Fotograf – ein Beruf, in dem die „verehrte Kundschaft“ zwischen hässlichem Entlein und Protzlümmel changiert

Nur wenige andere berufliche Tätigkeiten sind dermaßen widersprüchlich schillernd im Bewusstsein einer breiteren Öffentlichkeit verankert wie derjenige der gewerblichen „Knipser“. Das liegt begründet in der ausschnitthaften Wahrnehmung des Tuns und den einer Öffentlichkeit präsentierten bildlichen Ergebnisse.

Wer weiß schon, dass ein Fotograf mit seinen unterkühlten Bildern von nackten Frauen eben nicht sein Brot verdient, sondern alltäglich ganz „gewöhnliche“ Sach- und Werbebilder produziert?

Wer nimmt wahr, dass die „Location“ an einem der schönsten ostafrikanischen Sandstrände als Kulisse dient, damit Stunde um Stunde unterschiedlichste Modelle in der biederen Konfektionskleidung eines Versandhauses sich ins Licht stellen, während hinter dem Fotografen die Vertreter und Vertreterinnen der Auftraggeber darüber entschieden haben, wer welche Kleidung trägt und mit welchem Posing vor der Kamera steht? Und abends, dann werden diese Hunderte von Fotos vom Fotografen gesichtet, aus winzigen Unterschieden die Besten gewählt und noch in der Nacht zusammengestellt, damit vom Hotel aus per Internet die Bilddaten morgens in einer Agentur vorliegen, wo ausgeschlafene Grafiker (die sich nicht so selten für die besseren Fotografen halten) darüber entscheiden, wie gut jemand vor Ort seinen Job macht. So wird jeder Auftrag schon während der Arbeit zur Empfehlung für die Zukunft.

Oder im heimischen Studio. Auch hier schauen einem nicht selten die Auftraggeber über die Schulter, beäugen kritisch am Monitor die entstandenen Bilder und „wünschen“ diese und jene Änderung von Licht und Ausschnitt, möchten beispielsweise bei Möbelaufnahmen spontan von den eigenen Bildideen nichts mehr wissen, um möglichst sofort alles anders im Bild zu haben, denn Zeit ist Geld.

Oder die vielen kleinen Studios in den Nebenstraßen der Städte, die sich bereithalten, um mit ihren wenigen fototechnischen Geräten jene Porträtaufnahmen zu schaffen, von denen eine „verehrte“ Kundschaft selbst nicht weiß, was möglich ist. Dabei bleibt der straßentaugliche Bildgeschmack ebenso erhalten, wie das Selbstbewusstsein der zahlenden Kundschaft zwischen hässlichem Entlein und Protzlümmel changiert. Zur maßgeblichen Umsatzsteigerung tragen Hochzeitsaufnahmen bei, schon, um den kleinen Laden am Laufen zu halten. Und immer wieder gibt die Kundschaft zu erkennen, dass man als Fotograf zu teuer sei. (So manche Hochzeitsaufnahmen werden erst viel, viel später abgeholt, nach drängendem Nachfragen.)

Dann sind da noch die Pressefotografen. Festangestellt folgen sie dem Zeitplan der Redakteure, die, über den Tag verteilt, in der Pressekonferenz einer Hilfsorganisation sitzen, beim Empfang wichtiger Gäste im Rathaus dabei sind, dem Bericht der Polizei über das Unfallgeschehen des letzten Halbjahres folgen und am frühen Abend dann noch beim Schützenverein der Wahl des neuen Vorsitzes, dessen Wiederwahl schon lange vorab abzusehen ist, beiwohnen. Überall erscheint der angestellte Bildreporter, macht ein Bild im Sinne des Redakteurs und ist schon wieder verschwunden. Bei kleinen Redaktionen bleibt alles in einer Hand, Schreiben und Fotografieren. „Freie“ Mitarbeiter machen das dann für ein paar Euro, oder sogar lediglich gegen Namensnennung, was letztlich nur bedeutet, die redaktionelle Verantwortung auf diese Gelegenheitsknipser abzuwälzen.

Gewerbliches Fotografieren heißt, sich mit den Bildideen Fremder auseinander setzen zu wollen. Der Fotograf ist ein Teamarbeiter. Fast alle Fotografien sind lediglich ein Teilprodukt im Arbeitsfeld anderer.

Und wo sie es nicht sind, ist die Finanzierung höchst schwierig. Wer beispielsweise als Reisefotograf arbeitet, verbringt mehr Zeit mit den Vorbereitungen, mit redaktionellen Gesprächen, der Suche nach Finanzierung, den Einreisebedingungen und der Gesundheitsvorsorge, Zeitplänen, Hotelbuchungen, oder der Planung von Reiseführung; ist länger der Organisation verhaftet als die gesamte Reise dauern wird. Es geht beim Fotografieren eher um eine Antwort zu Fragen des nahe liegendsten Entwicklungslabors, des Einkalkulierens des Was-wäre-Wenn und schließlich zu einer möglichen, aber unbestimmten, Mehrfachverwertung in der nahen Zukunft. Viele Planungen beginnen bereits mehr als ein Jahr vor der vielleicht nur vierwöchigen Reise. Allein die Frage der Bildrechte oder der speziellen Benennung von Bildern ist voller juristischer Fallstricke. (Wussten Sie, dass der Name „Eiffelturm“ unter einem Ihrer Bild nicht stehen sollte, um Geldforderungen der privaten Namensrechte-Inhabers nicht ausgesetzt zu sein?)

In den Hochglanzmagazinen der Fotopresse liest man von all dem nichts. Probleme? Welche Probleme? Der Fotograf kam, sah und fotografierte wie abgedruckt.

Doch wer als Fotograf für andere arbeitet, muss nicht nur technisch vergleichbar gut sein – was auf viele zutrifft – man muss darüber hinaus vollkommen umkompliziert sein. Es bedeutet, man hat zwar eine Meinung, aber diejenige der Kunden geht vor – immer.

Was heißt das nun, fotografierend „selbständig“ zu sein?

Es bedeutet, von anderen abhängig zu arbeiten. Der einzige Freiraum: Man ist und bleibt zurückgezogen auf das Wesentliche der Fotografie, den Blick für den Ausschnitt und die Möglichkeiten des Lichtes. Doch schon, was einem vor die Kamera kommt, ist fremdbestimmt und nur die eine Seite der Medaille. Welche Fotos als Bild das Interesse der Öffentlichkeit erreichen, das ist die andere, denn solches wird woanders entschieden. Der „Bildermarkt“, das ist der Zugang zur Öffentlichkeit. Er wird beherrscht von Profis, mit denen man „können“ muss, die ihre Reichweite abgesteckt haben und fest im Griff halten. Werbung, redaktionelle Fotografie, Reisebilder und Buchillustration, selbst nüchterne Sachfotos unterliegen dem nachfolgenden, kritischen Blick derjenigen, die diese Fotos weiter verarbeiten und vermarkten wollen.

Selbst wer losgelöst im kleinen Rahmen arbeitet, etwa den Auftrag eines mittelständisches, metallverarbeitendes Unternehmen annimmt und dessen Blechverarbeitung im Bild festhält, entgeht nicht der äußerst kritischen Meinung, spätestens dann, wenn der Auftraggeber mit der gedruckten Qualität der Katalogbildchen nicht zufrieden ist, dessen Nachfragen aber von der Druckerei abgewehrt wird, da das nicht an ihnen läge, sondern an der Qualität des Fotos. Spätestens dann wünscht ein Fotograf sich das Umfeld einer sachverständigen Agentur, die die Fotos abgenommen hat.

Glücklich diejenigen, die als Hobbyisten selbst entscheiden können, welche Fotos wie präsentiert werden und damit nicht ihren Lebensunterhalt bestreiten müssen. Doch das hat mit dem „Job“ gar nichts zu tun.

(Adrian Ahlhaus)

Mit freundlicher Genehmigung des Autors
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Aus dem Blog: Die Welt der Photographie