FotoAm traditionsreichen Film-Standort Wolfen werden auch heute noch ORWO-Filme produziert:

Im Jahre 1909 wurden im damals in Wolfen neu errichteten Filmwerk der AGFA-Farbenfabriken die ersten Kinofilme produziert. Eine Tradition, die heute von der FilmoTec GmbH mit Schwarzweiß-Kinofilmmaterial unter der Marke ORWO erfolgreich fortgeführt wird.

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Die heutige Firma FilmoTec selbst geht zurück auf das Jahr 1998. Nachdem ein erster Gesamtprivatisierungsversuch der alten ORWO (ORginal WOlfen) durch die Treuhandanstalt gescheitert war, wurde 1994-1996 die Liquidation des Unternehmens eingeleitet. Als Konsequenz aus dieser Entwicklung entstanden auf Basis des vorhandenen Know-hows mehrere kleine Unternehmen, die sich mit den Spezialkenntnissen ihrer Mitarbeiter in spezifischen Marktnischen etablieren konnten. Nachdem die von Heinrich Mandermann gegründete ORWO AG die Pläne zur Entwicklung eines eigenen neuen Farbfilms aufgeben musste, fanden sich neben Teilen des heutigen Managements auch langjährige westeuropäische Importeure der ORWO-Filmmaterialien bereit, in eine neue Filmproduktion am Standort Wolfen zu investieren. Da zum damaligen Zeitpunkt der Verbleib der ORWO-Markenrechte noch nicht geklärt war, ging das Unternehmen unter dem heute noch geführten Namen FilmoTec GmbH an den Start. Später hat man dann auch die ORWO-Markenrechte für die in Wolfen produzierten Filme erworben.

Die für das Unternehmen damals erfolgversprechende und bis heute tragfähige Geschäftsidee bestand darin, Spezialfilme für einen Nischenmarkt zu produzieren, der für große Hersteller nicht interessant genug war. Man war sich sicher, dass das analoge Aufzeichnungsmaterial Film auch im Zeitalter der digitalen Speichermedien eine eigenständige und ergänzende Zukunft besitzen wird. Einerseits sind Schärfe und Auflösungsvermögen von photographischen Filmen von anderen Medien noch nicht erreicht, andererseits lassen sich analoge Filme mit vergleichsweise einfachen Mitteln betrachten und sind nicht wie digitale Medien von zusätzlicher technische digital/analog-Wandlung abhängig, deren Verfügbarkeit im Zusammenhang mit der technologischen Weiterentwicklung der digitalen Speichermedien und ihrer Schreib-/Lese-Geräte als nicht dauerhaft gesichert erscheinen muss. Abgesehen von der Schwierigkeit des Auslesens der Daten übertrifft auch die Langzeitstabilität der hierfür eingesetzten Filmmaterialien auf Polyesterbasis die Lebenserwartung der meisten digitalen Datenträger deutlich.

Zum Hauptgeschäftsfeld von FilmoTec haben sich vor diesem Hintergrund die ORWO Schwarzweiß-Kinefilme entwickelt. Schwarzweiß-Negativfilme werden nach wie vor sowohl für Dokumentar- als auch für Spielfilme eingesetzt. Mit den in Wolfen produzierten Schwarzweiß-Kopier- und Duplikatfilme setzt man erfolgreich auf den Bedarf von langzeitstabilem Filmmaterial für die Archivierung und Erhaltung kulturhistorisch wertvoller Filme in zahlreichen meist staatlichen Archiven in aller Welt.

Wurden zu DDR-Zeiten bei ORWO die Filme, beim Trägermaterial beginnend bis zur Konfektion, selbst produziert, so kauft FilmoTec heute das Trägermaterial zu. Die Emulsionen werden jedoch immer noch im Hause entwickelt und gegossen. Auch die Konfektionierung erfolgt im eigenen Betrieb.

Den Anforderungen der Film-Archive folgend, die Filme mit einer Unterlage benötigen, die deutlich länger haltbar ist, als die traditionellen Acetat-Materialien, wurde der panchromatische Duplikatpositivfilm DP 31 mit einer Polyester-Unterlage und einer neuartigen Reflexionslichthofschutzschicht entwickelt.

Mit dem TF12d wird auch ein Tonfilm für Digital- und Analogtonaufzeichnungen produziert. Er hat eine klare Polyester-Unterlage und zeichnet sich durch hohe Schärfe und Auflösungsvermögen sowie besonders gutes Antistatik- und Kratzfestigkeitsverhalten aus.

Eine weitere Nische deckt das Unternehmen mit seinen Überwachungsfilmen ab. Diese Filme werden wie der auf Polyester-Basis hergestellte P 100 (ISO 10/21°) in Überwachungsanlagen von Banken und ähnlichen gesicherten Einrichtungen eingesetzt. Ein rot-infrarotsensibilisierter Verkehrsüberwachungsfilm mit einer Empfindlichkeit von ISO 400/27°, der den Anforderungen der deutschen Gesetzgebung entspricht und von den Straßenverkehrsbehörden sowohl in mobilen als auch in stationären Blitzanlagen eingesetzt wird. Auch wenn die analogen Kameras in diesem Sektor zunehmend gegen digitale Überwachungssysteme ausgetauscht werden, bleibt dennoch ein weitgehend stabiler Bedarf bei Behörden und ähnlichen Einrichtungen, die viel Geld in die analoge Kameratechnik investiert haben.

Abseits vom Schwarzweiß-Kine-Film, wo man sich den Weltmarkt mit dem US-Hersteller Kodak teilt, und den Überwachungsfilmen, wurden in Wolfen bis vor Kurzem sowohl panchromatisch als auch orthochromatisch sensibilisierte Schwarzweißfilme mit einer Empfindlichkeit von ISO 15/25° für die bildmäßige Fotografie produziert, die als OEM-Produkt unter dem Namen der jeweiligen Vertriebsfirma in den Handel kamen. Nach einer derzeit vorgenommenen Emulsionsumstellung sollen diese Filme auch in Zukunft wieder produziert werden. Da sich für die Vermarktung von gerade einmal zwei Filmtypen für die bildmäßiger Fotografie der Aufbau einer eigenen Marketing- und Vertriebsorganisation kaum lohnt, werden diese Filme auch in Zukunft unter anderen Labels auf den Markt kommen.

Mit der Spezialisierung auf stetig nachgefragte Film-Materialien, die – gegenüber aufwendig zu finanzierenden Wachstums-Rekorden – eine kontinuierliche Produktion und Weiterentwicklung der eingesetzten Emulsionen ermöglichen, hat das Unternehmen offensichtlich ein Marktsegment erfolgreich besetzt, das für größere Hersteller uninteressant war, den 25 Mitarbeitern von FilmoTec jedoch ein sicheres Arbeitsumfeld bietet.

(CJ)