Der lakonische Dokumentarismus, die Alltäglichkeit des Grauens, die Banalität des Bösen – das ist hier das Besondere 

Polizeifotografie ist seit der Wiederentdeckung des Schweizer Polizeifotografen Arnold Odermatt auch ein Thema der Fotokunst. Ein halbes Jahrhundert fotografierte Odermatt Verkehrsunfälle mit seiner Rolleiflex – Bilder, die nun, später Ruhm, zu Kunst erklärt wurden und in Ausstellungen wie der venezianischen Biennale und vielen Publikationen zu bestaunen waren.
 

Foto

Derringer, Tödlicher Unfall, Mannheim. SW-Fotografie; frühe 1960er Jahre. © Polizeipräsidium Mannheim

 
Verkehrsunfälle, Spurensicherung, auch Blut und Tod – all das gab es natürlich auch in der bundesdeutschen Polizeifotografie. Die Mannheimer Ausstellung „Spurensuche“, noch bis zum 6. April zu sehen, versammelt Exponate, die zwischen 1946 und 1971 in Mannheim und Umgebung entstanden sind. Zu sehen sind Tatorte, Orte des Dramas und der Drastik, die in der fotografischen Inszenierung jedoch auf sonderbare Weise leer und leidenschaftslos wirken.

Es ist der distanzierte, kriminal-statistische Blick, der den von den Fotografen der Mannheimer Polizeidirektion angefertigten Bildern einen besonderen Reiz gibt. Wir sehen Orte des Leidens, der körperlichen Versehrung, intimste Blicke in Wohnräume und Häuser, ins Leben der Menschen: Blicke, so kalt wie Eis.
 

Selbsttötung, Mannheim. SW-Fotografie; Mitte 1950er Jahre. © Polizeipräsidium Mannheim

 
Der lakonische Dokumentarismus, die Alltäglichkeit des Grauens, die Banalität des Bösen – das ist hier das Besondere. Aber so ist es ja auch. In den Alltag, ins Leben hinein trifft der Schlag. Ein Unfall. Ein Verbrechen. Die Verkehrskreuzung, die Parkbank, das unaufgeräumte Zimmer mit der aufgeschlagenen Zeitung, alles sieht ganz normal aus. Und manchmal ist es nur ein Blutfleck, der erzählt, dass hier gar nichts normal ist.
 

Opfer einer Engelmacherin, Mannheim. SW-Fotografie; späte 1940er Jahre. © Polizeipräsidium Mannheim

 
Häufig sind neben Tatwaffen auch Leichen zu sehen, wie etwa auf dem in den späten vierziger Jahren entstandenen, bestürzenden Bild einer Frau, die Opfer einer Engelmacherin geworden ist: In einer Baugrube liegt die anonyme Tote, nur ihre nackten Beine sind zu erkennen. Auf besonders drastische Weise wird hier deutlich, dass viele der gezeigten Bilder nicht für die Öffentlichkeit bestimmt waren. Wir sehen Bilder, die wir eigentlich nicht sehen sollten, weil sie Privatestes, den Tod nämlich, in die Öffentlichkeit zerren. Der jetzt erschienene Katalog präsentiert eine Auswahl der Bilder und führt in das Thema ein.

(Marc Peschke)
 
 
Ausstellung:
Spurensuche – Polizeifotografie Mannheim 1946 – 1971
Mannheim; 16.09.2007 – 06.04.2008 (wurde wegen des großen Erfolgs verlängert)
Museum Weltkulturen D5
PPArt im Polizeipräsidium Mannheim L6.1

Alfred Wieczorek und Thomas Schirmböck (Hrsg.)
Spurensuche – Polizeifotografie Mannheim 1946 – 1971 (bei amazon.de)
112 Seiten. 108 Bilder. Fadengehefteter Pappband. 24 x 28 cm
Verlag Schnell & Steiner
Regensburg 2007
ISBN 978-3-7954-2039-0
24,90 EUR
 

Nachtrag (23.7.2009): Die gezeigten Fotos waren irrtümlich Arnold Odermatt zugeordnet. Das wurde geändert.