Foto Pieter HugoJetzt geht er los, der „3. Europäische Monat der Fotografie Berlin 2008“. Foto-Frisch trifft eine Auswahl der besten Ausstellungen:

Gret Palucca; Foto Atelier Robertson

Stattliche 175.000 Einträge findet man, wenn man den Begriff „Foto-Festival“ bei „Google“ eingibt. Natürlich gibt es nicht so viele solcher Festivals – aber doch: Die Zahl der europäischen Foto-Festivals übersteigt seit einigen Jahren deutlich das Machbare. Das Noch-Erlebbare. Jede deutsche Mittelstadt hat heute ihr kleines Foto-Festival – eine Entwicklung, welche die Bedeutung der Fotografie illustriert – doch auch dazu führt, diese Unmengen von Festivals einfach nicht mehr zu besuchen. Viele der Festivals haben so allenfalls lokalen Charakter – was so schlecht ja auch nicht sein muss.

Anders steht die Sache mit dem „3. Europäischen Monat der Fotografie Berlin 2008“. Dieses Festival, das den gesamten Monat November in Berlin zu sehen ist, kann man getrost als „international“ bezeichnen. Das Motto „Noch nie gesehen“ klingt zwar toll, doch darf man schon anmerken, dass ein Großteil der hier gezeigten fotografischen Positionen durchaus bekannt, also auch „gesehen“ ist. Über 130 Galerien, Projekträume, Museen und Kulturinstitute beteiligen sich in diesem Jahr – wer alles in Augenschein will, wird den Monat über in Berlin verbringen müssen.

Alle anderen schauen sich’s im Netz an – oder treffen vor Ort ihre persönliche Auswahl. Die von „Foto-Frisch“ ist selbstverständlich subjektiv. Auf die große Richard Avedon- oder Gisèle Freund-Schau hinzuweisen, erschien uns überflüssig: Hier werden sich die Foto-Freaks ohnehin auf den Füßen herumtreten. Also: Rein in die kleinen Ausstellungsräume, rein in die Off-Spaces: Hier kann man tatsächlich Neues, Ungesehenes erleben. Dabei hilft ein Katalog, der zum Preis von 6 Euro in allen beteiligten Institutionen erhältlich ist.

Doch zwei große Orte sollen genannt sein: Die Berlinische Galerie in Kreuzberg zeigt die Videoausstellung „Mutations II – Moving Stills“, die historische Panoramaschau „Soweit kein Auge reicht – Berliner Panorama -Fotografien aus den Jahren 1949-53“ sowie den wiederentdeckten „Hans Robertson – Die Berliner Jahre. Fotografien 1927 – 1933“. Hier findet am 1. November um 19 Uhr die Eröffnungsveranstaltung des dritten „MdF“ statt. Zweiter großer Ort sind die Uferhallen im Wedding, die gleich fünf Ausstellungen zeitgenössischer Fotografie zeigen. (Eröffnung am 8. November, um 18 Uhr)
 

Foto Matt Silber; Item 005 „Untitled“ 2004

Matt Silber: Item 005 „Untitled“ 2004, Ultra-Chrome 260,0×111,0 cm, Catalog# 08-VI-005

 
Neues, Ungesehenes, gibt es etwa in der billirubin gallery in der Lilienstraße 127 zu sehen. Hier präsentiert man bis zum 17. Januar „Logos & Untitled“ von Matt Siber aus Chicago – großformatige Fotoarbeiten, die sich mit der Relevanz von Bild und Wort, von Form und Inhalt befassen. Die Galerie: „So entstehen bei der Werkgruppe ‘Untitled’ Diptychen, bei denen alle Schrift- und Textelemente vom fotografischen Motiv extrahiert und parallel separat präsentiert werden. Bei dem Zyklus ‘Logos’ geschieht dies durch eine subtile Freistellung und somit Inszenierung moderner Werbetafeln im städtischen Kontext, die wie Verheißungen im Raum zu schweben beginnen.“

„I can see something you can’t see“ heißt eine Ausstellung von Julia Kissina, die noch bis zum 13. Dezember in der neuen Bereznitsky Gallery (www.bereznitsky-gallery.com) in der Heidestraße 73 zu sehen ist. Das Unheimliche, das Groteske, das Beunruhigende, das Irrationale, ist schon lange Kissinas Thema – so auch jetzt: Wieder sind es Traumzustände, die Kissina – in deutlicher Anlehnung an die Fotografie des Surrealismus – ins Bild bringt.
 

Foto Sandra Kantanen; Reflected lake # 1, 2008  Foto

Sandra Kantanen
Exposure #6 (Christmas Rose), 2008, Pigment print on rag, 130 x 100 cm, Edition 5
Reflected lake # 1, 2008, Pigment print on aluminium, 120,6 x 149, 6 cm with frame, Edition 5

 
Immer lohnend ist ein Besuch der Gallery TaiK in der Bergstraße 22, wo bis zum 30. November die Serie „Shadow Images“ von Sandra Kantanen vorgestellt wird. Die Gallery TaiK ist der Berliner Showroom der legendären finnischen „Helsinki School“, der University of Art and Design Helsinki, an der auch Sandra Kantanen studiert hat. Ihre jetzt gezeigte Serie ist in China, Tibet und Japan entstanden und präsentiert stille Landschaften, Stillleben und Pflanzen. Diese jedoch, so sagt die von chinesischer Landschaftsmalerei inspirierte Künstlerin, seien nur von untergeordneter Bedeutung. In Wirklichkeit geht es ihr um Tieferes: um Ideen hinter der realen Welt.
 

Foto Christian von Steffelin, Loch / Palast der Republik

Christian von Steffelin, Loch / Palast der Republik, ©2006, C-Print, 50×60 cm

 
berg19 raum für fotografie zeigt bis zum 13. Dezember in der Bergstraße 19 die Serie „Palast“ von Christian von Steffelin, der seit Anfang der Neunziger die urbanen Veränderungen im Ostteil Berlins dokumentiert. Seine seit 1994 entstandenen Bilder des Palasts der Republik illustrieren die eigentümliche Melancholie der verlassenen Machtzentrale, die mittlerweile beinahe vollständig abgetragen worden ist.
 

Foto Foto Guy Tillim; Petros Village, Malawi
 
 
Foto Foto Guy Tillim; Petros Village, Malawi

Guy Tillim: Zwei Arbeiten aus der Serie „Petros Village, Malawi“, 2006, Archival pigment ink on cotton rag paper, je 66×94 cm
Courtesy: Kuckei + Kuckei, Berlin, Michael Stevenson Gallery, Cape Town

 
„A Look Away – South African Photography Today“ ist der Titel einer Schau der Galerie Kuckei + Kuckei in der Linienstraße 158, die bis zum 20. Dezember die südafrikanischen Fotografen Pieter Hugo, Sabelo Mlangeni, Mikhael Subotzky, Guy Tillim und Nontsikelelo „Lolo“ Veleko vorstellt. Der Titel der Ausstellung beschreibt, so die Galerie, „was die Fotografen in Südafrika stets vermieden haben. Vor allem während der lang andauernden Demokratiebestrebungen in den Jahren vor 1994, war die Fotografie ein Instrument um politische und soziale Missstände schonungslos zu visualisieren …“
 

Foto Pieter Hugo

Pieter Hugo
Links: In Tyrone Brand’s bedroom, 2006, C-print 132,5×157 cm
Rechts: A hunting trophy fashioned to resemble Zimbabwean President Robert Mugabe, 2006, C-print 157×132,5 cm
Courtesy: Kuckei + Kuckei, Berlin, Michael Stevenson Gallery, Cape Town

 
„A Look Away“: Nur eine von 130 Ausstellungen im monumentalen Berliner Foto-Herbst. Beim Besuchen der anderen 129 sollten Sie aber bitte das Ausruhen nicht vergessen. Schließen wir mit Kant: „Der größte Sinnesgenuss, der gar keine Einmischung von Ekel bei sich führt, ist, im gesunden Zustande, Ruhe nach der Arbeit.“

(Marc Peschke)