Die ehemaligen Agfa-Gevaert-Mitarbeiter sind nach Meinung des Bundesarbeitsgerichts in Erfurt durch ein irreführendes Schreiben zum Wechsel in die – schnell insolvent gegangene – AgfaPhoto GmbH gedrängt worden. Das war nicht rechtens; Agfa-Gevaert bleibt in der Pflicht, hat jetzt wieder das Bundesarbeitsgericht in Erfurt entschieden:

Wie der Leverkusener Anzeiger berichtet, hatten am 26.11.2008 vor dem Bundesarbeitsgericht in Erfurt wieder mehrere Kläger Erfolg, die gegen den Übergang zur AgfaPhoto GmbH geklagt hatten, da ihrer damaligen Zustimmung ein irreführendes Schreiben von Agfa-Gevaert zu Grunde lag. Auch das Bundesarbeitsgericht in letzter Instanz beurteilt das Schreiben als zumindest fehlerhaft, wenn nicht sogar bewusst irreführend. Damit wird es möglich, dem Betriebsübergang auch über einmonatige Einspruchsfrist hinaus zu widersprechen.

Brisant ist das Urteil, weil Agfa-Gevaert damit noch immer für sämtliche Mitarbeiter der AgfaPhoto GmbH verantwortlich ist; die stehen sich damit so, als hätte das Arbeitsverhältnis mit Agfa-Gevaert ununterbrochen bestanden. Mit allen Konsequenzen für Arbeitsverträge, Gehaltszahlungen, Betriebs- und Sozialpläne. Und mit erheblichen Kosten für Agfa-Gevaert. Knapp 100 Fälle sind in Erfurt anhängig.

Arbeitnehmer allerdings, die Frühruhestands- oder Aufhebungsverträge abgeschlossen oder Kündigungen mit Abfindung akzeptiert haben, haben die AgfaPhoto GmbH damit de facto als ihren neuen Arbeitgeber anerkannt, so Friedrich Hauck, Vorsitzender des achten Senats des Bundesarbeitsgerichts in Erfurt, womit sie ihr Recht auf Widerspruch eindeutig verwirkt hätten.

Die Anwälte von Agfa-Gevaert wollen die letztinstanzlichen Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts per Restitutionsklage anfechten: Agfa-Gevaert habe erst jetzt Zugang zu den Personalakten der Kläger bekommen und darin gebe es Anhaltspunkte, dass die Mitarbeiter ihr Widerspruchsrecht doch verwirkt hätten. Richter Hauck hingegen hält es für eher unwahrscheinlich, dass die Agfa-Gevaert und deren Anwälte drei Jahre lang ohne Personalakten, quasi im Blindflug, prozessiert haben.

Hier die Kurzfassung der Ereignisse der letzten Jahre:

  • Die Unternehmenssparte „Foto“ wurde Anfang November 2004 von der Agfa-Gevaert als AgfaPhoto GmbH (Geschäftsführender Gesellschafter des Hauptgesellschafters Nanno Beteiligungsholding GmbH: Hartmut Emans) ausgegliedert bzw. an die AgfaPhoto Holding (Hautpanteilseigner: Hartmut Emans) verkauft.
  • Der Kaufpreis für die AgfaPhoto GmbH ist zwischen der Agfa Holding und der Agfa-Gevaert nach wie vor strittig.
  • Die AgfaPhoto GmbH meldete im Mai 2005, wenige Monate nach dem Verkauf, Insolvenz an, obwohl die Ausgangsposition noch Ende 2004 als „sehr gut“,das Potential als „sehr groß“ geschildert wurden.
  • Die Markenrechte gehören der Agfa Holding, wie ein Schiedsgericht feststellte. Unter „AgfaPhoto“ vertreiben u.a. plawa Feinwerktechnik (Digitalkameras), german-battery (Batterien), Lupus (Filme) und Sagem Communications (Fotodrucker, digitale Bilderrahmen) ihre Produkte.
  • Den Mitarbeitern wurden nach eigener Einschätzung und überwiegender Ansicht der Arbeitsgerichte falsche Versprechungen beim Übergang zur AgfaPhoto GmbH gemacht, weshalb dem Betriebsübergang auch nach Ablauf der einmonatigen Frist widersprochen werden kann.
  • Derzeit entscheiden die Arbeitsgerichte überwiegend zugunsten der Agfa-Gevaert-Mitarbeiter.
  • Agfa-Gevaert klagt durch alle Instanzen und will jetzt auch die letztinstanzlichen Urteile per Restitutionsklage anfechten.

Trotz aller Klage-Erfolge bleibt, dass der Ausflug „AgfaPhoto“ für die meisten der einst rund 2.900 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Agfa-Gevaert (davon rund 2.275 in Deutschland), die 2004 zu AgfaPhoto wechselten, kein Sonntagsspaziergang wurde.

(thoMas)