verlagsobjekte einen neuen Vertrag vor, der nicht nur Fotojournalisten entsetzt. Weil die Vertragsbedingungen ihre Rechte extrem beschneiden und mit großer Rücksichtslosigkeit durchgesetzt werden sollen, stößt die Verlagspolitik auf eine massive Protestwelle von Fotografen und Bildagenturen.

Zur Ganske Verlagsgruppe gehört der Jahreszeiten Verlag mit Zeitschriften wie „Für Sie“, „Petra“, „Selber machen“, „Merian“, „Der Feinschmecker“ sowie „Architektur und Wohnen“. Die Verlagsgruppe tut sich zurzeit besonders damit hervor, die Rechte von Fotografen auszuhebeln. Mit dem vorgelegten Rahmenvertrag für Fotoproduktionen will sich der Verlag außergewöhnlich umfangreiche Rechte der Fotografen übertragen lassen.

Dabei stellt sich Verleger Thomas Ganske als Bewahrer von Urheberrechten dar. So hat er an prominenter Stelle den so genannten Heidelberger Appell unterzeichnet, in dem es heißt: „Autoren und Verleger lehnen alle Versuche und Praktiken ab, das für Literatur, Kunst und Wissenschaft fundamentale Urheberrecht, das Grundrecht der Freiheit von Forschung und Lehre sowie die Presse- und Publikationsfreiheit zu untergraben." Ganske setzt sich dabei für die Urheberrechte von Verlegern ein – die Rechte von Fotografen beschneidet er, wo es nur geht.

So versucht der Jahreszeiten Verlag (kurz Jalag) sich das Eigentumsrecht an dem gelieferten Original-Bildmaterial anzueignen – und zwar an allen während eines Auftrages aufgenommenen Fotos. Mit Hilfe von Vertragsklauseln sollen die Fotoschaffenden auch gleich dem gesetzlich verbrieften Bestimmungsrecht über die Verwendung ihrer Fotos entledigt werden. Denn nur noch der Verlag könnte dann ausschließlich über die Nutzung entscheiden.

Im Heidelberger Appell klingt es – mit Unterstützung von Thomas Ganske – ganz anders: „Es muss auch künftig der Entscheidung von Schriftstellern, Künstlern, Wissenschaftlern, kurz: allen Kreativen freigestellt bleiben, ob und wo ihre Werke veröffentlicht werden sollen. Jeder Zwang, jede Nötigung zur Publikation in einer bestimmten Form ist ebenso inakzeptabel wie die politische Toleranz gegenüber Raubkopien, wie sie Google derzeit massenhaft herstellt.“

„Indem sich die Ganske Verlagsgruppe exklusiv sämtliche Nutzungsrechte an den Aufnahmen und sämtliche Verwertungsmöglichkeiten einräumen lassen will, entrechtet sie Fotografen in beispielloser Weise", kommentiert Lutz Fischmann das Vorgehen der Verlagsleitung. Er ist Geschäftsführer von FREELENS, dem Verband der Fotojournalistinnen und Fotojournalisten, mit über 1800 Mitgliedern. Sollte ein Fotograf den Vertrag unterschreiben, bleibt ihm nichts mehr – auch nicht die Möglichkeit seine Arbeiten später als Archivfotos selbst zu vermarkten. In den Vertragsklauseln wird nämlich die kostenlose Nutzung der Bilder in allen Print- und Online-Objekten der Verlagsgruppe gesichert. Damit wären über Jahre hinweg unzählige Veröffentlichungen möglich, die nur mit einem kleinen Arbeitshonorar abgegolten werden, das lediglich die einmalige Nutzung abdeckt. „Ein Ausverkauf zu Lasten der Fotografen", wie Lutz Fischmann meint.

Zudem verbindet der Verlag mit seinen Aufträgen eine Zwangssyndizierung – behält sich also die ausschließliche weitere Vermarktung vor. Bei den heutigen Honoraren gehört die Archivverwertung wesentlich zur Existenzgrundlage von Fotojournalisten. Diese Zweitvermarktung haben die meisten Fotografen seit langem in die Hände von Bildagenturen gegeben, an die sie vertraglich gebunden sind.

Es geht aber nicht allein um die Honorierung fotografischer Arbeit, sondern um die Demontage der Fotografenrechte, die auch andere Medienunternehmen Schritt für Schritt vorantreiben wollen. „Mit seiner Vorreiterrolle macht der Jahreszeiten Verlag sich zum Totengräber des Fotojournalismus" sagt der FREELENS Geschäftsführer, „Dieser Rahmenvertrag stellt alles auf den Kopf, was bisher die Basis der Zusammenarbeit zwischen Fotografen und Verlagen war.“ Seine Bedingungen will der Verlag offensichtlich mit aller Härte durchsetzen. Fotojournalisten berichten, dass ihnen bei Fotoaufträgen keine Alternative gelassen wurde. Wir beschäftigen nur noch Fotografen zu diesen Konditionen – Vertragsänderungen ausgeschlossen, hieß es. Übersetzt: friss oder stirb.

Dass die Ganske Verlagsgruppe Fotojournalisten ein Diktat auferlegen will – begleitet von nicht zu überhörenden Drohungen – stößt auf eine massive Ablehnungswelle. Hunderte Fotografen haben die Vertragsbedingungen bereits abgelehnt und verweigern ihre weitere Mitarbeit – eine Phalanx, die sich wie das Who ist Who des Fotojournalismus liest. Etliche Fotografen haben außerdem ihre Bildagenturen angewiesen, die Verlagsgruppe von der Verwendung ihrer Archivfotos derzeit auszuschließen.

„Alle Fotografen und Bildagenturen, die dem Jahreszeiten Verlag eindeutig signalisieren wollen, dass derartige Vertragsbedingungen nicht akzeptabel sind, können sich unserer Initiative anschließen", lautet die Botschaft des FREELENS Vorstandes an die gesamte Bildbranche.

Bisher reagiert die Geschäftsleitung auf den Protest mit Allgemeinplätzen. Auf ein Schreiben von FREELENS antwortet Geschäftsführer Thomas Ganske: „Ich wünsche mir für die Zukunft eine konstruktive Zusammenarbeit. Wir werden unsererseits alles dafür tun, dass die hochwertigen Zeitschriften aus unserem Hause weiter erscheinen können." Ob sie dann auch hochwertige Fotos enthalten, ist die Frage.

„Konstruktive Zusammenarbeit kann nicht mit einseitigem Diktat funktionieren. Hoffentlich setzt sich diese Erkenntnis auch bei der Verlagsleitung durch – wir jedenfalls sind für Verhandlungen offen", sagt Lutz Fischmann. Ob sich der Jahreszeiten Verlag wieder als „attraktive Plattform für die geschätzte Arbeit ihrer Mitglieder" präsentieren kann, wie es Thomas Ganske gegenüber FREELENS darstellt, ist unklar – derzeit hat er seine Attraktivität verloren.

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Über FREELENS e.V.:
FREELENS wurde 1995 in Hamburg gegründet, um der zunehmenden Verschlechterung der Arbeitsbedingungen von Fotojournalisten entgegenzuwirken. Mit über 1.850 Mitgliedern ist FREELENS der größte Berufsverband für Fotojournalisten.

 
 
Siehe auch: Freelens
 

(thoMas)
 

Nachtrag (22.4.2009): Aus Sicht des Jahreszeiten-Verlages stellt sich der Sachverhalt etwas anders dar: Fotografen profitieren von neuen Verträgen.