Foto William EgglestonLange, sehr lange Zeit dachte man, nur die Schwarzweißfotografie könnte so etwas wie Kunst sein. William Eggleston war einer der ersten, der dieses Denken in Frage stellte. Ab Februar zeigt das Münchner Haus der Kunst eine große Retrospektive:

1976 hatte William Eggleston seine erste Einzelausstellung im New Yorker Museum of Modern Art – eine von John Szarkowski, dem Kurator der Fotografie-Abteilung konzipierte Schau, die heute als eine der bedeutsamsten Fotoausstellungen überhaupt gilt – die den Beginn der modernen Farbfotografie markiert. Doch auch Eggleston begann im klassischen, abstrahierenden Schwarzweiß: als ein Fotograf, der sich deutlich auf Henri Cartier-Bresson, aber auch Walker Evans oder Robert Frank, bezog.
 

Foto William Eggleston

William Eggleston. Untitled, 1965-68 and 1972-74, from Los Alamos, 2003. Dye transfer print, 40,6 x 50,8 cm. Collection of Emily Fisher Landau, © Eggleston Artistic Trust

 
Schon bald allerdings entwickelte der 1939 in Memphis geborene Fotograf eine eigene Handschrift, wie man ab 20. Februar in einer großen Ausstellung im Münchner Haus der Kunst bestaunen kann. „Democratic Camera“ heißt die gemeinsam mit dem Whitney Museum of American Art konzipierte Schau, die Arbeiten seit dem Jahr 1961 vorstellt. Der Titel fasst die künstlerische Idee Egglestons auf sinnvolle Weise zusammen. „Demokratisch“ ist seine Kamera, seine Fotografie, weil er jedes Motiv für bildwürdig erklärt. Eggleston machte den Alltag zum Thema, das Schlichte, das Unspektakuläre.
 

Foto William Eggleston  Foto William Eggleston

Beide sind betitelt: William Eggleston. Untitled, 1965-68 and 1972-74, from Los Alamos, 2003. Dye transfer print, 45,1 x 30,5 cm. Private collection, © Eggleston Artistic Trust

 
Seine Abzüge – oft entstanden sie im farbintensiven, von Kodak entwickelten Dye-Transfer-Verfahren – zeigen etwa eine rote Zimmerdecke aus der Froschperspektive, in knallbunter Farbgebung. Er fotografierte die Warenwelt der Supermärkte – er machte seine Bilder auf der Straße, zeigt Autos und Tankstellen, Wohnhäuser, Bars und ihre Gäste. Oder er fotografierte einfach eine Gefriertruhe, ein Dreirad, Schuhe, die unter einem Bett stehen. Nichts Besonderes also, aber in seiner alltäglichen Skurrilität: sehr besonders.
 

Foto William Eggleston

William Eggleston. Memphis, c. 1969-70, from William Eggleston’s Guide, 1976. Dye transfer print, 40.5 x 50.6 cm. Corcoran Gallery of Art, Washington, D.C.; gift of Mr. Morris R. Garfinkle, © Eggleston Artistic Trust

 
Eggleston war der erste, der bewies, dass auch ein Schnappschuss Kunst sein kann. 160 Arbeiten sind in der Ausstellung zu sehen, darunter auch frühe Schwarzweißfotografien, grobkörnige Bilder, die in Memphis entstanden sind, 25 Vintage Prints aus seinem Buch „William Eggleston’s Guide“ – bis hin zu ganz neuen Fotografien. Es wird Zeit, den „Rebell mit dem Aussehen eines Stummfilmstars“ (Thomas Weski) neu kennenzulernen.

(Marc Peschke)
 
 
Ausstellung:
William Eggleston: Democratic Camera
Fotografie & Video 1961–2008
20. Februar bis 17. Mai
Mo bis So 10 – 20 Uhr, Donnerstag 10 – 22 Uhr
Haus der Kunst
Prinzregentenstraße 1
80538 München

Titelabbildung Katalog William Eggleston

Katalog:
William Eggleston
Democratic Camera. Photographs and Video, 1961-2008 (bei amazon.de)
Mit Beiträgen von Thomas Weski, Elisabeth Sussman, Donna De Salvo, Tina Kukielski, Stanley Booth und Adam Welch
304 Seiten
Yale University Press 2007
ISBN 978-0-300-12621-1
49, 80 Euro
 
 
Siehe auch:
William Eggleston, Democratic Camera, Photographs and Video 1961-2008 (Whitney Museum of Modern Art)
Ich bin Star, lasst mich allein (Interview mit William Eggleston bei Spiegel Online)