Foto der EOS-1Ds RT-FCanon arbeitet photoscala-Informationen zufolge an einer hybriden SLR-Kamera der besonderen, ja sensationellen, Art: Nicht die Gleichzeitigkeit von (bewegtem) Film und (stillem) Foto ist hier das Entwicklungsziel, sondern die Gleichzeitigkeit von (analogem) Film und (digitalem) Sensor. Sprich, die EOS-1Ds RT-F ist in beiden Welten zuhause, sie kann parallel digitale und analoge Aufnahmen machen:

Hintergrund und Grund der Neuentwicklung, so war aus Kreisen zu erfahren, die dem japanischen Hersteller nahestehen, ist zum einen die Tatsache, dass die Herstellung analoger Spiegelreflexkameras weitgehend aufgegeben wurde und fabrikneue Modelle kaum mehr erhältlich sind, Profis aber nach wie vor auch auf Film setzen, wie u.a. eine Umfrage von Kodak unter etwa 3.000 professionellen Fotografen in ganz Europa im Jahre 2007 ergeben hat: Film lebt, sagt Kodak …

Foto der EOS-1Ds RT-F

Canon vermutet hier ein hohes Kaufpotential bei Profis und sieht in der EOS-1Ds RT-F (rechts ein Foto, das uns aus der Entwicklungsabteilung zugespielt wurde) den zeitgemäßen Nachfolger der analogen EOS-1v, die jetzt eingestellt werden soll. Das ehemalige Top-Modell hatte der japanische Hersteller seit 2000 im Programm. „Solange Bedarf da ist, wird Canon auch weiterhin analoge Spiegelreflexkameras fertigen“, hatte Bettina Steeger von Canon Deutschland vor zwei Jahren gegenüber photoscala erläutert. Die Neuentwicklung kommt dennoch überraschend. „Mit der EOS-1Ds RT-F profitieren auch die Nutzer des analogen Films von unseren Fortschritten in der Kameratechnik der letzten Jahre", so Steeger gegenüber photoscala, „und können das Beste aus beiden Welten, digital und Film, nutzen.“

Dabei bürgt die hohe Archivsicherheit analogen Filmmaterials für die Dauerhaftigkeit der Aufnahmen (- solange keine U-Bahn in der Nähe gebaut wird). So hat sich gezeigt, dass Filme eine stabilere und damit sicherere Langzeitspeicherung ermöglichen als praktisch alle heute bekannten digitalen Speicher. Beispielsweise erfolgt die Langzeitarchivierung von Kinofilmen auch heute noch auf Film – und nicht digital – auch wenn der Kinofilm selbst digital produziert wurde. (siehe: FilmoTec GmbH – ORWO-Filme aus Wolfen). Auch die Langzeitarchivierung von Kunstschätzen und Akten, die im Barbara-Stollen in der Nähe von Oberried bei Freiburg für die kleine Ewigkeit gelagert werden, erfolgt auf analogem Film auf Polyester-Trägermaterial und nicht digital. (Der Zentrale Bergungsort der Bundesrepublik Deutschland).

Ein nicht unwichtiger Aspekt ist auch die Langzeit-Lesesicherheit: Um einen Film zu betrachten, benötigt man lediglich eine Lupe und ausreichend Sonnenlicht – für die Wiedergabe digital gespeicherter Bilder hingegen ein passendes Lesegerät, eine digital-analoge Umwandlung, und Strom.

Gute Gründe für das analoge Material also. Anderseits benötigen professionelle Fotografen heute unbedingt auch kurzfristig verfügbare, digitalisierte Aufnahmen für das Tagesgeschäft. Mit der EOS-1Ds RT-F (Digital-Spezifikationen siehe EOS-1Ds Mark III) will Canon nun beiden Ansprüchen in einem Kameramodell gerecht werden. Auf Basis des Spitzenmodells EOS-1Ds hat Canon – wohl fußend auf den Erfahrungen mit der Canon Pellix und der EOS RT bzw. EOS-1N RS – eine Hybridkamera in Entwicklung, die neben dem digitalen Sensor gleichzeitig auch ein unter der Kamera montiertes Filmpack mit der aktuellen Aufnahme versorgt.

Grafik EOS-1Ds RT-F

Die in limitierter Stückzahl produzierte, 1989 vorgestellte, EOS RT war eine Spezialkamera mit fest stehendem, teildurchlässigem Pellicle-Spiegel. Das damals angewandte Prinzip: Der feststehende Spiegel erzeugte zwei Bilder – eins wurde nach oben ins Prisma bzw. als Sucherbild projiziert, das andere nahm den geraden Weg direkt durch den Spiegel (Lichtverlust ca. 2/3 EV) und der musste zur Belichtung nicht hochklappen: die Kamera erreichte eine extrem kurze Auslöseverzögerung von nur 0,008 Sekunden.

Canon ist es nun dank neuester Nanotechnologien gelungen, einen so genannten Trellicle-Spiegel zu entwickeln (siehe CAD-Zeichung linker Hand), der das Bild dreifach spiegelt, und dessen Teilungs-Lichtverlust auf 0,007 EV zu reduzieren – was in der Praxis völlig vernachlässigbar ist; weder muss der Belichtungsmesser umgeeicht werden, noch muss der Nutzer Verlängerungsfaktoren oder ein dunkleres Sucherbild in Kauf nehmen. Die spezielle Nanobeschichtung (die Canon Inc. weltweit zum Patent angemeldet hat) splittet das durchs Objektiv fallende Licht ohne relevante Übertragungsverluste in drei Strahlenbündel auf: eines wird nach oben zum Sucher umgelenkt, das andere fällt gerade nach hinten auf den Sensor (das digitale Bild entsteht) und das dritte wird nach unten in das Filmpack zu einem „Film-Spiegel“ umgelenkt, der das Bild aufs Filmmaterial projiziert (das analoge Bild entsteht).

Dank dieses Trellicle-Spiegels kann die restliche Konstruktion bestechend einfach ausfallen: Alles, was Canon tun musste, war, einen (verschließbaren) Bodenschlitz an der Kamera vorzusehen (durch den das Licht zum Film gespiegelt wird), und einen Filmtransportkasten mit Filmtransportmotor und feststehendem Spiegel zu entwickeln, der in Form eines Handgriffs – samt Hochformatauslöser – realisiert wurde. Der „Spiegelung des Spiegels“ (Bild ist seitenverkehrt) begegnet Canon einfach mit einer Umkehrung des Films: Belichtet wird er durch die Rückseite. Genutzt werden können deshalb nicht alle handelsüblichen Filme, sondern nur solche, die eine transparente Trägerschicht aufweisen. Canon geht aber einerseits davon aus, dass die Filmhersteller entsprechende Materialien anbieten werden – verzichtet werden muss nur auf die Lichthofschutzschicht – und überlegt andererseits, selbst einen Lichthofschutzschicht-Entferner anzubieten: Ein kurzes Fim-Bad im Filmtank mit einer speziellen Chemie entfernt die Lichthofschutzschicht in ca. 1 min. Dem schlechteren Streulichverhalten solch ihrer Lichthofschutzschicht beraubter Filme glaubt Canon mit einer speziellen tot-matten Innenbeschichtung des Filmpacks begegnen zu können.

Die Abbildung des Prototypen – die deutlich den Kodak-Schriftzug auf dem Filmpack zeigt – könnte darauf hinweisen, dass Canon bereits feste Verträge mit dem Filmhersteller geschlossen hat. Wir gehen aber nicht davon aus, dass Canon die Verwendung anderen Filmmaterials verunmöglichen wird, sondern vermuten, dass das Interesse des japanischen Unternehmens einem offenen analogen Kamerasystem gilt.

Mit der offiziellen Vorstellung der EOS-1Ds RT-F ist nach unseren Informationen allerdings nicht vor Anfang nächsten Jahres zu rechnen.

(CJ / thoMas / mts)