Fragten wir uns vor ein paar Tagen, ob Fujifilm den Dornröschenschlaf hält, so können wir diese Frage heute teilweise beantworten: Teile des grünen Riesen liegen in Agonie bzw. sind am Absterben, andere allerdings entwickeln hektische Aktivität:

Dank eines Hinweises von L.S. in Ergänzung des Artikels Schläft der grüne Riese den Dornröschenschlaf? sind wir auf ein Fujfilm-Dokument von Anfang des Jahres aufmerksam geworden, das den herrlichen Titel Optimizing Business Systems for Imaging Solutions and Growth Strategies for the Future trägt (sinngemäß: Optimierung der Geschäftsbereiche und Bilderlösungen sowie Wachstumsstrategien für die Zukunft). Im Zuge dieser Recherchen ist uns auch wieder das schon etwas ältere Dokument Vision 75 untergekommen, in dem Fujifilm mittelfristige Pläne formuliert. Beide können als (englischsprachiges) PDF heruntergeladen werden: Message from the Management (nach unten blättern).

Vision und Wahrheit

Das Dokument Vision 75 vom Februar 2004 ist verhalten interessant – so werden (natürlich) Umsatz- und Gewinnsteigerungen innerhalb der kommenden drei Jahre angestrebt, bestehende Geschäftsbereiche sollen ausgebaut, der Bereich „consumer imaging products“ gestärkt werden. Das wollen alle.

Anmerkenswert ist hierbei, dass Fujifilm Komponenten für Kamerahandys eigens erwähnt und augenscheinlich wie viele andere hohe Erwartungen in diesem Segment hegt. Die Forschung und Entwicklung bei Digitalkameras soll intensiviert, die Produktionsabläufe optimiert werden. Und sogar zu analogen Materialien macht sich Fujifilm Gedanken: Eine Möglichkeit, Farbfilme zu verkaufen, sieht Fujifilm im (tatsächlich nicht unerheblichen) Markt für Einwegkameras.

Während Vision 75 vom Februar 2004 stammt, sind dem Optimierungs-Dokument vom Januar 2006 aktuellere Erkenntnisse abzugewinnen.


Konstatiert wird der rapide Nachfrageschwund bei Farbfilmen, aber auch die Nachfrage nach Digitalkameras wird nicht rosig beurteilt: Das Wachstum verlangsamt sich, die Preise brechen ein (-10% pro Jahr). Interessant nun der Vergleich mit den in Vision 75 formulierten Zielen: Fujifilm vermag einzig im Bereich „Imaging“ eine Fehlprognose zu entdecken – die aber ist mit einer Abweichung von 85% (nach unten) immens.

Um dem zu begegnen, hat sich das Unternehme eine ganze Reihe Maßnahmen ausgedacht; allem voran eine Beschleunigung der Strukturreform. Im Speziellen werden für die (uns interessierenden) Einzelbereiche folgende Ziele definiert:

Lichtempfindliche Materialien
• Stilllegung von Produktionskapazitäten
• Personalabbau durch Reorganisation
• drastische Reduzierung von Forschung und Entwicklung

Elektronisches Imaging-Geschäft
• Stärkung der Alleinstellungsmerkmale bei hohen Empfindlichkeiten
• Herunterfahren der heimischen Produktion und Verlagerung der Massenfertigung nach China
• Massive Kostensenkungen und Vermögensabbau durch verbesserte Lieferkette (Supply Chain Management)


Die Prioritäten sieht Fujifilm künftig im Bereich „optischer Geräte“ , nennt hier explizit Kamerahandys, nicht aber Digitalkameras.

Zusammenfassend: Während Fujifilm sich Anfang 2004 durchaus noch Chancen im Bereich Imaging ausrechnete, werden Anfang 2006 die herben Einbrüche beklagt. Chancen sieht man bei Fotohandys.


Bis auf eine Fußnote (* die Zahlen beinhalten keine digitalen Spiegelreflexkameras) wird nicht deutlich, inwiefern sich Fujifilm für diesen Bereich interessiert, ob das Unternehmen sich hier Chancen ausrechnet bzw. in Zukunft investieren will. Der aktuelle „Notfallplan“ jedenfalls sagt dazu – außer dem Hinweis auf massive Kostensenkungen – nichts aus, die Maßnahmen sollen woanders stattfinden und greifen; offensichtlich hat die Entwicklung neuer Kameras keinen Vorrang.

Siehe auch:
Fujifilm sieht sich konsequent auf Digitalkurs

(thoMas)