Leica, seit einiger Zeit durch finanzielle Schwierigkeiten gebeutelt, hat in der gestrigen außerordentlichen Hauptversammlung den Weg für die „Turnaroundstrategie“ freigegeben. Neben Leica M und R soll es auch künftig Kompaktkameras geben. Die „Fehleinschätzungen des Managements in Bezug auf die Geschwindigkeit des Wandels hin zur Digitalisierung des Fotomarkts“ sowie die „strukturellen Schwachstellen des Unternehmens“ sollen angegangen werden:

Leica informiert: Die außerordentliche Hauptversammlung der Leica Camera AG hat am 31. Mai 2005 mit einer überwiegenden Mehrheit von jeweils mehr als 90% den von Vorstand und Aufsichtsrat vorgeschlagenen Kapitalmaßnahmen zugestimmt. Wie im Wesentlichen im elektronischen Bundesanzeiger vom 20. April 2005 bekannt gemacht, handelt es sich hierbei um die Herabsetzung des Grundkapitals in vereinfachter Form, die Erhöhung des Grundkapitals gegen Bareinlagen sowie die Schaffung eines genehmigten Kapitals. Dr. Josef Spichtig, seit dem 18. April 2005 Vorstandsvorsitzender der Leica Camera AG, hatte diese Maßnahmen auf der Hauptversammlung als „unabdingbar für die Existenz des Unternehmens“ bezeichnet. Die Zustimmung der Aktionäre wertete er als „Bekenntnis zum Erhalt des Unternehmens und Bejahung seiner Zukunftsperspektiven“. Geplant ist nun die Herausgabe von 13,5 Millionen neuen Aktien im Wert von je EUR 1,70. Die neuen Aktien werden zunächst den bestehenden Aktionären angeboten.

Für das Unternehmen formulierte Spichtig das Ziel, die gesamte Struktur auf ein in naher Zukunft erzielbares Umsatzvolumen von etwa EUR 100 Mio auszurichten. Dabei wolle er das Unternehmen in seiner Gesamtheit, also mit den Geschäftseinheiten Foto und Sportoptik, fortführen. Neben den beiden Kamerasystemen Leica M und Leica R sollen auch in Zukunft Kompaktkameras als Kooperationsprodukte angeboten werden. Digitale Lösungen in allen Produktbereichen sollen in Partnerschaften entwickelt und verstärkt werden. „Die digitalen Technologien sind bekannterweise entwickelt und auf dem Markt vorhanden. Sie sollen im Sinne eines Engineerings mit Leica Know-how verbunden werden. Für die Bearbeitung dieser Fragestellung wollen wir uns personell verstärken“, führte der Vorstandsvorsitzende aus.

Die erzielte Reife digitaler Fotolösungen, die in der Spitze zu einem Kopf-an-Kopf-Rennen mit analogen Verfahren führe, böte jetzt auch vermehrt Platz für Leica Lösungen. Beste Optik, die Konzentration auf das Wesentliche und Solidität spielten wieder eine Rolle, da die Sensoren nicht mehr das allein bestimmende Qualitätsmerkmal eines digitalen Systems seien.

Bezüglich der Produktion und Logistik plane er eine Straffung, die auch zu einer Halbierung des Lagerbestands von aktuell EUR 42 Mio führen solle. Die Maßnahmen sollen an den Standorten Solms und Portugal so getroffen werden, dass die Fertigung „Made in Germany“ nicht gefährdet wird.

Auf der Seite des Marketing und Vertriebs sieht sich Spichtig einem qualitätsorientierten Umbau der Vertriebsstruktur verpflichtet. „Für die erklärungsbedürftigen Leica Produkte brauchen wir gut ausgebildete Händler mit gutem Service. Wir müssen unsere internationale Distributionspolitik so ausrichten, dass sich für die ausgewählten Partner ein attraktives Geschäft entwickelt“, so Spichtig.

In seinem Vortrag vor den Aktionären des Unternehmens führte Spichtig aus, dass in der Leica Camera Gruppe im Geschäftsjahr 2004/2005 (31. März) in einem schweren Marktumfeld ein Umsatzrückgang von EUR 119,1 Mio um 21% auf EUR 93,7 Mio zu verzeichnen war. Zu den Gründen für den Verlust führte er aus, dass es Fehleinschätzungen des Managements in Bezug auf die Geschwindigkeit des Wandels hin zur Digitalisierung des Fotomarkts gegeben habe, die sich mit strukturellen Schwachstellen des Unternehmens und auch externen Faktoren wie ungünstigen Währungskursen gepaart hätten.

Zusätzlich zu dem bereits angekündigten voraussichtlichen Verlust von EUR 15,5 Mio würden mit den Wirtschaftsprüfern Fragen zur Bewertung der Lagerbestände diskutiert, die noch zusätzliche Belastungen ergeben können. Hierbei handele es sich nicht um eventuelle Bewertungsfehler, sondern um mögliche Auswirkungen der zurzeit in Vorbereitung befindlichen Turnaroundstrategie auf die Reichweitenbewertung.

Der Start in das neue Geschäftsjahr erfolgte mit einem Umsatz von EUR 6,2 Mio im Monat April. Hieraus ergaben sich Verluste in Höhe von EUR 1,7 Mio. Auch für den Monat Mai werden Umsätze und Verluste in einer vergleichbaren Größenordnung erwartet.

Die Verluste haben handelsbilanziell zu einer Überschuldung geführt; durch Rangrücktritte ist jedoch derzeit sichergestellt, dass im Überschuldungsstatus eine solche Überschuldung nicht entsteht.

Den Kapitalmaßnahmen liegt eine Ergebnisplanung zu Grunde, die operative Verluste im Geschäftsjahr 2005/2006 in einer Größenordnung von EUR 13 Mio berücksichtigt. Überprüfungen im Hinblick auf mögliche Verbesserungen seien aber noch nicht abgeschlossen. Zu berücksichtigen sei auch ein möglicher außerordentlicher Aufwand für Restrukturierungsmaßnahmen. Für das Geschäftsjahr 2006/2007 sei dann ein ausgeglichenes Ergebnis als Ziel festgehalten.

(thoMas)