Es ist ein Kennzeichen der Unsicherheit, wenn man folgert, dass eine bestimmte Kamera oder allein eine bestimmte technische Anwendung zu besseren Bildern verhelfe

Glaubenskrieger in der Fotografie

Neulich hatte ich in einem Forum eine lange, lange Reihung von Kommentaren vor mir, die, wie fast immer in Foren, von einem aktuellen Thema angestoßen schließlich in einem Krieg der Meinungen endete. Mit der entfesselten Kraft der Worte wurde in mehr oder weniger, zumeist weniger, eloquenter Schreibe den jeweiligen anders Meinenden vorgeworfen, mit grundsätzlich falschen Voraussetzungen des Wissens an der Diskussion sich zu beteiligen. Die Meinungen standen einander entgegen und rangen um Wort-Führerschaft.

Schließlich wurde gestritten, welche Argumente zulässig seien und welche Schlussfolgerungen gar keine seien könnten, weil die fachliche Einsicht in die Grundlagen fehle. Und überhaupt sei die eskalierende Schärfe bei der Wortwahl eine unnötige Situation, die ganz einfach und friedlich zu beenden sei, wenn die Irrenden nur zur Einsicht kämen über ihre Fehler.

Für den Verlauf eines Austausches von Meinungen ist es natürlich fatal, wenn diejenigen, die sich im Vollbesitz der richtigen Ansicht wähnen, denjenigen, die anderer Meinung sind, nun mit Worten gebieten wollen, zurück zu kehren von ihrem unerlaubten Ausflug in die weite Welt der Meinungen.

Letztlich ging es darum, welcher Hersteller die besseren Komponenten für die Fototechnik liefere, oder bei welchem gleich das ganze System als wegweisend zu verstehen sei, weil allein zukunftsfähig. Die das Wort führenden Fraktionen nenne ich hier mal in loser Folge und bar jeder Wertung: Canon, Nikon und Olympus. Andere Meinungen wurden schon deshalb nicht als Fraktionen erkannt, weil diese, zahlenmäßig unbedeutend, als Außenseiter galten, da sie weder die eine noch die andere Positionen stützten.

Kurz: Es ging zu wie wenn Religion und Politik gemeinsam ein Haus besetzen. Die Kakophonie klang auch wie ein Meinungsstreit zur Bedeutung des Osterfestes, jenseits der feierlich wohlgesetzten Worte. Und – es ist der Alltag in Foren.

Tatsächlich werden in der Diskussion über die Fotografie die Bildprodukte und die Technik gerne gemeinsam gesehen. Das ist angesichts der Frage, wie eine Idee vom Bild technisch realisiert wird, durchaus sinnvoll. Es führt aber zugleich in ein ziemlich beengendes Denken, wo schon ein wenig Kreativität die Lösung bietet könnte.

Ein Beispiel aus vergangenen Tagen der Fototechnik. In der Großbildfotografie, der ehemaligen und unbestrittenen „Oberklasse“ der Fotografie, also bei den Bildformaten von 9 x 12 Zentimeter und größer, teilten sich in West-Deutschland wenige Hersteller den Markt mit Produkten, die als System betrachtet den Gegenwert eines Autos der Mittelklasse darstellten.

„Linhof“, „Plaubel“ und „Sinar“ waren die Namen und die Firmen heißen auch heute noch so. Eine führte nun eine Konstruktion ein, die torkelfreie Verstellwege möglich machte. (Man muss nun nicht wissen, was das ist, doch wen’s interessiert, der lese bei www.sinar.ch / Infos / Know How.)

Und schon war klar, besonders all jenen, die noch keine großformatige Kamera besaßen, dass nur dieser Hersteller die Voraussetzung bot, um problemlos gute Fotos zu machen. Heftige Diskussionen, wohl über Jahrzehnte, folgten. (Dabei wurde diese an Film gebundene Fototechnik weitaus weniger von „Innovationen“ heimgesucht, als die derzeitige digitale Technik, die in den Kinderschuhen steckt.)

Nervige Leute waren das, die mit ihrem XY-Hersteller glaubten, die Fotografie von den Fesseln einer Fehlentwicklung befreien zu müssen. Tatsächlich, es war eine Verbesserung, eine „Innovation“. Doch betraf diese eine eher seltene Problemstellung im Bereich Architektur- und Sachfotografie. Also ließ man es dabei, diese Leute mit „ihrer“ Kamera als die ein wenig überspannten Propagandisten einer Firma zu verstehen und fotografierte weiterhin erfolgreich mit den vorhandenen Kameras des Großformats.

Und das ist auch heute noch so. Die derzeitig angebotenen neuen und kompakten Kameras für den mobilen Einsatz im vornehmlich weitwinkligen Arbeitsbereich „Architektur“ kommen ohne dieses Verstellprinzip aus.

Letztlich zählt, wie ein Fotograf oder eine Fotografin die Kreativität auch dafür nutzt, diejenigen Probleme zu lösen, die sich vor Ort stellen. Und diese sind aus fotografischer Sicht so vielfältig, dass die vorhandene Technik nie ausreichen wird, um für alle Belange eine vorgefertigte Lösung zu bieten.

Es ist ein Kennzeichen der Unsicherheit, wenn man folgert, dass eine bestimmte Kamera oder allein eine bestimmte technische Anwendung zu besseren Bildern verhelfe. Ja „verhelfe“, denn darum geht es bei vielen Fotografen und Fotografinnen in der Fotografie: Um Hilfe bei der Bewältigung einer Aufgabe, die zumeist von anderen bereits erfolgreich gelöst wurde. Man möchte das eigene Unvermögen überwinden und unbedingt dazu gehören; „es“ geschafft haben.

Es ist nicht die Kamera, die zu neuen Ufern führt. Dazu kann sie lediglich beitragen. Jedoch entscheidet letztlich die Anwendung, welche Fotos möglich sind.

Man muss als Fotograf seine Werkzeuge, Licht und Kamera, beherrschen; nicht Technik den Fotografen.

Fertigkeit kann man nicht kaufen.

(Adrian Ahlhaus)

Mit freundlicher Genehmigung des Autors
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Aus dem Blog: Die Welt der Photographie