Foto der alpha 900 von SonyDer langjährige Minolta-Kenner und -Liebhaber Stephan Kölliker hat für photoscala die alpha 900 von Sony (die auf Minolta-Erbe fußt) gründlich unter die Lupe genommen, zeigt sich begeistert, und gibt – innerhalb eines ausführlichen Tests – Hinweise auf geeignete, auch ältere, Objektive, die der Auflösung der alpha 900 gerecht werden:

Zwei Monate nach Einführung der Sony alpha 900 möchte ich hier meine Erfahrungen dazu mitteilen. Ich habe das neue „Flagship model“, wie Sony es gerne nennt, längere Zeit in der Toscana und in Umbrien für Landschafts- und Architekturaufnahmen im Einsatz gehabt. Mit dabei waren an die 15 ältere, aber auch brandneue, Objektive aus dem Minolta-, Sony- und Zeiss-Sortiment.

Zunächst die Kurzfassung meiner Eindrücke, für die Ungeduldigen:

Wer die Sony α900 mit angesetztem Handgriff und angeflanschtem Zeiss Vario Sonnar 2,8/24-70 mm in die Hand nimmt, hat unmittelbar der Eindruck eines professionellen, präzisen und wertigen Arbeitsinstrumentes. Der brillante Sucher und das ausgefeilte Bedienkonzept mit zahlreichen direkt zugänglichen Kontroll-Elementen unterstreichen diesen Eindruck. Die ganze Kamera ist um den hochauflösenden 24-MP-Vollformat-Sensor herum konstruiert. Bildstabilisation mit jedem Objektiv und ein enorm hoher Dynamikumfang von bis zu 12,5 Blendenwerten versprechen eine überzeugende Bildqualität.
 

Foto Stephan Kölliker

Florenz, Ponte Trinità und Ponte Vecchio: Die Kombination von hoher Auflösung, sehr guten Objektiven und 12 Blenden Dynamikumfang ermöglicht Bilder, die man bislang so von Kleinbildkameras nicht kannte (Sony α900 und Minolta AF 2,8/200 mm APO, JPEG direkt aus der Kamera)

 
Sie lesen, ich bin begeistert. Hier die ausführliche Version:

Gehäuse

Haptik und Ergonomie

Der erste Eindruck der α900 – mit angesetztem Hochformatgriff – ist der eines Profihammers: Voluminös, massig, ausgefeilt, professionell. Das riesige Sucherprisma lässt die Kamera bullig wirken. Das gesamte Gehäuse wie auch der zusätzlichen Handgriff bestehen aus einer überraschend leichten, aber robust wirkenden Magnesium-Legierung. Gehäuse und Handgriff sind an allen wichtigen Stellen mit einer griffigen Gummioberfläche veredelt. Damit lässt sich die α900 sicher und angenehm handhaben. Bereits meine Erfahrungen mit der α700 zeigten, dass die neue Magnesium-Legierung robuster ist als der Edelstahl der Minolta Dynax 9, die mir unter erschwerten Umständen mehrmals förmlich aus den Fingern flutschte und bei der sich dabei jedes Mal das Edelstahlgehäuse verbog. Die einzelnen Teile des Gehäuses sind präzise zusammengesetzt und abgedichtet. Einige Knöpfe und Schalter bestehen aus wertigem Kunststoff; im Wesentlichen stört das nicht. Einzig das Programm-Wahlrad macht einen etwas billigen Eindruck, obwohl es aus Metall ist.
 

Foto der alpha 900 von Sony

 
Die α900 liegt perfekt und ausgewogen in der Hand. Mit dem optionalen Hochformatgriff nicht nur in der Normalstellung, sondern auch im Hochformat: Er weist alle Bedienelemente „eins zu eins“ ein zweites Mal auf. Das erlaubt ein rasches und sicheres Arbeiten.

Bedienung

Ein professionelles Arbeitsinstrument sollte möglichst direkt und ungehindert den Vorstellungen des Fotografen folgen und dessen Ideen umsetzen. Das Bedienkonzept ist einer der großen Pluspunkte der α900. Es ist so ausgelegt, dass alle wesentlichen Funktionen ohne Umweg über das Menü bedienbar sind. Die Anordnung der Elemente orientiert sich weitgehend an der α700 und – weniger direkt – an Minoltas letzter professioneller SLR, der Dynax 9. Natürlich dauert es etwas, bis man auch im Dunkeln auch den letzen Schalter intuitiv richtig bedient. Aber auch ohne langes Kennenlernen zeichnet sie sich durch ihre intuitive, schnelle Bedienbarkeit aus. Simon Joinson von dpreview hat die α900 sehr zutreffend mit „responsive“ (schnell ansprechend, reagierend) beschrieben.

Die Wahlräder für Zeit und Blende sind – auch am Hochformatgriff – ergonomisch richtig abgewinkelt. Auf der rechten Kameraoberseite befinden sich die Tasten für „Drive“ und Belichtungskorrektur. Einer Wipptaste ähnlich, sind sie leicht mit dem Zeigefinger bedienbar. Mit dem Daumen hat man die Steuerung von Weißabgleich und ISO-Wert unter Kontrolle, beides ebenfalls auf der rechten Kamera-Oberseite gelegen. Im Unterschied zur semi-professionellen α700 hat die α900 hier ein zusätzliches LCD-Display, auf dem die wichtigsten Informationen direkt ablesbar sind. Das Wählrad für den Belichtungsmodus (Programm [P], Aperture [A], Shutter [S], Manual [M] sowie drei frei programmierbare Speicher) sind auf der linken Seite. Manche eingefleischten Minoltianer werden das doppelte Wahlrad zur Belichtungskorrektur von Umgebungs- und Blitzlicht vermissen. In der Praxis kann die Belichtungskorrektur bei der α900 in sinnvoller Weise auf das hintere (Daumen-) Wählrad gelegt werden; damit ist man sogar schneller als mit der früheren, aufwändigeren Lösung der Dynax 9 oder Dynax 7D.
 

Foto der Rückseite der alpha 900 von Sony

 
Auf der Kamera-Rückseite deckt der Daumen ein ganzes Arsenal weiterer Funktionstasten ab. Die einzelnen Knöpfe und Schalter sind alle unterschiedlich ausgeformt. Nach einer gewissen Zeit verbindet man deswegen die jeweilige Taste intuitiv mit der zugeordneten Funktion. Angefangen beim AF/MF-Umschalter, über die Wahl der Belichtungsmessung (Spot / Intergral / Mehrfeld) und den Belichtungsspeicher bis hin zum Multifuntions-Joystick (u. a. für die schnelle Auswahl der AF-Messfelder), dem Schalter für den Bildstabilisator und einer frei programmierbaren „Custom“-Taste sind somit alle wesentlichen Funktionen ohne Umweg über das Menü zugänglich. Muss trotzdem einmal via Menü in die Kamerasteuerung eingegriffen werden, so kann das via Joystick auf eine sehr intuitive Art geschehen. Alle diese Bedienelemente einschließlich des Joysticks sind – wie bereits erwähnt – am Hochformatgriff ein zweites Mal in praktisch identischer Form vorhanden, was die Handhabung der α900 zusätzlich erleichtert.

Auf der linken Seite des Kamera-Rückens finden sich neben dem Ein-/Aus-Schalter auch die Tasten für das Menü, die Displaysteuerung, der „Waste Bin“ und die „Play“-Taste. Auf der linken Kameraseite findet sich ein ganzes Arsenal von Anschlüssen, so die „Remote Control“, der HDMI-, USB / Video-Anschluss, der Blitz-Synchronanschluss und die Gleichstrom-Versorgung. Auch der Schalter für die Autofokus-Modi (Single, Auto, und Continuous sowie Manual Focus) sind hier angebracht.

Menü und Menü-Führung

Das Menü der α900 ist übersichtlich und aufgeräumt gestaltet. Es lohnt sich, die gebotenen Möglichkeiten mehrmals genau zu studieren, denn man kann die Kamera hier auf persönliche Vorlieben trimmen und Höchstleistungen aus ihr herauskitzeln. Selbst Funktionen, die in manchen Tests als „fehlend“ kritisiert wurden, finden sich hier. Einige Highlights sollen erwähnt werden. Die bereits von der α700 bekannte Dynamikbereich-Optimierung (DRO) wurde nochmals verbessert. Da ich sie im Alltag oft nutze, habe ich die entsprechende Funktion auf die „Custom“-Taste gelegt. Ebenso nützlich ist im Alltag der „Mikro-AF“: das individuelle Justieren von bis zu 30 verschiedenen Objektiven zahlt sich vor allem bei lichtstarken Objektiven durch eine merklich bessere Präzision des Autofokus aus. Ebenso nützlich ist, dass man die Rauschunterdrückung sowohl komplett ausschalten als auch in drei Stufen regeln kann. Leider kann man die Kamera ohne systemkonformes Objektiv nur im „Manual“-Modus benützen – der Menüpunkt, mit dem man die α700 auch für Zeitautomatik frei schalten konnte, wurde fallengelassen. Dies dürfte aber per Firmware korrigierbar sein – hoffentlich mit der nächsten Version.

Ausstattung

Sucher

Foto Stephan Kölliker

In Insiderkreisen war der Sucher von Minoltas letzter Profikamera Dynax 9 bekannt für die ungewohnte Helligkeit und die Größe des Sucherbildes. Sony – bzw. die von Sony übernommenen Minolta-Ingenieure – haben bei der α900 nochmals „nachgelegt“. Das Sucherprisma ist riesig, das Sucherbild selbst wirkt ebenso, und es zeigt ein helles, brillantes Bild selbst bei gedämpftem Umgebungslicht. Die Sucherscheiben können problemlos vom Anwender selbst gewechselt werden. Man wünschte zusätzlich zu den existierenden Mattscheiben – speziell für den einzigartigen „Porträt- und Bokeh-König“ Sony 2,8[T4,5]/135 mm STF – eine Sucherscheibe mit Schnittbildindikator, wie sie seinerzeit für die Minolta 9000 lieferbar war. Eine Dioptrien-Korrektur (-3 … +1) und ein eingebauter Okularverschluss runden die professionelle Ausstattung ab. Nach Sony-Angaben ließ sich der von der α300/350 her bekannte „live-view“ nicht mit dem gewählten Sucherkonzept vereinen, weshalb man auf die entsprechende Funktion verzichtete.

Belichtungsmessung / -Steuerung

Sowohl die Mehrfeldmessung als auch die ausgefeilte Blitzsteuerung der analogen Minolta Dynax 9 galten seinerzeit als vorbildlich. Mit der α900 hat Sony diese Zuverlässigkeit noch übertroffen. Auf meiner eingangs erwähnten Toscana- und Umbrien-Tour nahm ich rund 5000 Fotos auf. Nur eine Handvoll davon erforderte eine manuelle Korrektur der Belichtung – dies trotz oft sehr hoher Motivkontraste. In den dunklen Gassen von Florenz, bei Innenaufnahmen in der Basilika von Assisi oder in (neuerdings nicht mehr verrauchten) italienischen Bars erwies sich die Belichtungsmessung als sehr zuverlässig. Auch Nachtaufnahmen, bei denen der offizielle Messbereich bei weitem unterschritten wurde, sind korrekt belichtet. Sind Lichtquellen im Bild – Stichwort italienische Bars – kommen die Bilder differenziert und gut balanciert, speziell dann, wenn man den Dynamikbereich mittels „DRO“-Korrektur manuell erweitert.

Gelegentlich – besonders bei Gebrauch von hohen Stufen des „Dynamic Range Optimizers“ – hat man auf dem Monitor den Eindruck, das Bild sei zu hell. Eine Kontrolle per Histogramm zeigt dann aber, dass keine Lichter ausfressen; offensichtlich wird die Belichtung für rauscharme RAW-Dateien optimiert. Zusammenfassend kann man der Belichtungsmessung attestieren, dass sie sehr zuverlässig und ausgewogen arbeitet.

Die Erfahrungen mit dem neuen „großen“ Blitzgerät (Sony HVL F58AM) und seinem raffinierten Schwenkmechanismus gehen in die gleiche Richtung. Die anfänglichen Schwierigkeiten von Minolta mit der digitalen Blitztechnologie sind endgültig ausgeräumt. Ausführliche eigene Tests haben gezeigt, dass selbst bei 20jährigen Objektiven die Entfernung mit in die Blitzsteuerung einbezogen wird: Bei identischem Bildausschnitt, aber verschiedener Fokussierung auf verschieden weit entfernte Objekte wird jeweils das scharfgestellte Objekt korrekt belichtet. Es geht dabei nicht um eine einfache Zuordnung von AF-Sensor zum jeweiligen Belichtungsmessfeld; die entfernungsabhängige Steuerung funktioniert auch dann, wenn man die Schärfespeicherung einsetzt und mithin bei der Belichtung der verantwortliche AF-Sensor nicht mehr auf dem bildwichtigen Teil liegt.

Intelligent Preview / Live View

Sony hat sich – aus welchen Gründen auch immer – gegen die von anderen Profikameras her bekannte „klassische“ Live-View-Variante entschieden, bei der der Hauptsensor mit hochgeklappten Spiegel zur Erzeugung des Vorschaubildes genutzt wird [Anmerkung der Red.: Nach unseren Informationen hätte das die Einführung der Kamera um ca. ein halbes Jahr verzögert]. Man mag dies bedauern, weil damit eine hochpräzise Fokussierung möglich würde. Andererseits ist die Kombination des mittleren „f2,8“-AF-Sensors mit dem auf jedes einzelne Objektiv justierbaren „Mikro-AF“ so genau, dass diese Art Live-View für die Fokussierung praktisch überflüssig wird. Sony hat stattdessen die Idee eines bekannten Studiofotografen umgesetzt: Mittels Abblend-Taste lässt sich – falls gewünscht – ein Vor-Bild aufnehmen, das unmittelbar auf Veränderungen der Kamera-Einstellungen reagiert. So kann der Einfluss von Belichtungskorrekturen, DRO, Weißabgleich und anderem mehr direkt auf dem Monitor beurteilt werden. Dies ist insbesondere bei Stativaufnahmen sowie für das Austesten des Zusammenspiels von DRO und bewussten Belichtungskorrekturen sehr hilfreich.

Autokokus (AF) und „Micro AF“

Foto Stephan Kölliker

Engagierte Diskussionen um Front- und Backfocks, um AF-Geschwindigkeit und vor allem -Präzision verdeutlichen, dass ein lautloser, schneller und präziser AF zu den wichtigsten Kriterien für eine professionelle DSLR gehört. Obwohl Minolta 1985 das erste voll integrierte Autofokus-System auf den SLR-Markt brachte, konnten die AF-Systeme der Minolta-DSLRs nicht mit den Systemen der professionellen Mitbewerber mithalten. Sony war sich dessen mit Sicherheit bewusst, als man die professionelle α900 zu konstruieren begann. Das Resultat kann sich auf Anhieb sehen lassen.

Der AF für statische Motive ist ausgesprochen schnell und präzise. Wenn man den zentralen Sensor für lichtstarke Objektive nutzt, liegt die Schärfe auch bei Blende 1,4 exakt reproduzierbar dort, wo man sie haben möchte. Ob sich mit dem neu entwickelten AF-Modul und seinen neun Sensoren auch im Nachführmodus die gleiche Treffsicherheit und Zuverlässigkeit erreichen lässt, müssen ausführlichere Untersuchungen zeigen. Die Mitte 2008 im Fotomagazin veröffentlichten systematischen Tests deuten jedenfalls darauf hin, dass Sony das Niveau der professionellen Konkurrenz bereits mit der α700 erreicht hat – zumindest was Nachführ-AF mit dem zentralen Sensor angeht. Der AF der α900 scheint nochmals schneller und präziser geworden zu sein – vor allem mit jenen Objektiven, die von einer individuellen Justierung durch „Micro-AF“ profitieren. In der Praxis überzeugt der spezielle AF-Kreuzsensor für lichtstarke (ab f2,8) Objektive. Es gibt selbst bei meinem 20jährigen, stark benutzten Minolta AF 1,4/85 mm keine Probleme mit dem Fokus: Stellt man auf die Augen scharf, sitzt die Schärfe auch haargenau auf den Augen – und nicht auf der Nasenspitze.

Bei älteren Objektiven kann in kritischen Situationen das Geräusch des AF-Motors stören. Wer gleich von Anfang an auf die lichtstarken Zeiss- und Sony-G-Zooms setzt, bekommt eine zeitgemäß lautlose und – zumindest im Fall des 2,8/24-70 mm – außergewöhnlich schnelle Fokussierung, welche die Konkurrenz aussticht. Will oder muss man manuell fokussieren, kann man bei den SSM-Objektiven jederzeit manuell eingreifen. Bei den älteren, stangengetriebenen Objektiven hat sich der elektromechanische AF/MF-Taster bewährt, der direkt neben dem Daumenrad liegt und ein schnelles Umschalten ermöglicht.

Gelegentlich wird die relativ geringe Gesamtfläche kritisiert, die vom neu entwickelten AF-Modul abgedeckt wird. Da die hoch auflösende α900 trotz ihrer 5 B/s vermutlich eher weniger für Sportaufnehmen eingesetzt wird, stört dies aus meiner Sicht nicht. Andere mögen dies anders beurteilen.

Geschwindigkeit: Anzahl Bilder pro Sekunde

Die α900 mit ihrer momentan im KB-Format führenden Auflösung von 24 MP nimmt bis zu 5 Bilder pro Sekunde auf. Die daraus resultierende Datenmenge von gegen 200 MB/s wird im Bedarfsfall parallel von zwei Prozessoren verarbeitet. Falls man RAW+JPEG parallel aufnimmt (und nur dann!), ist der interne Speicher nach ca. 15 Bildern gefüllt. Danach wird der Inhalt sukzessive auf den Massenspeicher – wahlweise CF- oder Memory-Stick-Duo-Karten – umgeschichtet. Es versteht sich von selbst, dass möglichst schnelle Karten ein Muss sind, will man die Kunstpause zwischen den einzelnen Serienbildreihen so gering wie möglich halten. Es hat sich gezeigt, dass die möglichen Schreibgeschwindigkeiten der momentan schnellsten Karten auch tatsächlich ausgenutzt werden.

Der von gewissen Anwendern erhoffte „schnelle Crop-Mode“, z. B. 9 B/s bei 11 MP, existiert bei der α900 nicht. Nach Angaben von Sony hat dies mechanische Gründe: Das komplexe Zusammenspiel von übergroßem Rückschwingspiegel und Sensor-basierten Bildstabilisator erlaubt momentan keine schnelleren Bildfolgen. (Zu den Interna der α900 siehe auch: Begegnung mit der Spitze: Sony alpha 900)

SteadyShot / Antishake

Im Gegensatz zu den objektiv-basierten Bildstabilisatoren ist bei der α900 das Sucherbild nicht stabilisiert. Dafür erhält man den unschätzbaren Vorteil, dass alle Objektive vom „Steady shot“ profitieren – auch ein 1,4/85 mm, ein 1,4/35 mm oder ein 2,8/20 mm. Seit Erscheinen der Minolta Dynax 7D, der ersten DSLR mit sensorbasiertem Bildstabilisator, wurde in den einschlägigen Foren trefflich über die Machbarkeit eines stabilisierten Vollformatsensors gestritten. Selbst nach der offiziellen Ankündigung von Sony verstummten die Skeptiker nicht. Nach Sony-Angaben wurde die Leistung des Stabilisators gegenüber der α700 wesentlich gesteigert, um die weit größere Masse des Sensors ähnlich schnell bewegen zu können. Das ganze „Steady Shot“-System ist sehr aufwändig konstruiert, um die Schwingungen des Spiegels vom Sensor zu entkoppeln. Der Spiegel wird fast parallel nach oben verschoben, und magnetische Dämpfer verringern den Spiegelschlag.
 

Foto Stephan Kölliker

Assisi, Bar „Duomo“: Ausgewogene Belichtung, kaum Überstrahlungen, hoher Kontrast und Detailschärfe – Zeiss Vario Sonnar 2,8/24-70 mm bei Offenblende, 1/10 s und 70 mm Brennweite. Freihändig dank Bildstabilisator.

 
In der Praxis zeigt sich, dass mit dem sehr ausgewogen in der Hand liegenden Minolta AF 2,8/200 mm APO Belichtungszeiten von ca. 1/10 s gut machbar sind. Dies entspricht einem Gewinn von drei Blendenstufen. Gelegentlich lassen sich auch noch 1/5 s nutzen. Mit dem 2,8/20-mm-Objektiv lassen sich Belichtungszeiten von bis zu 1/2 s halten; somit auch hier drei Stufen Gewinn. Oft nimmt man im Grenzbereich Serien mit drei oder vier Bildern auf, um zumindest ein scharfes zu erhalten. Während bei der α700 oft erst das zweite oder dritte Bild befriedigen konnte, ist bei der α900 in der Regel schon das erste Bild der Serie scharf. Damit sind wohl alle Diskussionen vom Tisch, ob der Vollformat-Stabilisator nun funktioniert oder nicht…

Monitor

Der LCD-Schirm der α900 ist derselbe, der erstmals in der α700 und kurz darauf in der Nikon D300 verwendet wurde. Allgemein als kleine Revolution gefeiert, punktet er mit brillanten, leuchtkräftigen Farben und einer Detailauflösung im Bereich dessen, was das menschliche Auge gerade noch wahrnehmen kann. Damit ist bei praktisch jedem Licht eine zuverlässige Beurteilung des gerade aufgenommen Bildes möglich – ausgenommen vielleicht bei direktem, sehr hellem Sonnenlicht.

Bildqualität

24 Megapixel (und geeignete Objektive)

Sorgfältig aufgenommene und aus Rohdaten konvertierte Fotos zeigen einen unwahrscheinlich hohen Detailreichtum, der durchaus mit 30-MP-Mittelformat-Digibacks mithalten kann. Sie sind weit besser als die Kamera-internen JPEGs! Die parallel zu den RAW-Dateien gespeicherten JPEGs werden leider nur in der zweithöchsten Qualitätsstufe aufgezeichnet. Da die Farbabstimmung der Kamera-JPEGs sehr gut ist, wünschte man sich eine weniger starke Komprimierung; JPEGs mit 6-8 MB sind für ein 24-MP-Bild etwas wenig. Sony hat mit der Firmware 4 für die α700 gezeigt, dass man auf Kundenbedürfnisse angemessen und flexibel reagiert; hier sind detailreiche (10-14 MB JPEGs bei 12 MP Auflösung) und rauscharme JPEGs bei hohen ISO-Zahlen mittlerweile möglich. Ein entsprechendes Update für die α900 ist wünschenswert.

Seit der Präsentation von Sonys 24-MP-Sensor kursierten Befürchtungen, dass nur wenige hochwertige Objektive mit seinen Leistungen würden Schritt halten können. Offensichtlich wurden aber die Zeiss- und Sony-G-Objektive darauf ausgelegt, den neuen Sensor bis zum Bildrand hin mit hoher Auflösung auszuzeichnen. Speziell das Sony 2,8/100 mm Macro, das Zeiss 1,8/135 mm, das Sony 2,8[T4,5]/135 mm STF und das Sony 2,8/300 mm SSM G überzeugen auch bei voller Öffnung mit hoher Schärfe bis in die Bildecken. Auch die hochwertigen Zoom-Objektive Zeiss 2,8/24-70 mm und Sony 2,8/70-200 mm SSM G kann man guten Gewissens als offenblend-tauglich bezeichnen. Leicht abgeblendet auf f8 zeigt das 4,5-5,6/70-300 mm SSM G eine Auflösung, die man bisher eher von lichtstarken Festbrennweiten her kannte.
 

Foto Stephan Kölliker

Florenz, Dom: Minolta AF 2,8/20 mm – ein kleines und leichtes Superweitwinkel mit ungewöhnlich hoher Auflösung bis in die äußersten Vollformat-Ecken. Stativ, Blende 11, RAW-Konvertierung mit Photoshop (keine Vignettierungskorrektur)

(Ein Klick aufs Bild führt zur hochaufgelösten JPEG-Version mit knapp 15 MB)
 
 

Foto Stephan Kölliker

Florenz, Sicht von der Straße nach Bellosguardo: Das zwanzig Jahre alte Minolta AF 2,8/200 mm APO trumpft mit überlegener Leistung schon bei Offenblende und bis in die Bildecken auf. Stativ, Blende 4,5, RAW-Konvertierung mit Photoshop (keine Vignettierungskorrektur, keine Korrektur der chromatischen Aberrationen)

 
Interessanterweise existiert eine ganze Reihe älterer Minolta-AF-Brennweiten, die den Anforderungen des 24-MP-Sensors bestens gewachsen sind. Herausragend verhalten sich das viel gerühmte Minolta AF 2,8/200 mm APO, das als eines der zehn besten Kleinbildobjektive überhaupt gilt, ebenso das seltene Minolta AF 2,0/100 mm. Beide Objektive zeichnen bei voller Öffnung bis in die Bildecken scharf; Abblenden bringt praktisch keine Verbesserung mehr. Die andern festbrennweitigen APO-Objektive profitieren von einer leichten Abblendung um 1-2 Stufen, auch wenn bereits die Bildqualität bei offener Blende schon sehr beachtlich ist. Die hochlichtstarken Minolta-Objektive (das AF 1,4/35 mm, das 1,4/50m m und das 1,4/85 mm) haben ab Blende 1,4 eine hohe Detailauflösung, müssen aber auf ca. 5,6 abgeblendet werden, damit der Kontrast auch in den Bildecken optimal wird. Ähnliches gilt auch für das 2,0/35 mm, eine besonders an APS-C-Kameras sehr geschätzte Optik. Das 2,8/20 mm, das in einer überarbeiteten Version nach wie vor von Sony erhältlich ist, muss für optimale Eckenschärfe auf 8 abgeblendet werden. Farbsäume (chromatische Aberration, CA) sind bei allen genannten Objektiven überraschend gering – mit Ausnahme des „purple fringing“ bei 1,4er Optiken mit offener Blende. Bei den Zooms sticht besonders das Minolta AF 4-4,5/28-135 mm heraus. Praktisch vollständig fehlende CAs und die bei Blende 8 erreichbare Eckschärfe stellen alle andern Zooms des Minolta-AF-Systems in den Schatten.

Dynamikbereich

Eine der bemerkenswertesten Eigenschaften der α900 ist ihr enormer Dynamik-Umfang, der nach unabhängigen Tests rund 12.5 Blendenstufen (RAW-Konversion in Photoshop; gemäß Simon Joinson von dpreview) erreicht und damit eindeutig in die Domäne von Spezialkameras (d. h. digitales Mittelformat bzw. Fuji S5) vorstößt. Natürlich nimmt dann in den Schattenpartien das Rauschen zu; man kann aber – gerade auch im Reportagebereich – Aufnahmen realisieren, die mit anderen Kameras so bislang nicht machbar waren: Die in den dunklen Gassen von Florenz abgestellten schwarze „Motorinos“ sind ebenso durchgezeichnet wie das kleine Stück Himmel ganz oben am Bildrand. Eine reife Leistung! Der Dynamikbereich erreicht bei ISO 200-400 sein Optimum. Allerdings ist bei Kamera-JPEGs in Verbindung mit hohen DRO-Levels eher eine Empfindlichkeit von ISO 100 zu empfehlen, wenn man wirklich rauschfreie Schattenpartien haben will.
 

Foto Stephan Kölliker

Florenz, Gassen: Von den hellsten Himmelspartien bis zum Schatten unterhalb der Motorinos – keiner der Farbkanäle „clippt“. Minolta AF 2,8/20 mm, DRO +5, JPEG direkt aus der Kamera.

 
Dynamic Range Optimization (DRO)

Die Dynamikbereich-Optimierung verändert primär die Durchzeichnung in den Schatten. Allerdings tut sie dies auf eine sehr raffinierte und in Bildbearbeitungsprogrammen nur mit hohem Aufwand nachvollziehbare Art und Weise. So werden einzelne Bildbereiche separat analysiert und auch separat bearbeitet. Die Resultate sind oft dramatisch und erinnern manchmal eher an subtil komponierte Gemälde als an Fotografien. Zweifellos muss man sich an solche Bilder zunächst gewöhnen, doch tut sich hier ein neues Potenzial für die kreative Bildgestaltung auf, das ich keinesfalls mehr missen möchte.
 

Foto Stephan Kölliker

Assisi, Sicht von der Piazza S. Chiara: Links ohne DRO, recht DRO Stufe 5 (JPEGs direkt aus der α900). Der Effekt des höchsten DRO-Levels ergibt oft bezaubernd gemäldeartige Bilder.

 
Empfindlichkeit und Rauschen

Das Rauschverhalten von Sonys α700 bei hohen ISO-Werten überzeugt mittlerweile wirklich; es erreicht mit der Firmware 4 faktisch das Niveau der anerkannt guten Nikon D300. Gemäß Sony-internen Tests übertrifft die α900 dieses Niveau sogar. Direkte Vergleiche zwischen α700 (Firmware 4) und α900 zeigen aber, dass die α700 trotz kleinerer Pixel (5,5 µm statt 6,0 µm) überraschenderweise die Nase vorne hat. Bei der α700 (Firmware 4) ist gerade auch die Einstellung „Noise Reduction high“ sehr brauchbar. Sie führt zu einer beachtlichen Reduktion des Chroma-Rauschens, zeigt aber gute Detailauflösung und filmähnliches Korn. Die α900 hat hier (noch) gewisse Schwächen, denn ihr Farbrauschen wirkt ab ISO 1600 unangenehm flockig und fleckig – ganz ähnlich der α700 mit früheren Firmware-Versionen. Persönlich ziehe ich es deshalb momentan vor, die Rauschunterdrückung der α900 auf „low“ zu belassen.

Im Netz kursieren interessante Bilder aus RAW-Daten, die darauf schließen lassen, dass der α900-Sensor wesentlich weniger Rauschprobleme hat als man anhand der JPEGs vermuten könnte. Mit Photoshop konvertierte und auf 12 MP ausgegebene RAW-Dateien sollen sogar das Niveau von Nikons D3 erreichen – ob dies tatsächlich stimmt, lässt sich aber nur durch weitere Versuche belegen.

Farben und Weißabgleich

Bei Insidern waren bereits die Konica-Minolta-DSLRs für ihre angenehme und augengerechte Farbwiedergabe geschätzt. Hier spiegelte sich offensichtlich die Kompetenz von Minolta im Bereich der Farbmessgeräte, aber auch das Wissen von Konica aus der Filmproduktion, wider. Auch die Sony α900 profitiert augenscheinlich von diesen Erfahrungen. Der Weißabgleich lässt sich sowohl automatisch als auch mittels zahlreicher Voreinstellungen problemlos bewerkstelligen. In anspruchsvolleren Situationen greift man mit Vorteil auf die kamera-interne Messung der Farbtemperatur zurück.

Foto Stephan Kölliker

Resümee

Es bleibt nicht viel mehr zu sagen, als dass ich schlicht begeistert bin. Innert kurzer Zeit habe ich die α900 als präzises, wertiges und agiles Werkzeug überaus schätzen gelernt. Die 24-MP-Kamera überzeugt vorbehaltlos: durch Robustheit, Schnelligkeit, ihr Bedienkonzept und die gebotene Bildqualität. Im Übrigen fühlt sich die α900 wie eine „analoge DSLR“ an. Das ist sehr positiv gemeint: Das Handling ist intuitiv, die bisher getesteten Objektive verhalten sich ganz so wie vom Film her bekannt, die Auflösung ist so hoch wie ehedem beim Kodak Technical Pan, der Sucher und das große Sensorformat sind in sich stimmig, und die Schärfentiefe wird wieder selektiv.

Objektivseitig ist man mit den lichtstarken Zeiss- und Sony G-Zooms sehr gut aufgestellt, die Linie der Festbrennweiten hingegen befindet sich trotz einiger ungewöhnlicher Highlights noch in der Aufbauphase. Um dem professionellen Anspruch voll genügen zu können, sind nun hochwertige, leichte (Super-)Weitwinkel und – als Abrundung nach oben – ein bezahlbares „Wildlife“-Tele mit 400 oder 500 mm Brennweite gefragt.

Die α900 ist ein ausgesprochen professionelles Werkzeug für Studio-, Landschafts- und Architekturfotografen, das mit einer Bildqualität aufwartet, die man bislang eher von Mittelformat-Digitalbacks erwartet hat. Das Arbeiten geht zügig vonstatten, und eine unwahrscheinliche Lust am Fotografieren kehrt zurück. Will man die ganzen Möglichkeiten dieser Kamera wirklich ausreizen, ist durchgängig sorgfältiges Arbeiten gefragt. Mittlerweile liegen die ersten Proofs aus der Druckerei vor, im A3-Format und in bestechender Qualität.

Das lange Warten auf Sonys erste professionelle DSLR hat sich gelohnt. Noch ist sie ein „Geheimtipp für Insider“ – wahrscheinlich aber nicht mehr lange.

(Stephan Kölliker)
 
 
Produktfotos von Sony; Beispielfotos von Stephan Kölliker.