Das Lehrbuch von Harald Mante zu „Bildaufbau & Farbdesign“, so der Untertitel von „Das Foto“, ist kürzlich in einer Neuauflage erschienen. Das Buch ist alt bekannt, denn vor mehr als 20 Jahren wurde es erstmalig aufgelegt. Und, um es vorweg zu nehmen: Etwas Besseres zum Farbdesign ist in den Jahren nicht erschienen:

Ansonsten aber ist Harald Mante für mich eher ein rotes Tuch, weil behaftet mit weniger erfreulichen Erinnerungen an einen dieser „Verrückten“ aus der Fotoklasse von Pan Walther, an der Fachhochschule Dortmund, wo mir der für seine Fotos bewunderte Foto-Designer Mante begegnete. Aber der Blick in die Lehrtätigkeit kurierte mich gründlich, und als Fotograf aus dem Handwerk war ich mehr als nur irritiert von der Wissensvermittlung. Hatte ich zuvor jedes Foto mit besonderer Aufmerksamkeit beachtet, so habe ich seither keinen Bildband von Harald Mante ansehen wollen. Meine Begeisterung fiel durch einen harten Boden hindurch in eine erschreckende Ernüchterung, wie wenig Pädagogik es bedarf, um als Dozent tätig sein zu können. (Und ich dachte damals, mein Lehrmeister täte sich schwer mit Erklärungen.)

Ich schreibe dies alles vorweg, damit man meine Vorbehalte gegen die Person Mante berücksichtigt, wenn ich mir ein Urteil zu diesem Buch erlaube. Schon wegen der zwiespältigen Gefühle nähere ich mich dem Buch systematisch.

Für einen Verkaufspreis von fast 50 Euro sollte man einiges erwarten können. Schon beim Durchblättern sieht man viele, viele Bilder in Farbe und gelegentlich etwas in Schwarzweiß, was angesichts das Buchtitels irritieren mag. Allerdings, dem Untertitel entsprechend, geht es auch um die Bildgestaltung. Zugleich sollte man bedenken, wie nützlich es sein mag, wenn die bildliche Qualität von Farbigkeit heraus gestellt wird durch zusätzliche, unbunte Fotos.

Fast 200 Seiten wollen betrachtet werden mit noch mehr Fotos, und das geht nicht mal so nebenbei, an einem Abend. Da ist es erfreulich, ein ordentlich gebundenes Buch in Händen zu halten, das nach einigem heftigen Umblättern immer noch zusammen hält. Die Kombination aus Fadenheftung und Kleberücken, in einem festen Einband, scheint für den dauerhaften Gebrauch geeignet. So viel Aufwand ist im Buchgeschäft schneller Fotobücher nicht selbstverständlich. Doch dieser Band hat eine Vorgeschichte und einen herausragenden Anspruch.

Sehen wir hinein.

Es fällt der geringe Anteil von Text auf. Von einem Lehrbuch erwartet man eher das Gegenteil, wenige Bilder und ellenlange Erklärungen. Doch das ist bei diesem Buch nicht der Fall. Hier hält man einen Bildband in Händen.

Ich freue mich über die Fotos, begegnet mir hier doch ein altbekannter fotografischer Stil. Obwohl, ich habe ein eher zwiespältiges Verhältnis zu vielen Bildern von Mante. Während mir die teilweise recht reduzierten Bildinhalte allzu formelhaft erscheinen, bin ich zugleich und immer noch fasziniert von der bedingungslosen Reduzierung auf die Ästhetik.

Ein Beispiel: Kennen Sie die kleinen, bunten Holzhäuser Skandinaviens? Ein solches, hübsch pittoresk, in blau, weiß und rot mit Tür und zwei Fenstern (S. 76, Bild 6), formatfüllend ins Bild gesetzt, fällt ebenso auf wie überhaupt diese irrsinnige Farbigkeit, die durchaus zu einer bildmächtigen Realität wird, der man sich kaum entziehen kann.

Oder ein Verkehrsschild in dunklem Blau mit Weiß, das sich gegen den blauen Himmel abhebt. Und immer wieder diese ausschnitthaften Bilder, die von einer strengen Formalisierung der Motive zeugen. Ausschnitte, überall Ausschnitte. Von Gebäuden und Objekten mit klaren Linien und Kanten. Der Bildaufbau der Avantgarde der siebziger Jahre. Wer Mante nicht kennt, mag vielleicht Fontana kennen und an ihn erinnert werden.

Und dann diese Farben, die man erstmal entdecken muss, zugegeben.

Doch irgendwie wird mir von den vielen knalligen Farben ganz anders, wenn ich sattestes Blau und Rot und so weiter sehe.

Überhaupt ist in diesem Buch von Harald Mante die fotografische Welt voll knallbunt angemalten Objekte. Das Blattgrün erschlägt mich (S. 14). Der rote Lichtkranz, um die auf- oder untergehende Sonne, wirkt so real wie ein rotes Krokodil (S. 105, Bild 17). Doch es sind solche Bilder, die mich zugleich staunen lassen angesichts der suggestiven Kraft.

Habe ich in meinen ersten fotografischen Gehversuchen nicht selbst nach solchen Motiven gesucht? Begegnet sind mir viele gebrochene Farben: rostrot und gelb im Himmel, braun und gelb im Wasser und Grün in grauer Fassade. Nein, die Welt von Harald Mante ist nicht meine Welt. Mir wird eher übel bei so viel geballter und ungetrübter Farbigkeit und einer dermaßen ungehemmten formalen und sterilen Ästhetik.

Wären die Bilder im Buch nicht schon zu den Zeiten einer vor-digitalen Fototechnik entstanden, dann würde ich Ihnen nur wenig Realität zutrauen und viel, viel Bildbearbeitung vermuten. Doch auch so kann die plakative Farbigkeit wohl nur in einer hochspezialisierten Labortechnik gelingen, die zu beherrschen schon ein Meisterstück ist.

Doch auch erholsame Bilder gibt es für mich. Doppelseiten in schwarzweiß, offensichtlich frühe Bilder. Sie erinnern mich an Pan Walther. Zwar schon deutlich ausschnitthaft, wird die Suche nach einer neuen Bildsprache erkennbar, mit einer strengeren Reduziertheit der Bildinhalte auf die gestalterische Bildmacht (S. 86/87 und andere). Auch wird in einigen Bildern die nicht reine Farbe thematisiert (Beispiel: 125/125).

Dazu steht begleitend einen Text: „Die Qualität einer Farbe wird durch die Reinheit bestimmt.“ Muss man das wissen oder verstehen und, was nutzt das?

Doch zu einem Lehrbuch gehören auch erklärende Texte. Dabei stellt sich mir noch verstärkt die Frage nach dem Nutzen. Eine Kapitelüberschrift mag als Beispiel herhalten: „Die Farben der dritten Ordnung, der Qualitätskontrast.“ – Sind solche Zusammenhänge / Erklärungen / Modelle nicht allzu weit weg von der Praxis? Wozu dieses Systematik dienen soll, beschreibt Mante selbst: „Ohne Kenntnis der Ordnungssysteme kann eine Zu- und Einordnung der Farben nur emotional und rein auf persönliche Einschätzung erfolgen.“

Und ich frage entgeistert zurück ins Buch: Wie soll denn eine Einschätzung von Farben sonst erfolgen? Es sind die Emotionen, die auf Farben aufmerksam machen und diese geben einen Eindruck von der Glaubwürdigkeit jener Farben, die uns in den Objekten begegnen.

Ein anderer Text: „So wie sich aus der Mischung von je zwei Farben der ersten Ordnung eine Farbe der zweiten Ordnung ergibt, können auch aus den Primärformen Dreieck, Quadrat und Kreis die Sekundärformen Trapez, Oval und Rundeck entstehen.“ – Ach, wie aufschlussreich. Und wieder stellt sich mir die Frage nach dem Nutzen. Mit einem solchen kunsttheoretischen Modell erklären Sie mal bitte etwas relativ Einfaches, beispielsweise einen Lattenzaun.

Glücklicherweise kann man über die insgesamt unbedeutenden Texte leicht hinweglesen. Ebenso bieten die Bilder weitgehend sinnbefreite Inhalte, reduziert auf eine formal-ästhetische Anmutung. Und das erinnert mich wieder sehr an meine prägenden Eindrücke zur Person.

Trotz allem: Die Bilderschau von „Das Foto“ bietet ungeheuer viele subtile Eindrücke von den exzessiven Möglichkeiten, die mit der Gestaltung gegebener Formen und Farben möglich sind.

Harald Mante
DAS FOTO – Bildaufbau und Farbdesign (bei amazon.de)
192 Seiten, über 700 Farbabbildungen und Grafiken, Großformat 22,5 x 29 cm, gebunden mit Schutzumschlag
ISBN 978-3-933131-94-2
EAN 9783933131942
EUR(D) 49,95, EUR(A) 51,40, CHF 82,00

(Adrian Ahlhaus)

Mit freundlicher Genehmigung des Autors
(c) 2007 Adrian Ahlhaus
All rights reserved
Aus dem Blog: Die Welt der Photographie