Schiff Nr. 7, Foto Dirk Brömmel

Ein Interview mit Dirk Brömmel.

photoscala: Schon lange fotografieren Sie Schiffe aus der Vogelperspektive – von Brücken herab. Wann haben Sie damit begonnen – und warum wächst die Serie „Kopfüber“ bis heute weiter? Was fasziniert Sie so sehr an Schiffen?

Dirk Brömmel: Meine Schiffserie „kopfüber“ fotografiere ich seit 2002. Die Vielzahl der grafischen Elemente und Strukturen in diesem autarkem Raum fasziniert mich, wobei das Schiff als solches gar nicht so sehr im Vordergrund steht. Es geht mir vielmehr um das, was sich darauf beziehungsweise unsichtbar dahinter verbirgt. Jedes erzählt eine eigene, kleine Geschichte und lässt gleichzeitig Raum für weiterführende Gedanken. Durch die leider sehr zeitaufwendige Produktion jeder einzelnen Arbeit – bis heute gibt es erst 25 Schiffsarbeiten – ist mein visueller Hunger noch lange nicht gestillt.

photoscala: Auf Ihren Bildern sind ausschließlich die Schiffe zu sehen – doch nie die Flüsse, auf denen sie fahren. Sie stellen die Schiffskörper frei. Warum?

Dirk Brömmel: Bei meinen Arbeiten geht es nicht um den Lebensraum in denen sich meine Objekte bewegen. Sie sind mehr Träger von etwas und sollen beziehungsweise können sich in jedem Raum befinden.

photoscala: Sie fotografieren mit einer Digitalkamera, Dutzende von Einzelaufnahmen, um die einzelnen Teilausschnitte später am Rechner zusammenzusetzen. Das fertige Bild zeigt das Schiffsdeck an allen Punkten in direkter Aufsicht. Gewissermaßen ein „unmögliches“ Bild, oder?

Dirk Brömmel: Für den Betrachter vielleicht ein ungewöhnliches Bild. Aber im Grunde nicht unmöglich in der Machbarkeit. Wenn man sich die heutige Satellitentechnik anschaut, sind über dieses Medium solche detailgetreuen Aufnahmen in Zukunft wahrscheinlich möglich. Wer weiß, vielleicht schon heutzutage. Allerdings kann ich mir keinen Satelliten leisten, also greife ich auf meine Möglichkeiten der Umsetzung zurück …
 

Schiff Nr. 7, Foto Dirk Brömmel

 
photoscala: Oft wirken ihre Schiffe wie ein Modell. Woran liegt das?

Dirk Brömmel: Ich denke es liegt vor allem daran, dass die Schiffe ihrer natürlichen Umgebung beraubt wurden. Verstärkt wird dieser Eindruck bei menschenleeren oder fast menschenleeren Schiffen. Aber dieses Gefühl vergeht meist nach dem ersten genaueren Betrachten. Kleinigkeiten wie etwa ein abgestelltes Fahrrad oder ein einzelner Mensch, der es sich auf dem Deck eines riesigen Kohle-Transportschiffes gemütlich gemacht hat, irritieren die Menschen mit „Modell-Theorie“ zunächst und bringen sie dann auf die richtige Fährte. Außerdem gehen viele Betrachter davon aus, dass es sich unmöglich um ein „richtiges“ Schiff handeln kann, weil man solch riesige Objekte in einer Aufnahme nicht mit dieser Perspektive fotografieren kann. Stimmt ja im Grunde genommen auch. Diese Art der Darstellung ist für viele Betrachter zu ungewohnt und wird somit als Unmöglich abgetan.

photoscala: Man kann viel sehen auf Ihren Schiffen, oft sind Menschen zu entdecken, doch gleichzeitig wirken ihre Arbeiten ungemein abstrakt und strukturell. Ist das ein Widerspruch?

Dirk Brömmel: Inhaltlich muss das kein Widerspruch sein. Es ist nur eine andere Form der Wahrnehmung. Bei den Frachtschiffen steht mehr die Struktur und bei den Personenschiffen mehr der Mensch im Fokus der Betrachtung.
 

Schiff Nr. 4, Foto Dirk Brömmel

 
photoscala: Es gibt aktuell andere Fotokünstler, die sich auch dem „Blick von oben“ verschrieben haben – wie etwa Andreas Gefeller mit seinen „Supervisions“. Mir scheint, die Fotokunst beginnt nun endlich, die Möglichkeiten der Digitalfotografie auf künstlerisch neuartige Weise zu nutzen.

Dirk Brömmel: Das wurde auch mal langsam Zeit. Inhaltlich kann man das Wissen der Analogfotografie auf die Digitalfotografie 1:1 übertragen. Doch gelten für diese andere Gesetzmäßigkeiten, die wir weiter entwickeln müssen und können. Man muss sich die Vorteile der digitalen Fotografie zu nutze machen. Auch die scheinbaren Nachteile fordern mich eher heraus, als dass ich mich über sie ärgere. Oftmals entsteht ja gerade durch „Fehler“ etwas Neues.

photoscala: Sie zeigen etwas, was man in Wirklichkeit nicht sehen kann. Ihre Kunst pendelt zwischen Fiktion und Realität, sie spielen mit der Wahrnehmung. Eigentlich ein klassisches Thema der Fotokunst, oder ?

Dirk Brömmel: Hm – vielleicht bin ich genau aus diesem Grund Fotokünstler … Ernsthaft – ja, es ist für mich ein besonderer Anreiz das eigentlich nicht Darstellbare, darstellbar zu machen. Gerade bei den Schiffen, aber auch bei meiner Serie der Villa Tugendhat geht es um das „Spiel“ mit dem Faktor Zeit. Bei jeder Art von Kunst sollte man seine persönliche Handschrift herausarbeiten. Dies gilt umso mehr für die Fotokunst, mit ihrer wachsenden Bilderflut. Die Herausforderung liegt darin eine visuelle oder inhaltliche Alleinstellung zu finden.
 
 
Mehr von und zu seinen Arbeiten auf Dirk Brömmels Homepage.

Das Interview führte Marc Peschke.